Zukunft der Juden?
Carl Goerdeler legt im September 1944 in einer Denkschrift seine Gedanken über die Zukunft der Juden nieder und schlägt die Errichtung eines jüdischen Staats vor:
Bleiben 4 Fragen (…)
a.) Reparationen. Jeder Gedanke daran wird abgelehnt. Ich war mir auch mit Engländern und Amerikanern einig, daß sie nie wieder auftauchen dürfen. Alle Völker sind überschuldet. Deutschlands Großstädte liegen in Trümmern. Woher sollen Stoffe und Kräfte genommen werden, um mangels Geld zu zahlen? Die Reparationsfrage wird begraben im „Bund zum gemeinschaftlichen Wiederaufbau Europas“. Es ist nicht schwer, klarzustellen, daß schnelle Wiederherstellung aller Volkswirtschaften eine zuverlässige [re] Grundlage des Wohlstands ist als Reparationen aller Art.
b.) Abrüstung. Sie ist dem „Europäischen Wirtschaftsbund“ zu überweisen, soweit Europa in Betracht kommt, im übrigen einer Weltorganisation. Praktisch kommt sie über die Notwendigkeit zur Lösung, daß ohne stabile Währungen kein Gütertausch, ohne diesen keine Behebung des Mangels, kein Wohlstand denkbar ist und daß stabile Währungen ausgeglichene öffentliche Haushalte zur unabdingbaren Voraussetzung haben. Die Geldländer werden ihr Geld schnell verbrennen, wenn sie ihre Verluste weiterführen und mit Gold decken wollen. Die erste große Welle der Abrüstung wird durch den Wiederaufbau und die Notwendigkeit eisernen Sparens herbeigeführt. Sie ist schon entscheidend bei der allgemeinen Verarmung.
c.) Judenfrage. Ungerechtfertigte Bereicherungen an Judenvermögen sind Unrecht und wieder gutzumachen. Entschädigung noch lebender Geschädigter ist unerläßlich. Ein Kommissar unter dem Reichsinnenminister regelt dies, das bieten wir an.
Im übrigen verlangt die Frage eine für alle Völker anwendbare Regelung. Ich sehe sie in folgender Weise: Ein großes oder kleines Territorium (etwa in Palästina oder Südamerika) wird zum souveränen Judenstaat erklärt. Alle Juden in der Welt sind dessen Bürger u. erhalten von ihm ihre Papiere, zahlen ihm Steuern. Gleichzeitig verlieren sie die Staatsangehörigkeit ihres Gastlandes. Ihr Staat hat Vertreter usw. bei fremden Regierungen. Nunmehr richtet sich das Recht der Juden in den Gastländern nach Fremden-Recht. Sie können gewisse Berufe und Geschäfte betreiben, aber nicht Beamte sein, nicht wählen usw. Ich bin überzeugt, daß dieser Vorschlag folgerichtig vertreten, allmählich allgemein Zustimmung findet. Die Juden u. Angelsachsen empfinden selbst die Notwendigkeit einer gerechten Regelung. Es ist ein Irrtum, daß die Angelsachsen die Juden lieben, das Gegenteil ist der Fall. In U. S. A. sah ich 1937 Hotels „not for jewish people“! Auf den Universitäten der U. S. A. dürfen nach ungeschriebenem Recht nie mehr als 3 % Juden studieren! Mischehen finden damit ihre Regelung. Die Frau und Kinder folgen jeweils dem Recht des Mannes. In Deutschland werden Mischehen selten sein, also keine Rolle spielen. In anderen Völkern waren sie noch seltener, nicht häufiger, wie hier verbreitet ist.
Den Rest muß das gesunde Gefühl für Rasse und Menschlichkeit tun. Wir dürfen nicht bemänteln wollen, was geschehen ist, müssen aber auf die große Schuld der Juden hin-weisen, die in unser öffentliches Leben eingebrochen waren in Formen, die jeder gebotenen Zurückhaltung entbehrten. Als ich 1917 mit meinem verwundeten, 1918 gefallenen Bruder Franz zusammen auf Urlaub in Uniform im Zoo saß, nahmen an unserem großen Tisch 2 ältere jüdische Ehepaare Platz und begannen sofort laut auf die Offiziere zu schimpfen, die draußen gut lebten, die Landesbewohner schikanierten, Raubgut nach Hause schickten u. s. w. Wir standen angeekelt auf, am liebsten hätte ich gesagt: „Schade, daß wir Sie vor den Kosaken geschützt haben!“ Das habe ich 1917 selbst erlebt und habe doch die Stadt Königsberg 1927 auf einem Jubiläum der jüdischen Gemeinde vertreten, das religiös gefeiert wurde. Wir dürfen den Juden die Rechte nicht versagen, die allen Menschen durch Gott verliehen sind. Ich bin überzeugt, daß mein Vorschlag da schließlich den rechten Weg für alle weist.
d.) Die Frage der Kriegsschuld und der Kriegsverbrechen darf nicht wieder Gegenstand eines Spezialvorgehens gegen Deutschland werden. Die Wirkungen würden denen des Diktats von Versailles nicht nachstehen. In früheren Jahrhunderten sind solche Fragen nicht aufgetreten. Man war zu klug, sie aufzuwerfen, so mutwillig mancher Krieg vom Zaune gebrochen war. Napoleon I. war der erste Gegenstand internationaler Verurteilung und ist trotzdem Nationalheros von Frankreich geworden. Denn er war der Been-der der Revolution, der Organisator der Verwaltung, der Erneuerer nationaler Einheit -trotz allem, Cromwell ist nach seinem Tode gehängt und dann geehrt. Das letzte Urteil spricht die Geschichte.