Menü
Chronik und Quellen
1943
August 1943

Als „Mischling“ in der Wehrmacht?

Am 10. August 1943 bittet Margaretha Fritz die Kanzlei des „Führers“, ihren als „Mischling“ geltenden Sohn in der Wehrmacht zu belassen:

Betr.: den Gefreiten Alfred Fritz, geb. am 3. November 1915, beim Pionier-Ersatzbataillon 34 Stammkompagnie in Koblenz Belassung bei der Wehrmacht.

Als Mutter des obengenannten Gefreiten Alfred Fritz trage ich folgendes Gesuch ergebenst vor:

Ich war niemals verheiratet. Der Erzeuger meines obengenannten Sohnes war der jüdische Kaufmann Karl Jakob Baer aus Mannheim, Sohn des Weinhändlers Baer daselbst. Er ist nach vorausgegangener zweimaliger Verwundung am 15. April 1915 bei Verdun als Unteroffizier gefallen, also sieben Monate vor der Geburt des von ihm erzeugten Sohnes. Meinem Sohn war von diesem Sachverhalt nichts bekannt. Ich war zu arm, um ihn großzuziehen, und habe ihn schon in frühester Jugend in die Obhut von Pflegeeltern gegeben. Diese starben, als mein Sohn noch nicht sechs Jahre alt war, worauf er in das Erziehungshaus Vincentinum in Würzburg kam, wo er bis zu seinem 17. Jahre verblieb. Er hat acht Jahre die Volksschule und drei Jahre die Fortbildungsschule besucht und den Beruf eines Vulkaniseurs erlernt. Als solcher war er zuletzt vor dem Kriege bei der Vulkaniseuranstalt Karl Steinert in Würzburg, Horst-Wessel-Str. 51, in Arbeit. Im Jahre 1936 erwarb er den Führerschein. Schon im Jahre 1934 hat er während einer Dauer von 914 Monaten seine Arbeitsdienstpflicht erfüllt, er war dann zwei Monate auf einer SA-Sportschule und hat im Jahre 1935 das SA-Sportabzeichen erworben.

Seit 23. November 1937 gehört er der Wehrmacht an und hat die Feldzüge gegen Polen und Frankreich mitgemacht. Für die Zeit vom 20. Oktober 1940 bis 6. Februar 1942 wurde er auf Antrag der genannten Firma Karl Steinert in Würzburg als Vulkaniseur u.k. gestellt. Als diese u. k.-Stellung aufgehoben war, kam er an die Ostfront und hat den Krieg gegen Rußland bis vor kurzem als Kraftfahrer mitgemacht.

Kurz vor den Ereignissen in Stalingrad wurde er nach Frankreich zur Aufstellung der 6. Armee versetzt. Von dort nahm er Urlaub nach seinem früheren Wohnsitz nach Würzburg, um zu heiraten, weil seine Verlobte sich von ihm in anderen Umständen befand. Als die Abstammungspapiere vorgelegt werden mußten, ergab sich die Notwendigkeit, diese Papiere an das Reichssippenamt zur Prüfung der Frage einzusenden, ob meinem Sohn gestattet werden könnte, ein deutsches Mädchen zu heiraten. Der Bescheid des Reichssippenamtes lautet dahin, daß er als jüdischer Mischling I. Grades zu behandeln sei und daß ihm daher die Eheschließung nicht gestattet werden könne. Es wurde daraufhingewiesen, daß er in seiner Eigenschaft eigentlich schon aus der Wehrmacht entlassen sein müßte.

Die Frage der Abstammung war aber bisher nicht geprüft worden. Die Feldeinheit meines Sohnes, namentlich das Pionier-Ersatzbataillon 389 Feldpostnummer: 38173 und seine frühere Feldeinheit, das Panzerregiment 4, wußten von seiner Abstammung nichts. Seine ganzen Papiere wurden in den Kämpfen vor Stalingrad vernichtet.

Es erging dann die Anordnung an die Einheit meines Sohnes, seine Entlassung aus der Wehrmacht in die Wege zu leiten. Daraufhin hat ihn die Feldeinheit zum Zwecke der Entlassung an das Pionier-Ersatzbataillon 34 in Koblenz geschickt.

Mein Sohn ist mit Leib und Seele Soldat und wehrt sich mit allen Kräften gegen seine Entlassung aus der Wehrmacht. Er weist weder in seinem Äußeren noch in seinem Charakter irgendwelche jüdischen Rassenmerkmale auf. Sein soldatisches Verhalten ist von seinen Vorgesetzten stets anerkannt worden, ich höre, daß seine Einheit ihn sehr ungern verlieren würde und bereit wäre, ein Gesuch auf Belassung in der Wehrmacht zu unterstützen. Mein Sohn ist an mich mit der Bitte herangetreten, ein Gesuch an die Kanzlei des Führers einzureichen, um durch die Gnade des Führers zu bewirken, daß von seiner beabsichtigten Entlassung aus der Wehrmacht Abstand genommen und er in der Wehrmacht belassen wird.

Ich komme diesem Wunsch gerne nach, weil ich weiß, daß das Herz meines Sohnes daran hängt, seinem Vaterlande, dem er ein treuer Sohn ist, auch weiterhin als Soldat in diesem Kriege und in jeder Lage zu dienen. Seinem Leben würde Aufgabe und Inhalt genommen, wenn er aus der Wehrmacht entlassen würde, er würde diese Entlassung als eine unverdiente Zurücksetzung empfinden und dadurch schwer getroffen werden. Er hat sich immer als vollberechtigter deutscher Volksgenosse gefühlt und hat mit freudiger Hingabe die Pflichten eines solchen erfüllt. Ich glaube, daß ihm dies von allen seinen Vorgesetzten bestätigt werden würde.

Indem ich alles dies zusammenfasse und nur nebenbei noch daraufhinweise, daß mein Sohn im Besitz der Ostmark- und der Sudetenlanderinnerungsmedaille ist, trage ich das ergebenste Gesuch vor, es möge meinem Sohn durch die Gnade des Führers gestattet werden, auch fernerhin in der Wehrmacht seinem Vaterlande zu dienen.

Heil Hitler!

Baum wird geladen...