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Chronik und Quellen
1943
Dezember 1943

Todesurteil wegen Hilfe für Juden

Der Volksgerichtshof verurteilt die Mitglieder der Europäischen Union am 16. Dezember 1943 wegen Hochverrats und Unterstützung von Juden zum Tode:

Im Namen des Deutschen Volkes! In der Strafsache gegen

1.) den Chemiker Dr. phil habil. Robert Hans Günter Havemann,
geboren am 11. März 1910 in München,

2.) den Oberarzt Dr. med. habil. Georg Groscurth,
geboren am 27. Dezember 1904 in Unterhaun, Bez. Kassel,

3.) den Architekten Herbert Armin Richter,
geboren am 5. August 1901 in Halle a/Saale,

4.) den Dentisten Paul Otto Rentsch,
geboren am 29. September 1898 in Rothenburg, sämtlich aus Berlin,

zur Zeit in dieser Sache in gerichtlicher Untersuchungshaft, wegen Vorbereitung zum Hochverrat u. a.

hat der Volksgerichtshof, 1. Senat, auf die am 13.12.1943 beim Volksgerichtshof eingegangene Anklageschrift des Oberreichsanwalts vom 20.11.1943,

auf Grund der Hauptverhandlungen vom 15./16. Dezember 1943,
an welchen teilgenommen haben als Richter:

Präsident des Volksgerichtshofs Dr. Freisler, Vorsitzer, Kammergerichtsrat Rehse, NSKK-Obergruppenführer Offermann, Gauhauptstellenleiter Ahmels, Kreisleiter Reinecke,

als Vertreter des Oberreichsanwalts:
Amtsgerichtsrat Stark,

für Recht erkannt:

Robert Havemann, Georg Groscurth, Herbert Richter und Paul Rentsch, dekadente Intellektualisten, die sich nicht scheuten, feindhörig Auslandssender abzuhören, lebten sich in feigen Defaitismus hinein, Deutschland verliere den Krieg.

Um für diesen Fall die Macht an sich zu reißen, gründeten sie eine „Europäische Union“, deren zur Schau getragenes Programm vor Kommunismus und angelsächsischer Scheindemokratie kriecht, damit sie von beiden später anerkannt würden.

In Flugblättern beschimpften sie unseren Führer, den Nationalsozialismus und unser kämpfendes Volk.

Ihr Ziel, als Regierung Deutschlands nach einer Niederlage anerkannt zu werden, suchten sie vor allem auch dadurch zu erreichen, daß sie Beziehungen zu illegalen politischen Gruppen ausländischer Arbeiter in Deutschland anknüpften und pflegten.

Darüber hinaus rüttelten sie an der Sicherheit unseres Reiches dadurch, daß sie Juden falsche Papiere verschafften, die sie als deutschblütig tarnen sollten.

Sie haben durch diesen ihren Defaitismus dem Kommunismus Vorschub geleistet, unseren Kampfwillen angenagt und durch das alles in unserer Mitte unseren Kriegsfeinden geholfen!

Für immer ehrlos werden sie mit dem Tode bestraft.

Gründe:

Robert Havemann, Georg Groscurth, Herbert Richter und Paul Rentsch wollen gebildet sein. Havemann hat nach dem Studium der Chemie als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinde zuerst am Robert-Koch-Krankenhaus und dann an der militärärztlichen Akademie gearbeitet. Darauf ging er als wissenschaftlicher Assistent an das Pharmakologische Institut der Universität Berlin und wurde habilitiert. Er arbeitet in wichtigen Aufgaben seines Faches, hat auch Erfindungen entwickelt, die etwas bedeuten müssen; denn aus ihnen bezieht er schon jetzt monatlich etwa 1000 Mk Lizenzen. Georg Groscurth war nach dem Medizinstudium auch Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinde, und zwar am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie; dann wurde er Assistenzarzt am Robert-Koch-Krankenhaus, wo er seit 1938 Oberarzt der Ersten Inneren Abteilung ist. Seit 1940 doziert er auch an der Universität Berlin. Herbert Richter eröffnete nach Besuch der Kunstschule zunächst eine Werkstätte für Innenarchitektur und Malerei, wurde dann 1922 Ufa-Architekt, gründete alsbald eine eigene Filmgesellschaft, betätigte sich darauf als beratender Architekt der Stadt Berlin und eröffnete danach wieder eine freie Praxis. Seit 1942 ist er für den Reichshandwerksmeister zentral in Fragen der Behebung von Fliegerschäden eingesetzt.

