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Chronik und Quellen
1943
Mai 1943

Internationale Hilfe und jüdische Armee

Am 7. Mai 1943 wird in einem Artikel im „Aufbau“ die Errichtung eines internationalen Rettungskomitees und einer jüdischen Armee gefordert:

Für 5 000 000 Juden in der Todesfälle der Nazis war Bermuda ein „grausamer Spott“

Wann werden die Verbündeten Nationen eine Stelle schaffen, die sich amtlich mit der Vernichtung eines ganzen Volkes durch Hitler befasst?

Irgendwie auf unsichtbaren und unterirdischen Wegen ist vielleicht ein Strahl der Hoffnung in die Ghettos Europas gedrungen. Ein Gerücht mag sich verbreitet haben, das zu einem Flüstern unter den gequälten Juden in Hitlers Hölle wurde. Ein Flüstern, das von der nahenden Befreiung aus Qual, Tod, Hunger und Agonie in den Schlachthäusern sprach. Dieser Hoffnungsstrahl und dieses Flüstern drückten sich in einem einzigen Wort aus: Bermuda!

Das Gerücht sprach von den Vertretern der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, den Führern der Verbündeten Nationen, den Protagonisten der Vier Freiheiten, die sich versammelten, um die gehetzten und gemarterten Juden Europas zu retten. An die Beratungen dieser kleinen Gruppe auf der Insel im Atlantischen Ozean hefteten sich all die Hoffnungen der verurteilten europäischen Juden und auch die der freien wohlmeinenden Menschen in aller Welt. Männer und Frauen guten Willens glaubten, daß endlich die Verbündeten Nationen sich entschlossen hätten, gegen den beispiellosen Tod eines ganzen Volkes etwas zu tun.

Ihr armseligen, verurteilten Opfer der Hitler-Tyrannei! Ihr armen Männer und Frauen guten Glaubens in aller Welt! Ihr habt eine Illusion genährt. Euer Hoffen war vergebens. Bermuda war nicht der Anbruch einer neuen Ära, einer Ära der Menschlichkeit und des Mitgefühls, die das Mitleid in die Tat umsetzt. Bermuda war ein Spott und ein grausamer Scherz.

Dies ist nicht unser Urteil. Es ist das Urteil des Londoner Sunday „Observer“, eine der einflußreichsten und bedeutendsten Zeitungen von Großbritannien.

Über die Mittel und Wege, die übrigen vier Millionen Juden in Europa zu retten, wurde nicht nur nichts geplant. Ihr Problem wurde noch nicht einmal berührt, auf die Tagesordnung gesetzt oder diskutiert. Noch mehr: Der Name „Jude“ war aus dem Vokabular dieser Konferenz verbannt. Der außenpolitische Redakteur der Zeitung „PM“, Alexander Uhl, berichtet: „Man sah es fast als ungehörig an, auch nur das Wort Jude“ zu erwähnen.“

Aber nicht nur die Aufmerksamkeit der Opfer der Nazi-Greuel und ihrer Freunde in aller Welt war auf die Versammlung in Bermuda konzentriert: auch Hitler war besorgt um die Antwort der Verbündeten Nationen auf seinen Entschluß, die gesamte jüdische Bevölkerung Europas auszurotten. Ach! Für ihn war Bermuda wieder ein überzeugender Beweis dafür, daß die Verbündeten Nationen weder bereit noch willens sind, seiner Drohung durch die Tat entgegenzutreten. Sie gaben ihm wieder „freie Hand“ in seinem Vernichtungsfeldzug, gerade wie sie ihm in den Vorkriegstagen gestatteten, gegen die Juden in Deutschland, gegen Österreich und die Tschechoslowakei vorzugehen, und so den Weg zu Überfall, Invasion und Krieg bereiteten.

Ist es denn möglich, daß die Verbündeten Nationen nicht einsehen, daß, wenn es Hitler gelingen sollte, die Juden als Volk zu vernichten, sie durch ihr Schweigen den Weg für die Ausrottung des tschechoslowakischen, polnischen, griechischen und selbst des französischen Volkes bereiten?

Jetzt sind wir Zeugen einer Vielfalt von Versuchen, das Fiasko von Bermuda zu rechtfertigen, es in geheimnisvolle Formeln zu kleiden, wie „keine Verhandlung mit Hitler“ oder „keine Störung der Kriegsführung“ oder „nichts tun, was den Krieg verlängern könnte“ usw. All das heißt nur, Sand in die Augen der öffentlichen Meinung streuen. All das hat nichts mit den wirklichen Fakten und mit der grausamen Wahrheit zu tun.

Die Fakten sind vielmehr, schlicht und einfach, folgende:

(a) Dies ist ein spezifisches Problem der jüdischen Katastrophe. Hitler hat (noch) nicht die Vernichtung aller Völker Europas dekretiert, sondern die des jüdischen Volkes, und dieser Prozeß der Vernichtung geht ungehemmt und beständig weiter. Zwei Millionen oder mehr wurden bereits zu Tode gebracht!

