Mai 1945
Der Abgesang des NS-Regimes nahm am 1. Mai seine Fortsetzung, als sich einen Tag nach Adolf Hitler dessen Weggefährte Joseph Goebbels vor dem Bunker der Reichskanzlei in Berlin nach Ermordung seiner sechs Kinder gemeinsam mit seiner Ehefrau Magda das Leben nahm. Am gleichen Tag gab der Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine, Großadmiral Karl Dönitz, per Rundfunk seine Ernennung zum Reichspräsidenten bekannt und sprach sich für eine Fortsetzung des Krieges im Osten aus, während sowjetische Soldaten die Reichskanzlei im Berliner Stadtzentrum stürmten. Am Tag darauf unterzeichnete der deutsche Kampfkommandant Weidling die Kapitulation seiner Truppen, womit der ungleiche „Kampf um Berlin“ sein Ende gefunden hatte.
Es sollten allerdings noch weitere menschliche Katastrophen folgen. Am 3. Mai wurden die deutschen Passagierdampfer „Cap Arcona“ und „Thielbeck“, auf denen sich mehr als 7.000 von der SS aus dem KZ Neuengamme evakuierte Häftlinge befanden, von britischen Jagdbombern in der Neustädter Bucht vor Schleswig-Holstein versenkt. Nur etwa 200 Häftlinge konnten sich an Land retten.
Am 5. Mai brach in Prag ein durch die tschechische Widerstandsbewegung initiierter Aufstand aus, auf den Einheiten der Waffen-SS am Folgetag mit einer brutalen Gegenoffensive antworteten. Weil mit der Sowjetunion vereinbart war, dass die Rote Armee Prag befreien sollte, griff der mit seinen Truppen in der Nähe liegende US-General Eisenhower nicht helfend ein, sondern stoppte den US-Vormarsch. Am gleichen Tag begann dann die Rote Armee ihrerseits mit einer Großoffensive gegen die in Böhmen liegenden Reste der deutschen Heeresgruppe Mitte, die zwei Tage später die Waffen streckte. Am 6. Mai hatten auch die zuletzt immerhin noch 40.000 Mann starken deutschen Truppen in dem zur „Festung“ erklärten Breslau kapituliert.
Nachdem Generaladmiral von Friedeberg bereits am 4. Mai in Lüneburg der Kapitulation für die in Nordwest-Deutschland stehenden Truppen zugestimmt hatte, wurde die bedingungslose Kapitulation sämtlicher deutscher Streitkräfte am 7. Mai im französischen Reims unterzeichnet. Sie trat am 8. Mai um 23.01 Uhr mitteleuropäischer Zeit in Kraft trat. An diesem Tag gab auch Reichspräsident Karl Dönitz in einer Rundfunkansprache über den Sender Flensburg den deutschen Truppen den Befehl zur Kapitulation. Kurz nach Mitternacht des 9. Mai wurde in Berlin-Karlshorst die Unterzeichnung der deutschen Gesamtkapitulation auf Wunsch der Sowjetunion wiederholt. Damit war der Zweite Weltkrieg in Europa beendet.
Für rund 7,5 Millionen deutsche Soldaten bedeutete das den Gang in alliierte Kriegsgefangenschaft; allein 3,8 Millionen von ihnen bei den US-Amerikanern. Diese Masse stellte die Alliierten vor kaum lösbare Aufgaben, denen sie dadurch Herr zu werden versuchten, dass sie entlang des Rheins Massenlager einrichteten. In diesen sogenannten „Rheinwiesenlagern“ herrschten katastrophale hygienische Zustände; Ernährung und insbesondere die Versorgung mit Trinkwasser war kaum aufrechtzuerhalten. Die Folge waren Epidemien mit ungezählten Toten. Die meisten der 3,2 Millionen Soldaten in sowjetischer Gefangenschaft traf das Schicksal jedoch zumeist noch härter. Sie wurden in der Sowjetunion vielfach zur Zwangsarbeit eingesetzt, wobei geschätzt eine Million von Ihnen ums Leben kam.
Die Mitglieder der geschäftsführenden Reichsregierung und des deutschen Oberkommandos der Wehrmacht werden am 23. Mai von britischen Truppen in Flensburg verhaftet, womit es endgültig keine Reichsregierung mehr gab. Am gleichen Tag beging der ehemalige Reichsführer SS Heinrich Himmler, der in der Uniform eines Feldwebels der deutschen Wehrmacht bei Lüneburg von britischen Truppen gefangengenommen worden war, nach seiner Identifikation in deren Hauptquartier Selbstmord.
Mit dem Krieg hatte aber keinesfalls das Elend der Menschen ein Ende gefunden. Am 30. Mai etwa wurden rund 25.000 (sudeten-) deutsche Bewohner der mährischen Stadt Brünn von bewaffneten Tschechen zusammengetrieben und in Richtung auf die österreichische Grenze in Marsch gesetzt. Als Österreich ihnen am nächsten Tag die Einreise verweigerte, mussten die Vertriebenen unter katastrophalen Bedingungen in einem auf freiem Feld errichteten Lager campieren, was in den folgenden Tagen und Wochen Hunderten von ihnen das Leben kosten sollte.
Mit dem Ende des Krieges regte sich andererseits umgehend neues politisches Leben im zerstörten und besetzten Deutschland. Bereits am 2. Mai waren Mitglieder einer von Walter Ulbricht geführten kommunistischen Initiativgruppe in Berlin eingetroffen. Sie soll der Roten Armee bei der Wiederherstellung des öffentlichen Lebens zur Seite stehen. Vier Tage später fand in Hannover unter Federführung von Kurt Schumacher die Wiedergründung des dortigen sozialdemokratischen Ortsvereins statt, des ersten im Nachkriegsdeutschland. Damit begann der Wiederaufbau der SPD. Am 25. Mai einigte sich ein Kreis ehemaliger Vertreter des Zentrums und der Deutschen Demokratischen Partei in Berlin auf die Gründung einer neuen - bürgerlichen und überkonfessionellen - Sammlungsbewegung, die den Namen Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDUD) erhalten sollte. - Zum Monatsende wurde dann die NSDAP durch Gesetz der britischen Militärregierung in Deutschland endgültig aufgelöst.
Auch das öffentliche Leben und damit auch die Medien nahmen im Laufe des Monats schrittweise wieder Gestalt an. Als erster deutscher Sender unter britischer Regie strahlte Radio Hamburg am 4. Mai ein Rundfunkprogramm aus, am 13. Mai meldete sich der von den Sowjets kontrollierte „Berliner Rundfunk“ erstmals zu Wort. Ebenfalls in Berlin erschien am 15. Mai mit der „Täglichen Rundschau“ die erste reguläre Tageszeitung nach Kriegsende, die von der sowjetischen Besatzungsmacht für die deutsche Bevölkerung in einer Auflage von 150.000 Exemplaren herausgegeben wurde. Die bis dahin im Westen erscheinenden Organe galten hingegen allesamt als „Nachrichtenblätter“. Eine Woche später folgte die „Berliner Zeitung“. Weitere Berliner Beispiele für das erwachende Nachkriegsleben im Mai: Am 16. Mai fanden in 30 Kinos erstmals seit Beendigung der Kampfhandlungen am 2. Mai wieder Filmvorführungen statt, vier Tage später vor rund 10.000 Zuschauern im Bezirk Lichtenberg das erste Fußballspiel. Am 26. Mai gaben die Berliner Philharmoniker dann im Titania-Palast ihr erstes Nachkriegskonzert mit Werken von Tschaikowski, Mozart und Mendelssohn-Bartholdy.