Aufmunterung zum Durchhalten
Lotte Paepcke beschwört ihre inhaftierte Freundin Lilli Jahn in einem Brief vom 17. Februar 1944, ihren Lebensmut nicht zu verlieren, und berichtet über den eigenen Zwangseinsatz:
Meine liebe Lilli,
ich habe mich so sehr über Deine Grüße gefreut, daß ich Dir gleich schnell schreiben muß. Das an die Kinder geht natürlich heute noch weg.
Ich bin so unglücklich, daß ich Dir nicht öfter schreiben + vor allem nicht mehr für Dich tun kann. Aber seit einiger Zeit muß ich nun wieder arbeiten, + zwar Schutt schaufeln in der völlig ausgebrannten Fabrik, ohne Türen, Fenster, Wände. Bloß weite, offene Hallen voll Schutt, Asche, Dreck, Wasser oder Schnee, je nach Wetter. Du kannst Dir denken, daß es furchtbar kalt ist. Wir machen uns zwar immer ein Feuerchen aus brennbaren Resten, die wir so finden, aber trotzdem friert man. Noch 2 Frauen + ich.
Wenn ich dann in den Nachmittagsstunden schnell den Haushalt gemacht habe - noch immer ohne Gas -, mit Einkäufen, Bügeln, Stopfen u. s. w., dann bin ich so völlig übermüdet, daß ich einfach nicht mehr schreiben kann. Ich weiß, Du begreifst es, aber doch quält es mich, daß ich nicht so kann, wie ich möchte.
Hast Du denn gar keine Wünsche? Du schreibst mir nie welche. Laß mir doch durch die Kinder sagen, was Du brauchst. Essen kann ich Dir leider gar nichts mehr schicken, ich kann einfach nichts mehr erübrigen + habe selber ewig Hunger!
Aber ich darf ja nicht klagen vor Dir! Wie stell ich mir immer wieder vor, was Du durchmachst! Und dann das immerwährende Warten auf die Entlassung + die dauernde Enttäuschung.
E. hat uns geschrieben, es laufe ein Gesuch für Dich. Ilse schrieb mir, daß sie daran zweifele, aber ich denke doch ganz sicher, daß das stimmt. Ob man mehr tun könnte, das kann ich von hier aus natürlich nicht beurteilen. E. schrieb, es werde getan, was möglich ist. Ich bin überzeugt, daß in Deinem Fall etwas erreicht werden kann, wenn man die richtigen Schritte tut. Einmal muß es doch so weit sein. Ach Liebe, wenn meine Wünsche + meine vielen Gedanken an Dich doch etwas nützen könnten!
Ich bin froh, daß Du menschlich anständig behandelt wirst. Das macht das Ganze doch um vieles leichter. Und ich bin überzeugt, nun hältst Du noch vollends durch. Laß Dich nur nicht auffressen von der Ungeduld des Wartens - so etwas zehrt + schwächt oft mehr als das Ertragen des Schweren an sich. Und behalt Deinen so schönen Lebensmut, Du hast Dich ja so wunderbar bewährt + gehalten, daß Du auch dieses nun noch zu Ende führen wirst.
Peter geht es gut. Aber mein Heimweh! E. A. ist von einer schweren Grippe mit Rippenfellentzündung wieder 3/4 hergestellt, sieht aber entsprechend aus. Ich weiß, daß er Dich ganz herzlich grüßt - er ist noch nicht da, + ich schicke den Brief gleich weg.
Sei umarmt und geküßt!
Deine