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Chronik und Quellen
1944
März 1944

Scham wegen Behandlung der Juden

Am 29. März 1944 schreibt Daniel Lotter in seinem Tagebuch über die deutsche Schuld und Scham angesichts der Behandlung der Juden und psychisch Kranken:

Der „Justizminister“ Thierack hielt vor wenigen Tagen eine Rede, aus der zu entnehmen war, daß Thierack die Justiz lediglich für ein Mittel hält, die Massen in Zaum zu halten. Daß es ein Recht gibt, dem auch die Regierenden unterstehen, scheint diesem Rechtswahrer noch nicht zum Bewußtsein gekommen zu sein. Er hätte sonst kaum den Mut gefunden, von Reinlichkeit und sauberen Verhältnissen zu sprechen, während doch die Art und Weise, wie das Recht bei uns gehandhabt wird, geradezu zum Himmel stinkt. Niemöller ist noch immer in Gefangenschaft, und es ist notorisch, daß zu einer Klagestellung gegen einen Parteifunktionär die Erlaubnis der Partei notwendig ist, die in der Regel versagt wird. Und was haben wir sonst noch alles auf dem Gewissen! Wie wurde gelogen, verleumdet, gestohlen u. gemordet. Hunderte, ja vielleicht loooe von armen Geisteskranken hat man kaltblütig „erledigt“ und diesen Mord als Kriegsmaßnahme entschuldigt, und an die Art- und Weise, wie wir die Juden behandelten, kann man nur mit Grausen und brennendem Schamgefühl zurückdenken. Unsere gehäufte Schuld schreit nach Sühne, und es scheint, als ob der Tag der Vergeltung nicht mehr ferne ist. Die Nachrichten vom Süden der Ostfront sind alarmierend. Die Russen sind bereits bis an den Pruth vorgestoßen, und die Gefahr, daß die rumänischen Ölquellen für uns verloren gehen, ist riesengroß. Wie wollen wir dann den Krieg weiterführen, ohne von der Übermacht erdrückt und völlig entmachtet zu werden? Die von Hitler ausgegebenen

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