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Chronik und Quellen
1942
April 1942

Die SD-Hauptaußenstelle Bielefeld berichtet:

Der SD teilt am 7. April 1942 in einem Bericht aus Bielefeld zum Thema „Jüdische Mischlinge in Beamtenstellungen“ mit:

Einige Einzelfälle geben Veranlassung, auf die mit der Einstellung von jüdischen Mischlingen als Beamte, verbundenen Gefahren hinzuweisen. Im hiesigen Bereich gibt besonders der Fall des neuen Leiters der Heilstätten August-Viktoria und Cäcilien-Stift in Bad Lippspringe, Dr. Cremer, zu Unzuträglichkeiten mit den Partei-Stellen und anderen Behörden Anlaß. Es ist nicht zu verkennen, daß der Sachbearbeiter bei der Regierung in Minden, Regierungsrat Zens, bei der Einstellung des Dr. Cremer wesentlich mitgewirkt hat. Zur Beleuchtung der derzeitigen Verhältnisse wird nachstehend ein Bericht des Verwaltungsdirektors der Kurverwaltung in Bad Lippspringe, Parteigenosse Kaese, aufgeführt, der u.a. die aufgetretenen Schwierigkeiten eindeutig nachweist.

''Nach dem Ausscheiden des Direktors Adaschkewitz aus den Heilstätten August-Viktoria- und Cäcilienstift in Bad Lippspringe schlug ich dem Landrat Pg . Althans, Paderborn, vor, mit dem Regierungspräsidenten Pg . von Oeynhausen zu sprechen und ihm den Vorschlag einer Personalunion mit der Kurverwaltung zu machen. Der Pg . Althans, welchem mein Vorschlag einleuchtete, hat dann auch dem RP diesen Vorschlag gemacht und mir später mitgeteilt, ich möchte doch selbst einmal nach Minden fahren und dem RP meinen Vorschlag vorbringen. Ganz abgeneigt habe derselbe sich nicht gezeigt. Leider traf ich den RP nicht an und mußte mit dem zuständigen Referenten Regierungsrat Zens sprechen. Auch diesem schien mein Vorschlag einzuleuchten, zumal ich dazu ohne Gehaltsänderung, d.h. Übernahme meines Gehaltes je zur Hälfte auf beide Betriebe bereit war, sodaß die beiden Betriebe den Vorteil hatten. Regierungsrat Zens wollte mir, sobald der eine noch angeblich vorhandene Bewerber seine Erklärung abgegeben hatte, sofort Nachricht geben. Dieser Bewerber war aber nicht Dr. Cremer. Ich erhielt keine Nachricht und war darüber auch sehr froh; denn inzwischen hatte sich mein Betrieb außerordentlich günstig entwickelt und mehrere meiner Angestellten waren noch zum Heeresdienst eingezogen, sodaß ich genug Arbeit hatte. Eine zeitlang später erfuhr ich dann, daß ein neuer Verwaltungsdirektor eingesetzt worden sei und wohl auch, nach seinen ersten Amtshandlungen zu urteilen, im national-sozialistischen Sinne zu arbeiten schien. Ich lernte ihn dann auch bald kennen, da er ja Parteigenosse war und sich in der Geschäftsstelle der Ortsgruppe anmeldete. Ich hatte sogar die Absicht, ihn infolge großen Mangels an Mitarbeitern zur Parteiarbeit mit heranzuziehen. Gewiß wartete ich danach noch auf eine Nachricht vom RP , da mir Herr Zens dieses versprochen hatte. Es ist aber niemals geschehen. Eine ganze Zeit später bekam ich dann vom Gauparteigericht das Urteil, daß Dr. Cremer wegen jüdischen Einschlags von der Mitgliedschaft zur NSDAP ausgeschlossen sei. Ich nahm dies zur Kenntnis und veranlaßte, die Einziehung der Parteinadel und der Mitgliedskarte. Wiederum eine Zeit später kam der Kreisamtsleiter der NSV , Pg . Schöneborn zu mir und erkundigte sich über den Pg . Dr. Cremer. Es lag gegen Dr. C eine Beschwerde vor, die mir aber nur ungefähr bekannt geworden ist. Soweit ich mich entsinnen kann, hatte sich eine BDM -Führerin, die bei den Heilstätten beschäftigt war, und entlassen werden sollte, beschwert. Ich unterrichtete Pg . Schöneborn von dem Ausschluß aus der Partei. Pg . Schöneborn hat dann wohl gleich in Verbindung mit der Kreisleitung einen Vorstoß gemacht, um Dr. C. aus diesem halbamtlichen Amt zu entfernen. Dieserhalb wurde der Regierungsrat Zens bei dem Kreisleiter Pg . Plagemann vorstellig und besaß die Unverfrorenheit zu behaupten, die ganze Aktion sei auf mich zurückzuführen. Es wäre von mir wohl eine Art Racheakt. Der Kreisleiter hat ihn dann mit der nötigen Schärfe zurechtgewiesen. Ich wundere mich sehr darüber, daß zwischen dem Regierungsrat Zens und Dr. Cremer ein sehr freundschaftliches Verhältnis besteht. Sie sind oft auch außerhalb zusammen.''

Der Assessor Dr. Cremer ist noch heute im Amt.

Am 1.9.1941 wurde der Dr. med. vet. Dr. Curt Neuwerth, geb. am 7.6.1897 in Hannover, evangel. von Köln nach Paderborn versetzt. Neuwerth ist ein jüdischer Mischling ersten Grades, die Mutter des Neuwerth war die Volljüdin, Rosalie, geb. Seligmann aus Hannover. Wie hier bekannt wurde, soll Dr. Neuwerth in Paderborn durch die Regierung als Regierungs-Veterinärrat in Kürze bestätigt werden. Damit würde ein weiterer jüdischer Mischling Inhaber einer Beamtenstellung im Bereich. Die Zusammenarbeit von Parteidienststellen mit diesen Männern ist unmöglich. In Kreisen führender Parteigenossen kann man die Personalpolitik der zuständigen Regierungsstellen nicht begreifen.

Die Familie des Dr. N. befindet sich noch in Köln. Dort soll ein Sohn, wie Dr. N. sich selbst äußerte, als HJ -Führer ehrenamtlich tätig sein.[1]

Fußnoten

[1] Diesem Bericht entspricht wörtlich ein Bericht der SD Außenstelle Paderborn vom 2.4.1942 (StA Det , M 18 Nr. 11), der nicht abgedruckt wird.

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