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Chronik und Quellen
1938
Oktober 1938

Von Köln nach Neu-Bentschen

Am 27. Oktober 1949 verfasste der Kölner Jude Sally Kessler einen Bericht über seine Abschiebung nach Neu-Bentschen und das Leben dort:

Köln, den 27 Oktober 1949.

Bericht über das Internierungslager Bentschen (Polen)

Am 28 Oktober 1938 wurden wir von Köln nach Bentschen (Zbaszyn) abgeschoben, der Zug war von Polizei bewacht. An der Grenze wurden wir von deutschen Grenzbeamten aus dem Zuge getrieben und mussten mit Gepäck im strömenden Regen etwa 7 km. laufen. Viele liessen Ihre letzten Habseligkeiten am Wege liegen, weil sie nicht mehr die Kraft hatten bei dem Tempo das die Grenzer anschlugen auch noch Ihr Gepäck zu schleppen. Die Grenzbeamten ganz junge Burschen trieben rücksichtslos die Leute mit Kolbenschlägen voran. An der poln. Grenze angekommen wurden wir von den Polen wiederum mit Maschinengewehren zurück auf deutsches Gebiet getrieben, hier trieben uns die Deutschen kann wieder unter Kolbenschlägen zurück ins polnische. So ging es von 12 Uhr Nachts bis morgens gegen 6 Uhr. Die ersten Opfer hatten wir hier zu verzeichnen, eine Frau und ein Mann wurden wahnsinnig und wurden später nach Posen in eine Irrenanstalt gebracht. Inzwischen war Anweisung gekommen uns unter Bewachung auf poln. Gebiet zu lassen, wir wurden jetzt nach Bentschen gebracht. Dort befanden sich schon Transporte aus Berlin und Hamburg. Dort wurden wir in grossen Pferdeställen untergebracht welche von poln Kavalarie geräumt worden war, weil es dort durchregnete, der Mist lag noch dort. Etwa 1000 Leute wurden in einer alte Schule untergebracht, an 1200 an einer leeren Fabrik welche als Mühle bekannt war. Ein Teil schlief in den ersten Tagen auf den Strassen. Von der Bevölkerung war keinerlei Hilfe zu erwarten da der grösste Teil Volksdeutsche waren und durch Nazipropaganda sehr Judenfeindlich eingestellt war. Man kann sich vielleicht ein Bild daraus machen wenn man bedenkt, Bentschen ein armseliger Ort mit 5800 Einwohner und dann 6000 vertriebene Juden aus Deutschland und dazu diese verhetzte Bevölkerung des ehemaligen deutschen Gebiets. Erst nach einigen Tagen kam Hilfe von den jüdischen Hilfsorganisationen. Hier haben die jüdischen Arbeiterkomitees übermenschliches geleistet. Es wurde uns gleich bekannt gegeben das wir auf Befehl der poln. Regierung den Ort unter Strafe nicht verlassen dürften. Der Ort war vom Militär umgestellt und diejenigen die zu flüchten versuchten wurden ins Gefängnis gesperrt bis Kriegsanfang. Ein Freund von mir aus Köln hatte die Ausreisepapiere nach den U.SA und versuchte nun nach Hamburg zu kommen die Polen fingen ihn, er wurde eingesperrt bis Kriegsanfang und ist ein Jahr später in einem K.z umgekommen. Hier ist es doch ganz klar das durch die Anweisung und dann die Internierung die Freiheitsentziehung klar auf der Hand liegt, hervorgerufen durch die guten Beziehungen zwischen Polen und dem Naziterrorstaat. Tagtäglich waren Überfälle auf Juden zu verzeichnen. Wir haben 33 bis 1938 in Deutschland nicht soviel mitgemacht wie in diesem Ort in 12 Monaten. An etwa 30 bis 40 Leute haben dort Selbstmord verübt, weil die Zustände grauenvoll waren. Handelte es sich doch meistens um Juden aus den ehemaligen abgegrenzten Oesterreichischen Gebieten. Nur sehr wenige beherrschten die poln. Sprache und täglich hörten wir von den Polen wer nicht polnisch spricht, braucht auch kein polnisches Brot zu fressen. 1938 im Frieden schon ein K.z. - Menschen, die in Deutschland geboren sind und nie Polen gesehen haben werden von Nazistischen Verbrechern zu Polen gestempelt, und auf Gnade und Ungnade fanatischen Polen die in wirklichkeit tatsächlich Volksdeutsche waren und mit den Naziverbrechern schon den besten Kontakt hatten in die Hände gespielt. Diese Volksdeutschen haben damals schon die Blutbefehle Hitlers in Bentschen ausgeführt. So das die dort internierten Juden sich in wirklichkeit schon damals unter Naziterror standen. Bei Kriegsausbruch haben die Volksdeutschen die bis 1939 noch Polen waren auf die poln. Armee aus den Häusern geschossen und damit meine hier aufgestellte Behauptung selbst bestätigt das Sie schon vorher Naziprovokateure waren. Diese meine Angaben beruhen auf voller Wahrheit und werden noch von andern dort interniert gewesenen bestätigt werden.

I. Kessler.
Köln, Karthäuserhof 8.

z. d. A. Kessler.

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