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Chronik und Quellen
1938
Dezember 1938

„Jahreslagebericht“ des SD

In seinem „Jahreslagebericht“ 1938 meldet der Sicherheitsdienst der SS Folgendes:

Allgemeine Übersicht

Die gegnerische Tätigkeit der verschiedenen Weltanschauungsgruppen stand während des Jahres 1938 im wesentlichen unter den Auswirkungen der großen außenpolitischen Ereignisse: der Angliederung Österreichs und der sudetendeutschen Gebiete - innenpolitisch wirkten vor allem die von Seiten der Partei und des Staates getroffenen Maßnahmen gegen das Judentum. [...]

Die Judenfrage fand im Laufe des Jahres 1938, soweit sie auf dem Gesetzes- und Verordnungswege zu regeln ist, ihren Abschluß. Die durch die Eingliederung bedingte starke Vermehrung der Zahl der Juden im Reichsgebiet wurde durch eine zentral geregelte Auswanderungspolitik ausgeglichen. Die verhältnismäßig hoch erscheinende Zahl der Auswanderer fiel gegen Ende des Jahres dafür ab, da das Ausland sich gegen die weitere Einwanderung von Juden immer mehr wehrte. [...]

 

Judentum - Deutschland

Im Berichtsjahr 1938 fand die Judenfrage in Deutschland, soweit sie auf dem Gesetzes- und Verordnungswege zu regeln ist, ihren Abschluß. Zwei Abschnitte sind deutlich zu erkennen: Während in der Zeit vom 1.1. bis 8.11.1938 versucht wurde, die Judenschaft durch Gesetze und Verordnungen endgültig aus sämtlichen deutschen Lebensgebieten auszuschließen, wurde die völlige Ausschaltung der Juden aus allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens durch die Aktion vom 9./10.11.1938 verwirklicht.

Veränderungen erfuhr die Situation durch die Eingliederung der Ostmark und der sudetendeutschen Gebiete, wodurch sich die Zahl der im Reichsgebiet ansässigen Juden um etwa 200.000 bis 250.000 Juden mosaischen Bekenntnisses erhöhte.

Die Maßnahmen gegen die Juden bewirkten eine weitgehende Umstellung aller jüdischen Organisationen - von einigen Ausnahmen abgesehen - auf die Vorbereitung oder Durchführung der Auswanderung , wobei gleichzeitig die Auflösung jüdischer Mittel- und Kleingemeinden und zahlreicher Organisationen mit rein religiöser oder assimilatorischer Aufgabenstellung erfolgte. Die ''Reichsvertretung der Juden in Deutschland '' wurde damit, zusammen mit den weiterbestehenden jüdischen Gemeinden und den ihr angeschlossenen Institutionen zur Förderung der Auswanderung, zum organisatorischen Mittelpunkt der Judenschaft.

Sowohl der fortschreitende Ausschluß der Juden aus dem Erwerbsleben, als auch die Auswanderung früher vermögender Juden bewirkten ein Ansteigen des mittellosen jüdischen Proletariats, das am Schluß des Berichtsjahres bei weitem die Zahl der sich selbst unterhaltenden bzw. der vermögenden Juden übertraf. Die Folge dieser Entwicklung war eine verstärkte Fürsorgetätigkeit der jüdischen Organisationen, die allerdings durch die gleichzeitig fallenden Einnahmen dieser Organisationen wesentlich erschwert wurde. Während im Vorjahr bei einer Gesamtzahl von rund 370.000 Juden mosaischen Bekenntnisses (das Statistische Reichsamt schätzt die Zahl zum 1.1.1938 auf 365.000) im alten Reichsgebiet etwa 42.000 Personen als laufende Unterstützungsempfänger gezählt werden, belief sich die Zahl der ständigen Unterstützungsempfänger im Berichtsjahr - trotz der Abnahme der Gesamtjudenschaft mosaischen Bekenntnisses im Altreich auf etwa 320.000 Personen - auf 40.000 ( 12,5% der Gesamtzahl). Von der jüdischen Winterhilfe wurden in den Monaten Oktober bis Dezember 1938 außerdem 73.976 Personen, das sind 23,12% der Gesamtzahl, betreut.

Für den gleichen Zeitabschnitt betrug die Zahl der durch die jüdische Winterhilfe betreuten Juden in der Ostmark etwa 30.000, das bedeutet bei der Zugrundelegung einer Gesamtzahl von rund 106.000 Juden mosaischen Bekenntnisses am Ende des Berichtsjahres 28,3%. Die Zahl der angemeldeten ständigen Unterstützungsempfänger wird von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien sogar mit mehr als 60.000 Personen angegeben, oder mit 56,6%.

