Menü
Chronik und Quellen
1940
November 1940

„Meldungen aus dem Reich“

Am 28. November 1949 erstattet das RSHA folgende „Meldungen aus dem Reich“:

Zum laufenden Filmprogramm

1. Nach übereinstimmenden Berichten aus dem ganzen Reich findet der Film ''Jud Süß'' eine anhaltend außerordentlich zustimmende Aufnahme. Das Urteil über einen Film sei selten so einheitlich gewesen wie bei dem Film ''Jud Süß'', der zwar in der realistischen Darstellung abscheuerregender Episoden ungewöhnlich weit gehe, dabei aber künstlerisch vollauf überzeugend gestaltet und von einer Spannung sei, ''die einen nicht losläßt''.

Wie sich der Film als Ganzes stimmungsmäßig auswirke, komme in der spontanen Äußerung zum Ausdruck: ''Man möchte sich die Hände waschen''. In Meldungen aus Leipzig, Breslau, Oppeln, Salzburg, Potsdam, Reichenberg, Karlsruhe, Troppau, Dortmund u.a. wird darauf hingewiesen, daß man in den Eltern- und Erzieherkreisen die Frage ob es gut sei, die Jugend in diesen Film zu führen, mit Rücksicht auf seine außerordentlich starke psychologische Nachwirkung fast durchweg verneint.

Übereinstimmend wird gemeldet, daß bei diesem Film zum Unterschied von der Mehrzahl der anderen laufenden Spielfilme in erster Linie die schauspielerischen Leistungen hervorgehoben und besprochen werden, die - wie es in einer Meldung aus Nürnberg heißt - ''beängstigend echt'' seien, soweit sie die Darstellung von Juden betreffen. Gerade in dieser Hinsicht sei ''Jud Süß'' ungleich stärker und überzeugender als der Film ''Die Rothschilds'' (Berlin). Unter den Szenen, die von der Bevölkerung besonders beachtet werden, wird - außer der Vergewaltigungsszene - der Einzug der Juden mit Sack und Pack nach Stuttgart genannt. Im Anschluß gerade an diese Szene ist es wiederholt während der Vorführung des Filmes zu offenen Demonstrationen gegen das Judentum gekommen. So kam es z.B. in Berlin zu Ausrufen wie ''Vertreibt die Juden vom Kurfürstendamm! Raus mit den letzten Juden aus Deutschland!''

Uneinheitlich sei die Einstellung der Bevölkerung zur Person des Herzogs von Württemberg. Nach bisher beobachteten Stellungnahmen, überwiege die Ansicht, daß der Herzog fast ebenso verdammungswürdig wie der Jud Süß sei und daß sein Tod seine gerechte Strafe sei, die leider etwas zu früh komme, so daß er über die notwendige Einstellung zum Jud Süß und zum Judentum überhaupt nicht mehr habe belehrt werden können. [...]

 

Verwaltung und Recht [...]

Juden als Vollstreckungsgläubiger

Durch die nationalsozialistische Gesetzgebung ist Juden der Besitz oder Erwerb von Grund und Boden in Deutschland untersagt. Im Zuge dieser Bestimmungen ist nahezu der ganze bisher in jüdischen Händen befindliche Grundbesitz arisiert worden. In zahlreichen Fällen aber sind heute noch Juden Beschlagnahmegläubiger von deutschem Grundbesitz, sei es als Erst- oder als Beitrittsgläubiger in Zwangsversteigerungsverfahren. Es besteht also der eigenartige Zustand, daß Juden zwar in Deutschland keinen Grundbesitz mehr haben oder erwerben dürfen, ihn jedoch in Beschlagnahme halten können und dadurch in der Lage sind, ein Grundstück zwangsversteigern zu lassen.

Nach vorliegenden Meldungen halten Fachkreise es für angebracht, diesem Zustand ein Ende zu machen. Ein Amtsgericht hat ein solches Beitrittverfahren eines jüdischen Gläubigers, der sich zur Zeit noch in Deutschland befindet und zur freiwilligen Zurücknahme seines Zwangsversteigerungsantrages sich nicht herbeiließ, von sich aus mit der Begründung aufgehoben, daß es dem gesunden Volksempfinden widerspreche, wenn es einem jüdischen Gläubiger gestattet wäre, deutschen Grundbesitz auch nur mit Beschlag zu belegen.

Ähnlich liegt der Fall, wenn ein jüdischer Gläubiger einen deutschen Schuldner zum Offenbarungseid treiben will. Die Vorladung zum Offenbarungseid, die Leistung des Eides selbst oder auch nur die Abgabe der Versicherung nach dem Gesetz vom 26.5.1933 hat für den Schuldner im allgemeinen besondere wenn es sich dabei um einen Geschäftsmann oder Beamten usw. handelt. Es wird daher in Meldungen angeregt, eine solche kreditgefährdende Schmälerung des Ansehens eines Schuldners durch einen jüdischen Gläubiger nicht mehr zuzulassen und derartige Anträge auf Ableistung des Offenbarungseides als ebenfalls dem gesunden Volksempfinden widersprechend zurückzuweisen. Selbstverständlich sollen Volksgenossen, die früher mit Juden Geschäfte gemacht haben und jetzt noch deren Schuldner sind, heute nicht dafür belohnt werden. Derartig einwandfrei bestehende Schuldverhältnisse müßten bereinigt werden.

Es wird daher in den Meldungen die Meinung vertreten, diese Bereinigung unter Vermittlung des zuständigen Kreisleiters bzw. Kreiswirtschaftsberaters, wie es in zahlreichen Fällen schon geschehen sei, rasch zum Abschluß zu bringen.

Baum wird geladen...