Kaum überlebende Juden in Leipzig
Am 27. April 1945 berichtet der „Aufbau“, dass von den einst 15.000 jüdischen Einwohnern in Leipzig lediglich 16 in der Stadt überlebt haben:
Die Letzten von Leipzig
15 Männer und 1 Frau der Rest einer Gemeinde von 15.000 Juden - In Aschaffenburg nur 1 Jude am Leben geblieben - Frankfurter Juden glauben an Fortdauer des Antisemitismus in Deutschland Leipzig, Ende April (JTA)
Fünfzehn kranke Männer im Greisenalter und eine betagte kranke Frau sind die einzigen Überlebenden von Leipzigs 15.000 Köpfe zählender jüdischen Bevölkerung, von der etwa 5.000 Personen vor 1939 noch auswandern konnten. Diese unglücklichen Sechzehn sind alle in einem einzigen Haus in der Blumeistraße untergebracht.
Ein Korrespondent der Jüdischen Telegraphenagentur besuchte das „Judenhaus“ in Leipzig und fand dort auch eine Anzahl nichtjüdischer Frauen und Ehemänner von Jüdinnen, insgesamt etwa 250. Die jüdischen Ehepartner waren vor acht Wochen zusammen mit Kindern im Alter von vier Jahren aufwärts deportiert worden.
Der Älteste der 15 überlebenden männlichen Juden in Leipzig heißt Richard Frank. Er ist ein früherer Strickwaren-Fabrikant, dessen Schwiegersohn Ernest Hyman in den Vereinigten Staaten in Red Bank, N. J., 345 Broad Street, lebt. Die einzige aufgefundene jüdische Frau ist Hildegard Fink.
In London eingegangene Berichte besagen, daß in der Stadt Aschaffenburg nur ein einziger Jude lebend aufgefunden worden ist. Er heißt Paul Levy. Von den 400 Juden, die vor dem Kriege in Aschaffenburg lebten, sind nach seiner Angabe die Hälfte ausgewandert, die andere Hälfte wurde deportiert.
Ein Berichterstatter der JTA, der in Frankfurt a. M. eingetroffen ist, meldet, daß die körperliche Verfassung der weniger als hundert Juden, die in dieser Stadt geblieben sind, ganz erschreckend sei. Indessen hat der inzwischen von den Alliierten aufgestellte neue Frankfurter Bürgermeister dafür gesorgt, daß diesen Juden zusätzliche Lebensmittel zur Verfügung gestellt werden, damit sie wieder etwas zu Kräften kommen.
Der Korrespondent der JTA verbrachte eine Stunde mit einem 78jährigen jüdischen Schriftsteller, der jetzt die alliierte Militärregierung in Frankfurt in jüdischen Angelegenheiten berät. Wenige Stunden vorher war dieser Mann mit seiner nicht jüdischen Frau wieder vereinigt worden, die Jahre hindurch heroisch um ihren Mann gekämpft hatte und infolge ihrer aristokratischen Abkunft und rein arischen Abstammung damit schließlich auch Erfolg gehabt hatte.
Der erwähnte jüdische Autor erklärte dem JTA-Vertreter, daß Hitler lediglich die Ausrottung der Juden und die Aussaat eines ewigen Rassenhasses gelungen sei. „Ich habe das Empfinden“, fügte er hinzu, „daß die Juden niemals wieder als Gleichberechtigte im deutschen Volke aufgenommen werden. Ich habe mit allen meinen Freunden aus der Vorkriegszeit jeden Kontakt verloren. Wir sind uns alle so fremd geworden, daß ich glaube, das Leben für die Juden in Deutschland wird niemals wieder so sein, wie es vor Hitler war.“