(b) Fünf Millionen Juden leben noch in Europa. Die Regierungen Rumäniens, Ungarns und Bulgariens, sämtlich Vasallen Deutschlands, sind willens, ihre Juden freizugeben, sobald die Verbündeten Nationen bereit sind, an dem Befreiungswerk teilzunehmen. Sie hoffen dadurch Gnade und Verzeihen in den Augen der Verbündeten Nationen zu finden, die sie als die unvermeidlichen Sieger in diesem Weltringen ansehen.

(c) Die Verbündeten Nationen haben von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht. Sie haben es aus einem einzigen Grunde nicht getan: die britische Regierung hat sie daran gehindert, weil sie fürchtete, daß die öffentliche Meinung verlangen würde, daß diese Refugees nach Palästina eingelassen werden - eine praktische Stätte der Rettung, von den Ländern der Achse nur wenige Tage durch einen kurzen Seeweg, Eisenbahnoder selbst Autobahnstrecke entfernt, wo das neue jüdische Volk ihrer mit offenen Armen harrt.

Die Judenfrage ist kein Refugee-Problem

Nachdem die Bermuda-Konferenz eine Sache der Vergangenheit ist, nachdem sie den Vernichtungsfeldzug gegen das jüdische Volk in Europa nicht einmal diskutiert hat, muß man sich jetzt mehr denn je darüber im klaren sein, daß wir es nicht nur mit einem Refugee-Problem, sondern mit der Judenfrage in Europa zu tun haben. Diese beiden Probleme sollten nicht miteinander verwechselt werden. Es handelt sich um ganz Verschiedenes. Die Demokratie kann nicht dem Schlachthaustod von Millionen Juden in Europa, unschuldigen Zivilisten, Vorschub leisten. Es gibt Mittel und Wege, Hitlers Massenmorden Einhalt zu gebieten und diejenigen zu retten, die gerettet werden können. Aber niemand ist bestellt worden, um sich mit diesem ungeheuren Problem zu befassen. Was not tat, ist die Schaffung eines Aktions-Apparats. Die Verbündeten Nationen, die so viele Worte des Mitleids geäußert haben, müssen jetzt etwas tun, wenn diese Worte des Mitleids mehr sein sollen als hohle Lügen. Sie müssen ein Komitee der Verbündeten Nationen aus militärischen und diplomatischen Sachverständigen schaffen, die die volle Autorität haben, ein festes und realistisches Aktions-Programm durchzuführen, um die übrigen Millionen des jüdischen Volkes zu retten. Dieses Komitee wird sich nicht mit Refugees befassen, die außerhalb von Hitlers Reichweite sich befinden, sondern mit dem jüdischen Volk, das heute unter seinem Joch seufzt.

Ein Programm der Tat (... nicht des Mitleids!)

Es gibt zwei weite Gebiete, auf denen ein solches Komitee ohne Aufschub und Verzögerung zu arbeiten beginnen kann.

1. Sofortige Ausnutzung aller vorhandenen Transportmöglichkeiten, um Juden aus Hitler-besetzten Ländern nach Palästina oder anderen temporären Asylstätten zu bringen; die Einleitung weiterer Möglichkeiten innerhalb dieses Programms.

2. Die sofortige Schaffung einer Jüdischen Armee aus staatenlosen und palästinensischen Juden, einschließlich „Selbstmord“-Kommando-Kolonnen und Flugzeuggeschwadern zu Vergeltungs-Bombardements, die tief nach Deutschland hineinfliegen und so als besondere Einheit am Kriege teilnehmen und den Opfern Hitlers ihre Botschaft der Hoffnung bringen.

Beteiligt Euch am Kreuzzug der Menschlichkeit

Das Verbrechen Europas ruft zur Mobilmachung jedes Restes der Rechtschaffenheit und der geistigen Macht in der Welt. Soldaten sterben auf dem Felde des Kampfes, die Zivilisation stirbt auf dem Felde des Massakers. Allein der Donnerschlag der Zivilisation ist imstande, dem deutschen Verbrechen gegen das Leben Einhalt zu gebieten. Ein Blitz, geschleudert von unseren eigenen Vertretern und allen Völkern, die für Gottes Sache streiten, würde Schrecken in die Herzen des deutschen Volkes tragen.

Darum weihen wir uns diesem Kampf, und darum rufen wir jeden Amerikaner auf, in diesem Kreuzzug für Anstand und Menschlichkeit uns die Hand zu reichen.

Jeder Bürger ist ein Teil des kollektiven Gewissens Amerikas: dieses Gewissen ist noch niemals mangelhaft befunden worden. Verlangt Taten von Eurer Regierung gegen die deutschen Massaker an den Juden.

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