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Chronik und Quellen
1943
Dezember 1943

Antijüdische Propagandamaßnahme

Eberhard von Thadden fasst am 16. Dezember 1943 die von Rosenberg und Hitler geplanten antijüdischen Propagandamaßnahmen zusammen:

Dienstleiter Hagemeyer teilte mir folgendes mit:

1.) Das von ihm eingerichtete Gästehaus für Judengegner, ein kleines Hotel im Taunus, sei fertiggestellt und könne Mitte Januar bezogen werden. Er wolle das Haus durch eine Tagung eröffnen lassen, zu der er 15 bekannte Judengegner aus Frankreich einzuladen beabsichtige. Dauer der Tagung etwa 3 Wochen. Er werde mir in den nächsten Tagen einen ersten Programmentwurf und eine erste Gästeliste mit der Bitte um Genehmigung durch das AA. zuleiten. Die endgültige Festlegung der Liste wolle er mit Prof. Gerlach, Leiter der Kulturabteilung der Botschaft Paris, durchsprechen. Er sei auch bereit, die Zusammenstellung der Liste ganz der Botschaft zu überlassen. Er hoffe, daß das AA durch einen Vertreter an der ganzen Tagung oder an einem Teil teilnehme.

2.) Er begebe sich binnen Kürze nach Paris, um dort Besprechungen wegen einer dort zu eröffnenden Ausstellung zu führen. Näheres über die Ausstellung konnte oder wollte Hagemeyer nicht sagen. Er gab mir zu verstehen, daß er die Sache gerade erst durch Herrn Schneider von der Dienststelle Rosenberg, Paris, bekommen habe und nicht wisse, ob der ganze Plan nicht überhaupt von der Botschaft ausgehe oder mit ihr zusammen geführt werde.

3.) Der Führer habe Rosenberg zur Aktivierung der Judenpropaganda Papier für die Vermehrung der Korrespondenz des Weltdienstes um 500 000 Exemplare und Übernahme der Kosten auf Reichsmittel bewilligt. Es sei Einsatz dieses Blattes zur verstärkten Aufklärung über die Juden bei den ausländischen Arbeitern in Deutschland vorgesehen. So gut er sonst mit Berndt vom Promi zusammenarbeite, sei in diesem Fall Berndt gegen ihn, obwohl Lammers diese Führerweisung inzwischen Goebbels schriftlich mitgeteilt habe.

Berndt wolle nicht die Verbreitung einer Spezialkorrespondenz zur Judenfrage, sondern Vergrößerung des Umfanges der bestehenden Blätter für Arbeiter und verstärkte Aufnahme antijüdischen Stoffes. Er beabsichtige, da er mit Berndt nicht klarkomme, ihn jetzt zu Rosenberg zu bringen.

4.) Der Führer habe auf Vorschlag von Rosenberg die Abhaltung eines großen antijüdischen Kongresses genehmigt. Einzelheiten hätten dem Führer noch nicht vorgelegen, sondern befänden sich noch in der ersten Planung.

Da, wie er festgestellt habe, das Promi ähnliche Pläne in Vorbereitung gehabt habe, hätte er sich entschließen müssen, das Promi an dem Projekt, das Rosenberg vom Führer genehmigt erhalten habe, zu beteiligen, um die Durchführung von 2 Kongressen zu vermeiden.

Hagemeyer legte mir zur flüchtigen Einsicht den ersten Entwurf eines Kongreßplanes, wie er ihn in den nächsten Tagen Rosenberg und den in Betracht kommenden Ressorts zur Prüfung und Genehmigung zuleiten wolle, vor. Danach soll der Kongreß im April in Prag stattfinden. Einladende: Rosenberg und Goebbels. Ehrenpräsidium: außer Rosenberg und Goebbels der Herr RAM sowie verschiedene andere Minister und Reichsleiter, weiter einige Ausländer, z. B. Tuka und Preziosi. Arbeitsausschuß: Vertreter der einzelnen Dienststellen, darunter auch Vertreter des AA (Hagemeyer hat in seinem Entwurf mich vorgesehen). Weiterhin verschiedene Einzelausschüsse für Presse, Film etc., in denen auch jeweils ein Vertreter des AA. vorgesehen ist oder vorgesehen werden könnte.