Paul Rentsch war im Weltkriege Soldat und bekam das EK II. Er ist Zahntechniker und hat seit 1924 in Berlin eine selbständige Praxis.

Alle vier haben durch ihr Verhalten gezeigt, daß sie nicht gebildet sind. Zur Bildung gehört nämlich nicht nur Wissen und fachliches Können; Voraussetzung und Grundlage wahrer Bildung jedes Deutschen ist seine Treue in der Volksgemeinschaft zu Führer und Reich. Und alle vier sind Verräter an Volk, Führer und Reich geworden.

Sie kannten sich schon von früher her, teilweise viele Jahre lang. Sie kamen auch öfters, zunächst in Gruppen, zusammen. Aus ihren Gesprächen zur Politik und zur Kriegslage entwickelte sich eine gemeinsame defaitistische und oppositionelle Anschauung. So entstand unter ihnen der Gedanke, eine Organisation zu gründen, die alle diejenigen Kräfte sammeln sollte, die „politisch nicht belastet“, d. h. im Sinne der vier Angeklagten nicht nationalsozialistisch tätig gewesen waren. Diese Vereinigung gründeten die vier Angeklagten auch tatsächlich, und zwar am 15. Juli ds. Js. Sie nannten sie die „Europäische Union“.

Rentsch war unter den Vieren weniger führend als bloß mitgenommen. Der Kopf der Vier war zweifellos Havemann. Er sagt, er habe besonders seit etwa einem Jahr geglaubt, Deutschland werde den Krieg verlieren; habe befürchtet, daß Deutschland dann Schauplatz des Kampfes zwischen den Bolschewisten und den Angelsachsen und von beiden zerrissen werden würde; besonders, wenn die vielen alten Parteien wieder auferstehen sollten, weil dann zur äußeren Schwäche auch noch die innere Zerrissenheit kommen würde. Er habe es für unverantwortlich gehalten, nicht an die Niederlage zu denken und nicht für den Fall der Niederlage vorzusorgen. In den Besprechungen mit den anderen Angeklagten habe sich dann eine Gemeinschaft der Gedanken in diesem Sinne entwickelt. Dabei sei man sich klar gewesen, daß die Gründung einer Auffangorganisation für solche in seinem Sinne „unbelasteten“ Elemente nur Aussicht auf Erfolg habe, wenn sie vom Ausland nicht gleich abgelehnt werde und wenn sie ihrer eigenen Mitte von vornherein alle weltanschaulich-politisch-dogmatischen Auseinandersetzungen vermeide. Programm und Charakter dieser Organisation hätten also nichts Nationalsozialistisches enthalten dürfen und sich sowohl an bolschewistische als auch an angelsächsische-demokratische Ideologien anlehnen müssen. Endlich habe sich unter den Angeklagten der Gedanke durchgesetzt, man müsse größer erscheinen, als man sei, weil man sonst der Lächerlichkeit verfallen würde. Deshalb sei man u. a. auch auf den Gedanken gekommen, die beabsichtigte Vereinigung „Europäische Union“ zu nennen und sich selbst, obgleich weitere Mitglieder noch gar nicht da waren, als deren Zentralkomitee und schließlich als das Exekutivkomitee des Zentralkomitees zu bezeichnen.

Diese Darstellung Havemanns stimmt in allen wesentlichen Zügen mit den Angaben der drei anderen Angeklagten überein, nur daß Rentsch zwar nicht die Verantwortung dafür, daß er mitgemacht hat, aber doch die aktive Miturheberschaft auch an der Schöpfung dieser Gedanken bestreitet.

