Anfrage zum Besuch von Bergen-Belsen
Das Auswärtige Amt zeichnet am 7. Oktober 1944 eine Anfrage des Internationalen Roten Kreuzes auf, Bergen-Belsen besuchen zu dürfen:
Herr Lennart, Delegierter vom Internationalen Roten Kreuz, suchte mich heute auf und trug folgendes vor:
Herr Sündermann habe in der Pressekonferenz vom 21.7.44 erwähnt, anläßlich des Besuches von Delegierten des IRK in Theresienstadt, wie gut die Juden in Deutschland behandelt würden. Das IRK sei aufgrund dieser Bemerkung, die für Theresienstadt unzweifelhaft richtig gewesen wäre, daran interessiert, auch weitere Judenlager, und zwar zunächst das Lager Bergen-Belsen zu besichtigen. Er würde aber auch gerne andere Lager sehen. Man sei bereit, als Gegenleistung auch Lager mit deutschen politischen Gefangenen in Übersee oder sonstigen Gebieten zu besuchen und die Gefangenen zu betreuen.
Ich erwiderte, daß ich die Möglichkeit eines Besuches in Bergen-Belsen unverzüglich prüfen werde. Ich sei selbst kürzlich in dem Lager gewesen und sei davon überzeugt, daß die Delegation in dem Lager trotz seines völlig anderen Charakters die gleichen Feststellungen wie in Theresienstadt treffen werde. Ich müsse mir jedoch eine Stellungnahme aus dem Grunde Vorbehalten, weil z. B. zwischen dem Besuch eines Judenlagers und einem Lager von politischen Gefangenen im Ausland ein entscheidender Unterschied bestehe. In dem einen Fall handele es sich um Reichsangehörige, und es bestehe ein Rechtsanspruch des Reiches darauf, daß die Betreffenden gut behandelt würden Im anderen Fall handele es sich um deutsche Juden, und es fehle dem Ausland jede Legitimation, sich um die rein internen deutschen Dinge zu kümmern. Wenn wir überhaupt, wie im Falle Theresienstadt, die Genehmigung zum Besuch eines solchen Lagers erteilt hätten, so sei dies eine Geste, um wieder einmal schlagend zu dokumentieren wie unsinnig die verlogene Propaganda des Auslandes sei.
Daraufhin erklärte mir Herr Lennart, ob sie dann vielleicht die Genehmigung zum Besuch von Konzentrationslagern mit politischen Häftlingen aus Norwegen usw. erhalten könnten. Auch insoweit sei es doch gut, wenn die feindliche Greuelpropaganda einmal widerlegt würde.
Ich erklärte, daß ich dies auch für gut hielte, da Konzentrationslager ja auch bereits mehrfach zur Besichtigung freigeben seien. Ich sei jedoch in dieser Frage nicht zuständig und würde der zuständigen Stelle die Bitte weiterleiten.
Hiermit
über Herrn U.St. S. Pol. Herrn Staatssekretär
mit der Bitte um Weisung vorgelegt, ob an dem Besuch eines Judenlagers wie Bergen-Belsen oder eines KZ-Lagers ein besonderes politisches Interesse des AA besteht und bei SS-Ogruf. Dr. Kaltenbrunner die entsprechenden Schritte wegen einer Genehmigung unternommen werden sollen. In beiden Fällen werden voraussichtlich seitens des RSHA schwerwiegende Bedenken bestehen.