Tagungsprogramm ist außerordentlich umfangreich und sieht neben mehreren Ausstellungen über Juden als Verbrecher etc. Film und Theaterveranstaltungen, Besichtigungen von Prag, Arbeitsausschüsse für Einzelfragen und Vorträge vor dem Plenum über verschiedene Themata vor. Unter den Vortragenden, um deren Beteiligung gebeten werden soll, ist auch der Herr RAM vorgesehen. Aus den Kreisen der Minister ist noch an Goebbels und Rosenberg gedacht. Rosenberg will über biologische Humanität sprechen. Hagemeyer erwähnte als Vorschlag für ein Thema, welches seiner Überzeugung nach vielleicht den Herrn RAM interessieren könne: „Der Jude in der Politik, beleuchtet durch die englische Geschichte“. Er betonte aber sofort seinerseits, daß dies natürlich nur eine Idee wäre, aber jede Anregung von seiten des AA. dankbar begrüßt werde.

Als Teilnehmerkreis sind zahlreiche Deutsche und rund 200 prominente ausländische Judengegner vorgesehen. Er sei jetzt dabei, eine erste Liste etwa in Betracht kommender Teilnehmer zusammenzustellen. Sodann bat mich Hagemeyer, ihm möglichst bald einen Termin bei Herrn Staatssekretär von Steengracht zu erwirken, damit er diesem das Projekt vortragen und erläutern könne; er werde bei dieser Gelegenheit formell um die Beteiligung und Unterstützung des AA. bitten. Er beabsichtige - wie dies auch die Weisung von Reichsleiter Rosenberg sei -, jede Einzelheit bereits in der Vorplanung mit dem AA abzustimmen und um dessen Beratung zu bitten.

Abschluß der Tagung: Resolution „Europa frei von Juden“. Text sollte mit AA vereinbart werden.

Ich nahm die Mitteilungen von Hagemeyer entgegen, versuchte durch Rückfragen Klarheit über den Stand der Vorbereitungen, insbesondere über den Grad der Einschaltung des Promi, zu erlangen (offensichtlich ist Promi bereits genau unterrichtet, es scheint sogar schon die Zusage von Goebbels vorzuliegen, daß er ein Referat übernimmt) und brachte meinerseits stets erneut zum Ausdruck, daß dies ein Projekt sei, das einen so hochpolitischen Charakter habe, daß es ohne Zustimmung des AA. bereits im ersten Stadium der Vorbereitungen keinesfalls durchgeführt werden könne, denn es sei ja auch ihm nicht unbekannt, daß das AA. für außenpolitische Fragen und für den Auslandsinformationsdienst ausschließlich zuständig sei. Die starke Einschaltung des Promi ohne gleichzeitige Beteiligung des AA. als der eigentlichen zuständigen Stelle sei mir unverständlich.

Hagemeyer hielt mir hierbei folgendes entgegen:

1) liege ein Führerbefehl für Rosenberg vor, 2) habe er bereits erwähnt, daß die Einschaltung des Promi in so intensiver Form und so frühzeitig nur erfolgt sei, um einen von dort aus vorbereiteten Parallelkongreß zu verhindern, 3) habe er mir bereits gesagt, daß er um einen Termin bei meinem Staatssekretär bitte, um das AA. bereits im jetzigen Stadium der ersten Planung zur Mitarbeit zu gewinnen, so daß meinen Forderungen doch wohl vollauf Rechnung getragen sei, und 4) habe der Herr RAM seinerzeit in einem Schreiben an Rosenberg betr. die Pläne Rosenbergs, eine Ausstellung über Europa zu veranstalten, gesagt, dies sei noch zu früh und falle außerdem in die Kompetenz des AA. Dagegen bestünden keine Bedenken, wenn Rosenberg Pläne auf dem Judensektor habe. Damit habe der Herr RAM doch Rosenberg freie Hand gegeben.

Abschließend bat mich Hagemeyer, da er das AA. möglichst schnell formell unterrichten und beteiligen wolle und solle, aber nur noch bis Montag einschl. in Berlin sei, wegen eines Termins bei Herrn St. S. recht bemüht zu sein, und ihn von dem Zeitpunkt in seiner Privatwohnung telef. zu verständigen.

Hiermit
über den Herrn Gruppenleiter Inl II
Herrn Staatssekretär
Mit der Bitte um Weisung eines Termins vorgelegt.

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