Es mag also so gewesen sein. (…)

Wie schamlos die Gesinnung der vier Angeklagten ist, ergibt sich auch daraus, daß sie geradezu systematisch illegal lebende Juden unterstützten, ja sogar mästeten; aber nicht nur das, sie verschafften ihnen sogar falsche Ausweise, die sie vor der Polizei tarnen sollten, als wären sie nicht Juden, sondern Deutsche. Dabei weiß jedermann, vor allem aber jeder Gebildete, daß die Polizei jedes geordneten Staates die absolute Gewähr haben muß, daß sie genau über die Persönlichkeit aller, die im Staatsgebiet leben, unterrichtet ist. Falsche Ausweise bedeuten eine schwere Gefährdung der Grundlagen der Staatssicherheit. Das wußten erst recht Männer wie die Angeklagten, die auf ihre Bildung pochen. Havemann hat sogar die Frechheit gehabt, in dem bei ihm gefundenen, schon besprochenen Entwurf darauf besonders hinzuweisen, daß im Reich viele Personen ohne Ausweis seien, und das als einen Beweis für den baldigen Zusammenbruch angeführt.

Havemann hatte erfahren, daß ein Bekannter von ihm, der Bruder einer vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilten Kommunistin, draußen in Schönwald die Jüdin Agnes Sarah Wolf und den Juden Heinz Israel Wolf heimlich untergebracht hatte. Als er hörte, daß die Unterbringung für die Zukunft auf Schwierigkeiten stieße, fuhr er hinaus, glättete die Schwierigkeiten, zahlte aus eigener Tasche für die bisherige Unterbringung 400 Mk und versprach für die Zukunft monatlich 100!!! Aus eigenem Gelde ließ er diesen Juden auch Butter, einmal auf dem schwarzen Markt gekaufte 10 Pfund Kalbsfett, Nährmittel und Brotmarken zukommen, die er übrigens teilweise zu diesem Zweck von Groscurth bekam! Havemann war auch über einige der sonstigen Judenunterstützungen, die noch besprochen werden, unterrichtet.

Groscurth hatte eine Jüdin Lindemann ihr Leid geklagt, daß sie keine Papiere habe. Bald darauf kam ein Jude Karo unter dem falschen tarnenden Namen Walter zur Behandlung in seine Sprechstunde und erzählte ihm dabei, er könne falsche Papiere für Juden verschaffen. Merkwürdig, was für ein jüdisches und kommunistisches Pack sich gerade immer bei diesen Angeklagten einfand. Groscurth erinnerte sich jetzt an die Jüdin Lindemann und vermittelte ihr jetzt die Bekanntschaft mit Karo, der ihr für 350 Mk falsche Papiere verschaffte.

Richter bat etwa im Juli d. J. Groscurth, doch auch für ein Ehepaar Michailowitsch falsche Papiere zu besorgen. G. besorgte diese falschen Papiere für 700 Mk bei dem Juden Karo. Das jüdische Ehepaar Michailowitsch hatte Richter dringend um Hilfe gebeten. Richter kannte den Ehemann M. von früher, von seiner Filmtätigkeit her. Er sagte dem Volksgerichtshof, das sei doch ein ordentlicher Jude gewesen. Unglaublich, daß ein Mann in der wichtigen Vertrauensstellung, die Richter innehatte, solche Gedankengänge hat.

Groscurth gibt übrigens zu, noch für einen weiteren Juden und noch für eine weitere Jüdin falsche Papiere besorgt zu haben. In dem einen Fall habe ihn der Oberarzt am Robert-Koch-Krankenhaus Hilterhaus, sein Berufskamerad, darum gebeten.

Endlich nahm Groscurth für etwa vier Wochen die ihm aus der Studentenzeit bekannte jüdische Frau von Schewen geb. Weidenreich heimlich bei sich auf.

Rentsch hat diese Frau von Schewen einer Quelle zugeführt, die sich mit der Beschaffung tarnender falscher Ausweispapiere für Juden befaßte, damit sie auch solche Papiere bekomme. Außerdem hat er der Jüdin Herta Sarah Brasch die Bekanntschaft dieser selben Quelle vermittelt. Er tat das auf Bitte von Havemann, der ihm bei sich die Bekanntschaft dieser Jüdin verschaffte. Endlich hat er sich auch um falsche Papiere für das Ehepaar Michailowitsch bemüht, das er seinem Falschpaßhersteller zuführte, der sich übrigens von diesem Ehepaar 4000 Mk versprechen ließ.

