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Chronik und Quellen
1934
Juli 1934

Die Gestapo Wilhelmshaven berichtet

Die Gestapo für den Regierungsbezirk Aurich gibt aus Wilhelmshaven für den Monat Juli folgenden Bericht „Über die politische Lage“ ab:

Juden und Freimaurer

Die jüdische Bewegung macht sich in letzter Zeit wieder häufiger bemerkbar. Am 15. Juli d. Js. hielt die Ortsgruppe des ''Zentralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens '' in Wilhelmshaven eine Versammlung ab, in welcher der Rechtsanwalt Dr. Eichholz über das Thema sprach: ''Die Einordnung der Juden im neuen Staat.'' Der Referent, welcher rein sachlich zum Thema sprach, legte den Anwesenden nahe, ihren Glauben als gute deutsche Juden zu bewahren und ihre ganze Arbeitskraft Deutschland zu widmen. Er warnte dabei ausdrücklich vor einer Auswanderung nach Palästina . An der Versammlung nahmen etwa 80 Personen teil.

In einer am folgenden Tage von der jüdischen Gemeinde veranstalteten Kundgebung, die von etwa 50 Personen besucht war, sprach als Referent Dr. Schloßberg aus Berlin über das Thema: ''Untergang oder Erneuerung.'' Er führte aus, daß die Zukunft der Juden in Deutschland schwarz sei. Er könne daher nur raten, sobald als möglich nach Palästina, von woher der Silberstreifen winke, auszuwandern. Nach seiner Meinung hätten die Juden in Deutschland nicht mehr viel zu erwarten, drohe ihnen nur noch der Untergang.

Die Ausführungen dieses Redners fanden bei fast allen Versammlungsteilnehmern keine Zustimmung.

Am 1. Juli d. Js. fand in Aurich eine Versammlung des jüdischen Jugendbundes statt, in der eine Rednerin aus Hamburg, Senta Meier, über Wege zur Gemeinschaft sprach, und hier insbesondere darauf hinwies, daß schwere Zeiten immer dazu beigetragen haben, die Juden zu einem engeren Zusammenschluß zwecks Erhaltung des Judentums zu veranlassen. Vor allem sei die luxuriöse Lebensweise vieler Juden und ihr Mangel an Gemeinschaftssinn zu tadeln. Es müsse wieder das Verständnis für die Erhaltung reinen Judentums geweckt und wachgehalten werden.

In einer Versammlung der zionistischen Vereinigung in Aurich am 15.7.34 sprachen 2 Redner, aus Bremen Dr. Marx und aus Hamburg Cohen, über das Wirken von 2 bedeutenden Juden, von denen der eine die jetzige Zeit prophetisch vorausgesehen hätte. Der eine Redner beschäftigte sich in seinen Ausführungen mit der Frage, wie der Verfall des Judentums, der Geburtenrückgang und die eingetretene Vergreisung aufgehalten werden könnte. Er schlug eine allgemeine Berufsumschichtung und vor allen Dingen Auswanderung nach Palästina vor. Alle Maßnahmen aber müßten der Schaffung einer neuen sicheren Heimat für die Juden und der Erhaltung des Judentums dienen.5

In einigen Berichten der Landräte wird der Verdacht ausgesprochen, daß in den Synagogen politische Propaganda getrieben wird. Die nach dieser Richtung hin angestellten Nachforschungen waren jedoch ergebnislos.

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