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Chronik und Quellen
1944
Mai 1944

Mai 1944

Propagandaminister Goebbels erörterte in einem am 3. Mai erschienenen Artikel der Zeitschrift „Das Reich“ die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden alliierten Invasion in Westeuropa. Man sehe, so betonte Goebbels, einer solchen Aktion ruhig und gelassen entgegen, denn man habe nichts versäumt, um den Feind „gebührend“ zu empfangen. Zugleich warnte er die Alliierten vor „Überraschungen, die das deutsche Weltheer bei einer Landung bereithält“.

Die Realität ergab ein völlig anderes Bild: In den beunruhigenden Meldungen von der Ostfront dominierten im Mai jene von der Krim, wo die die Wehrmacht am 9. Mai Sewastolpol unter schweren Verlusten aufgeben musste. Drei Tage später überwältige die Rote Armee die letzten deutschen Verbände auf der Halbinsel Cherson südwestlich der Stadt. Damit war die Krim befreit.

Am 18. Mai nahmen die Alliierten in Italien das seit Februar hat umkämpfte Kloster Montecassino ein. Damit musste die Wehrmacht zugleich auch die als „Gustav“-Linie bezeichnete Front aufgeben, sich zurückziehen und konnte damit den alliierten Vormatsch auf Rom nicht mehr verhindern. Die Einnahme des Klosters stellte für die Alliierten aber nicht nur einen militärischen, sondern insbesondere einen wichtigen symbolischen Erfolg dar.

Nachdem am 7. Mai alliierte Bombergeschwader mit rund 2.000 Maschinen wiederum Berlin angegriffen hatten, folgte am 12. mit Bombardements der Leunawerke in Merseburg, Tröglitz und Böhlau sowie der Hydrierwerke in Pölitz und Brüx eine Luftoffensive gegen die deutsche synthetische Treibstoffindustrie. Die weitgehende Zerstörung dieser Werke traf die deutsche Rüstungswirtschaft im Kern; laut Minister Speer wurde an diesem Tag „der technische Krieg entschieden“. Hatte die monatliche Kraftstoffproduktion im April noch 927.000 und im Mai 715.900 Tonnen betragen, sank sie als Folge der Angriffe auf nur noch 472.000 Tonnen im Juni. Folge war eine ausgeprägte Kraftstoffknappheit, die militärische Operationen gefährdete oder gänzlich unmöglich machte.

Der Maifeiertag im Deutschen Reich diente in diesem Jahr auf Anordnung Hitlers „ausschließlich der Entspannung der schaffenden Bevölkerung“. Veranstaltungen fanden daher keine statt, und selbst die Beflaggung unterblieb.

Am 11. Mai forderte Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti von den deutschen Frauen „Geburtenhöchstleistungen“, denn man könne bei Soldaten „die gesunde Ansicht hören: Jetzt habe ich ein Kind, jetzt kann ich beruhigt wieder an die Front“. Anlässlich des Muttertages am 21. Mai rief dann auch Reichsfrauenführerin Scholtz-Kling unter dem Motto „Mütter, ihr tragt das Vaterland“ ihrerseits zur Erhöhung der Geburtenzahl auf, da ein „fanatischer Lebens- und Erhaltungswille instinktiv in jeder wirklichen Mutter“ liege.

Am 7. Mai wurde die Bevölkerung zur Spinnstoff-, Wäsche- und Kleidersammlung 1944 aufgerufen. Dabei wurden in der Presse auch vorsichtige Bedenken gegen die Aktion geäußert, weil die Kleiderkarte für einen Großteil der Bevölkerung seit Mitte 1943 gesperrt war und so gut wie kein Haushalt mehr über entbehrliche Textilwaren verfügte. Die „deutsche Schicksalsgemeinschaft“, so hieß es im Sammlungsaufruf, werde sich auch nun wieder bewähren, „weil das nationalsozialistische Deutschland niemals versagt hat, wenn es zu außerordentlichen Leistungen aufgerufen wurde“.

In der Woche vom 8. bis 14. Mai wurde zur Überraschung und Freude der Verbraucher im Reichsgebiet eine Fleischzulage von 100 g abgegeben. Diese Erhöhung der Ration war aber nicht etwa Ergebnis erhöhter Fleischproduktion, sondern rührte im Gegenteil von der zwangsweisen Schlachtung von Kälbern her, für deren Aufzucht nicht mehr genügend Futtermittel vorhanden waren.

Am 5. Mai wurde der deutschen Justiz noch mehr Macht zuerkannt und deren Willkürherrschaft ausgeweitet, indem insgesamt 46 gesetzlich festgelegte Tatbestände, die mit der Todesstrafe bedroht waren, abgeschafft wurden. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Todesstrafe allgemein für alle vorsätzlichen und fahrlässigen Tatbestände angedroht, die nach Ansicht der Richter „Kriegsführung und Sicherheit des Reiches“ gefährdeten.

Auf anderem Gebiet hingegen lockerten die NS-Schergen rechtliche Bestimmungen: Reichsminister Martin Bormann, der persönliche Sekretär Hitlers, erließ am 30. Mai eine Verordnung an alle NSDAP-Reichs-, Gau- und Kreisleiter, dass gegen die Lynchjustiz an abgeschossenen alliierten Fliegern künftig nicht mehr einzuschreiten sei. Das kam einer offiziellen Anerkennung von Morden an gegnerischen Soldaten durch das NS-Regime gleich.

 

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