Wenn man diese Seite der zersetzenden Tätigkeit der Angeklagten für sich allein sieht, so bekommt man nicht nur den Eindruck, als befinde man sich in einer ganz ordinären Verbrecher-Clique der allgemeinen Kriminalität, sondern schon diese Tätigkeit für sich allein bedeutet eine außerordentliche Unterstützung unserer Feinde im Kriege. Denn sie untergräbt unsere Sicherheit, sie verschleiert die Evidenz unserer Bevölkerung. Männer der Intelligenz wissen das auch (§ 91b StGB). Dies allein ist also ein Verbrechen, das nicht leicht genommen werden darf und das schon für sich die Todesstrafe verdient. Aber darüber hinaus wirft es gerade auf diese Angeklagten, ihre ganze Mentalität und ihre sonstige Verratstätigkeit ein bezeichnendes Schlaglicht. (…)

Mit all dem haben die Angeklagten mitten im Krieg unseren Kriegsfeinden geholfen, in einer Weise, wie wohl selbst Churchill, Roosevelt und Stalin es sich nicht haben träumen lassen. Freilich ohne Erfolg. Denn das deutsche Volk antwortet solchen Verrätern anders als dadurch, daß es ihnen folgt. Daß sie keinen Erfolg hatten, können sie aber nicht, wie einzelne von ihnen getan haben, jetzt für sich buchen wollen. Wenn das Reich durch seine Polizei und seine Justiz erst dann den Verrat mit aller Kraft bekämpfen wollte, wenn er einen Erfolg gehabt hat, so wäre es zu spät. Der verräterische Wille ist die Schuld der Angeklagten. Ihr Mißerfolg ist nicht ihr Verdienst, sondern die Folge der Haltung des deutschen Volkes. In dieser Hilfe für unsere Kriegsfeinde (§ 91b StGB), diesem Defaitismus, dieser Zersetzung unserer Kraft zu mannhafter Wehr in sich selbst und in denen, mit denen sie über die EU sprachen, in dieser kommunistischen Agitation vereint sich die untilgbare Schuld der Angeklagten zum Volksverrat. Es ist zwar richtig, aber verschwindet demgegenüber, daß sie damit das Vertrauen, das man ihnen in ihrem Beruf entgegenbrachte, Richter an einer wichtigen Stelle im Staate, Groscurth als Oberarzt in einem Krankenhause, das den Namen eines der größten deutschen Mediziner trägt, Havemann in einem Institut von glänzendem Namen, in dem er mit wichtigen Arbeiten betraut war, auf schwerste getäuscht haben. Es ist auch richtig, verschwindet aber demgegenüber gleichfalls, daß sie zu dem Teil der geistig Schaffenden Deutschlands gehören, die das geistige Schaffen diskreditieren, weil sie als entartete Intellektualisten statt als deutsche Männer und Bürger des Reiches ihr Wissen und ihr Können als Verpflichtung zu doppelter Arbeit ansehen, im Salonbolschewismus und ähnlichen Dekadenzerscheinungen sich schamlos herumwälzen und dann auch noch die Frechheit haben, sich als designierte Führer des deutschen Volkes aufzuspielen; den Führer des Betrugs am Volk beschuldigen, während sie selbst das Heuchlerische und Irreführende ihrer Propaganda, z. B. in der Lügenhaftigkeit ihrer Aushängeschilde, zugeben müssen. Was würden unsere Soldaten sagen, wenn der nationalsozialistische Staat nicht solche Kreaturen so behandeln würde, wie sie sind, nämlich als für immer ehrlose Subjekte, die unserem kämpfenden Volk, vor allem auch unseren kämpfenden Soldaten, in unvorstellbarer Weise in den Rücken fallen? Solche für immer ehrlosen Subjekte wie diese vier Angeklagten mußten deshalb zum Tode verurteilt werden. Ob dieser oder jener von ihnen besondere Verdienste hat, konnte für den Volksgerichtshof kein Gesichtspunkt sein, der sein Urteil bestimmte. Wenn der Schlosser im Rüstungsbetrieb, der Landarbeiter auf dem Gute, überhaupt der einfache Mann, der nicht mit Hochschulbildung und ähnlichem protzen kann, Verrat begeht und deshalb aus der Volksgemeinschaft ausgemerzt werden muß, so wäre es nicht nationalsozialistisch, wollte der Volksgerichtshof bei diesen Angeklagten anders verfahren.

Weil sie verurteilt sind, müssen diese vier Angeklagten die Kosten tragen.

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