Richtlinien für den Umgang mit Vermögen evakuierter Juden
Am 9. November 1940 erlässt der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei folgende „Richtlinien für die Erfassung, Verwaltung und Verwertung der zurückgelassenen Vermögenswerte der aus der Pfalz und Baden evakuierten Juden“:
Die von der Geheimen Staatspolizei ausgesprochene Sicherstellung der zurückgelassenen Vermögenswerte kommt einer Beschlagnahme gleich. Verfügungen von evakuierten Juden über diese Vermögenswerte gelten daher als nicht erfolgt, soweit sie zeitlich nach dem 22. Oktober 1940 getroffen worden sind; auch Rechtsnachfolger der evakuierten Juden sind insoweit nicht mehr verfügungsberechtigt. Interventionen sind nur anzuerkennen, wenn sie sich auf vor der Evakuierung entstandene Rechte beziehen. Mit der Erfassung, der treuhänderischen Verwaltung sowie der Verwertung der jüdischen Vermögenswerte ist in der Pfalz der Regierungspräsident beim Reichskommissar für die Saarpfalz in Saarbrücken, in Baden der Badische Minister des Innern in Karlsruhe beauftragt. Die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen erfolgt durch Untertreuhänder.
Die treuhänderische Verwaltung schließt eine Verwertung der gesamten beweglichen Habe im Rahmen des Möglichen in sich. Alle den evakuierten Juden nicht gehörigen Vermögenswerte sind jedoch aus der Treuhandmasse auszusondern.
Der aus der Vermögensverwaltung erzielte Barerlös ist nach der endgültigen Liquidierung der zurückgelassenen Vermögenswerte einem einzurichtenden Sperrkonto zuzuführen, auf welches alle übrigen Konten zu vereinigen sind.
Einstweilen werden auf die Namen der einzelnen Juden lautende Anderkonten eröffnet, auf die das vorhandene Bargeld, die Bank- und Sparguthaben der Juden, weiterhin auch der Erlös aus der Verwertung des übrigen Vermögens übernommen werden. (…)
Zur Bestreitung der Abschiebungs- und Verwaltungskosten sind 10% aller Bargeldbeträge auf ein zu errichtendes Generalunkostenkonto einzuzahlen. Aus diesem Konto sind vordringlich die den Staatspolizei(leit)-stellen aus der Evakuierung entstandenen Unkosten zu ersetzen. Weiter sind daraus die Kosten der treuhänderischen Verwaltung und Verwertung einschließlich der Besoldung der Treuhänder und ihrer Mitarbeiter (in Anlehnung an die Gebührenordnung für die Konkursverwalter) zu bestreiten. (…)
Nach Abwicklung der Treuhandschaft ist der aus dem Generalunkostenkonto verbleibende Restbetrag anteilmäßig auf die einzelnen Juden zu verteilen, wobei die anderweitig nicht gedeckten Unkosten der Abschiebung ärmerer Juden dem Generalunkostenkonto entnommen werden können. Desgleichen fallen dem Generalunkostenkonto die bei der Evakuierung an die Juden ausgezahlten Devisenbeträge zur Last. Ungeachtet der dem Treuhänder zustehenden allgemeinen Verwertungsbefugnisse wurden zur Vereinfachung des Geschäftsverkehrs die Juden bei der Evakuierung veranlaßt, eine Generalvollmacht auf die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland auszustellen, deren Vertreter allein mit dem Treuhänder und den sonstigen Behörden zu verhandeln hat.