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Chronik und Quellen
1944
Juli 1944

Interesse am Erwerb des jüdischen Friedhofs

Der Bürgermeister von Bückeburg bekundet am 6. Juli 1944 in einem Schreiben an das Reichssicherheitshauptamt sein Interesse am Erwerb des jüdischen Friedhofs seiner Gemeinde:

Betr.: Verkauf der jüdischen Friedhöfe

Nach einer Mitteilung des Finanzamtes Stadthagen ist die Verwaltung der jüdischen Friedhöfe den Finanzämtern übertragen worden. Der Reichsminister der Finanzen hat angeordnet, die jüdischen Friedhofsgrundstücke den Gemeinden zum Kauf anzubieten. Ich war schon vorher an dem Erwerb des hiesigen Judenfriedhofes sehr interessiert, hatte aber Verhandlungen mit der Reichsvereinigung der Juden abgelehnt. Nunmehr stehe ich in Verkaufsverhandlungen mit dem Finanzamt Stadthagen.

Der Abschluß eines Kaufvertrages wird von der Einfügung einer Bestimmung abhängig gemacht, nach der die Gemeinden sich verpflichten, das Reich von etwaigen Ansprüchen der Eigentümer freizustellen. Ich halte diese Klausel für so absurd, daß ich ihre Aufnahme in einen Kaufvertrag ablehnte. Daraufhin teilt mir das Finanzamt Stadthagen durch Schreiben vom 28. Juni u. a. folgendes mit:

„Wegen des von Ihnen beanstandeten Vorbehalts habe ich mich an den Herrn Oberfinanzpräsidenten Hannover gewandt und gebeten, den Vorbehalt im Kaufverträge weglassen zu dürfen. Der Herr Oberfinanzpräsident hat mit Verfg. vom 20. Juni 1944 entschieden, daß auf die Aufnahme des Vorbehalts nicht verzichtet werden könne, weil der Herr Reichsminister der Finanzen in seinem Erlaß vom 8. Jan. 1944 die Aufnahme des Vorbehalts angeordnet habe und weil das Vermögen der Reichsvereinigung der Juden noch nicht in das Eigentum des Reichs übergegangen, sondern nur beschlagnahmt ist. Obwohl ich Ihre Auffassung über die Bedeutung des Vorbehalts vollkommen teile, bitte ich doch, der Aufnahme der Klausel in den Kaufvertrag im Interesse der baldigen Erledigung der Angelegenheit zuzustimmen.“

Ich kann mich nach wie vor einer solchen Auffassung nicht anschließen. Aus Kollegenkreisen weiß ich, daß diese Frage allgemein die Gemeinden interessiert, daß aber auch anderen Orts die Bürgermeister begreiflicherweise die Aufnahme einer solchen Klausel abgelehnt haben. Es ist erforderlich, eine grundsätzliche Klarstellung beim Herrn Reichsminister der Finanzen zu erwirken mit dem Ziel, daß eine so unverständliche Klausel in Fortfall kommt.

Zur Begründung verweise ich auf folgendes:

Die Juden, die an dem hiesigen jüdischen Friedhof interessiert waren, sind schon vor Jahren samt und sonders abtransportiert worden und zum größten Teil wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Ansprüche der Eigentümer gegen das Reich oder die Gemeinde könnten nur gestellt werden, wenn einer dieser Juden nach hier zurückkehrte. Da die Juden Reichsfeinde sind, setzte eine Rückkehr voraus, daß ein nationalsozialistischer Staat nicht mehr besteht. Zuvor würde man zweifellos uns allen das Genick umdrehen. Man könnte also in der Aufnahme einer derartig merkwürdigen Klausel sehr wohl Zweifel am deutschen Sieg erblicken. Daß solche Zweifel aber ernstlich selbstverständlich nirgends vorhanden sind, ergibt sich schon daraus, daß eine derartige Vertragsbestimmung völlig sinnlos und absurd ist und dann erst recht unterbleiben kann. Für die Gemeinden als Vertragsschließende bedeutet diese Klausel eine nicht zumutbare Belastung politischer Art. Daher bitte ich zu erwirken, daß die Kaufverträge zwischen Gemeinden und Finanzämtern über den Erwerb jüdischer Friedhöfe ohne eine derartige Bestimmung erfolgt.

Vorstehende Abschrift an den Deutschen Gemeindetag in Berlin, durch die Provinzialdienststelle Hannover, Hannover (Abschrift) Rathaus mit der Bitte um Mitkenntnis und gegebenenfalls tatkräftiger Unterstützung meines Anliegens.

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