Die Auswanderung der Juden konnte - zumindest im alten Reichsgebiet - nicht in dem Maße gesteigert werden, wie es für die Juden selbst unter dem Druck der Verhältnisse wünschenswert gewesen wäre. So zeigen die von der Reichsvertretung der Juden in Deutschland aufgestellten Statistiken lediglich eine Abwanderung von 46.000 Personen = 12,43% gegenüber 25.000 im Vorjahre, wohingegen die Auswanderung der Judenschaft der Ostmark durch die Tätigkeit der im August des Berichtsjahres gegründeten ''Zentralstelle für jüdische Auswanderung '' einen starken Auftrieb erhielt. So wird die Gesamtzahl der auf legalem und illegalem Wege aus der Ostmark ausgewanderten Juden mosaischen und nicht mosaischen Bekenntnisses mit etwa 79.000 Personen = 42,7% angegeben. Dieses Ergebnis ist um so bedeutsamer, als die Judenschaft in der Ostmark unter ungleich ungünstigeren finanziellen und innenpolitischen Verhältnissen zu arbeiten hatte. Der Ausgleich für die fehlenden Geldmittel wurde durch eine verstärkte finanzielle Inanspruchnahme der ausländischen jüdischen Organisationen - insbesondere der ''Council for German Jewry '' in London - geschaffen.

Sowohl vom Altreich wie auch von der Ostmark ging der größte Teil der Auswanderer nach außereuropäischen Ländern; den Hauptteil nahm Nordamerika auf, wohingegen Palästina nur in geringem Maße als Zielland insbesondere unbemittelter Juden galt.

Trotz der verhältnismäßig hoch erscheinenden Zahl der Auswanderer muß darauf hingewiesen werden, daß die Auswanderung gegen Ende des Berichtsjahres infolge der Abwehrstellung des Auslandes gegen die Einwanderung von Juden und der nicht ausreichenden Devisenbestände erheblich abgesunken ist und, soweit das alte Reichsgebiet berührt wurde, fast ins Stocken geriet. Dazu trug außerdem die absolute Resignation der Juden bei, deren Organisationen nur unter dem verschärften Druck der Behörden ihre Aufgabe weiterführen.

Hierin hat die November-Aktion grundlegenden Wandel geschaffen. War schon in der Ostmark der Auswanderungswille der Judenschaft durch die dort nach der Machtübernahme ergriffenen Maßnahmen bis zum Höchstmaß gesteigert, so wirkte sich das radikale Vorgehen gegen die Juden in den Novembertagen in ähnlichem Sinne auch im alten Reichsgebiet aus. Die Verwirklichung dieser Auswanderungsabsichten blieb jedoch aus, weil in der Folge der November-Aktion auch die Tätigkeit der für die Auswanderung arbeitenden jüdischen Organisationen vor allem aber auch durch die erhebliche Veränderung der Finanzlage der Judenschaft (Kontribution und Schadenersatzpflicht) eingeschränkt wurde. Die notwendige Zentralisation des Organisationswesens der Judenschaft, sowie die Bereitwilligkeit der ausländischen Staaten zur Aufnahme größerer Auswanderungsgruppen, die die Voraussetzung für eine Weiterführung der verstärkten Auswanderung aus dem alten Reichsgebiet sind, konnte aber bis zum Abschluß des Berichtsjahres noch nicht herbeigeführt werden.

Neben dieser Entwicklung waren die schon erwähnten organisatorischen Veränderungen innerhalb der Judenschaft von minderer Bedeutung. Während im alten Reichsgebiet infolge der selbständigen Auflösung jüdischer Vereine und Verbände, abgesehen von zeitlich begrenzten Betätigungsverboten, von staatswegen nur die Auflösung der ''Staatszionistischen Vereinigung '' notwendig wurde, erfuhr das Organisationswesen in der Ostmark sofort nach dem Anschluß eine grundlegende Neugestaltung. Dabei ist jedoch hervorzuheben, daß ein Anschluß der jüdischen Organisationen der Ostmark an die im Reichsgebiete bestehenden nicht vorgenommen wurde, um den Wirkungskreis und die Einflußmöglichkeiten des letzteren nicht zu vergrößern.

Sämtliche Organisationen assimilatorischer Prägung wurden aufgelöst und verboten, während die für die Auswanderung brauchbaren Verbände nach vorübergehender Einstellung ihrer Tätigkeit und nach Umgestaltung neu zugelassen wurden. Eine Zentralstellung nimmt in diesem Aufgabenbereich die ''Israelitische Kultusgemeinde Wien'' als die größte gemeindliche Organisation des Judentums in der Ostmark ein. Ihr obliegt die Organisierung der Auswanderung, der Fürsorge und des Schulwesens , so daß sie auch für die Beschaffung der zur Erhaltung der mittellosen Juden und der Förderung der Auswanderung notwendigen Devisenbeträge von ausländischen jüdischen Organisationen (Council for German Jewry) verantwortlich ist.

Die bei der Eingliederung der sudetendeutschen Gebiete übernommenen jüdischen Organisationen wurden nicht bestätigt, zumal die Notwendigkeit ihres Weiterbestehens nach Abwanderung der meisten Juden in die CSR nicht mehr gegeben war. Die verbliebenen Juden sollen durch die Organisationen des alten Reichsgebietes betreut werden. [...]

 

Altes Reichsgebiet - Lage und Veränderungen im jüdischen Organisationswesen

Einleitend wurde bereits darauf hingewiesen, daß das jüdische Organisationswesen im alten Reichsgebiet durch die laufende Verringerung der jüdischen Gemeinden, das Absinken des Lebensstandards und die damit verbundene Abnahme der Erträgnisse aus den Kultussteuern usw. erheblich beeinflußt wurde. Auflösungen, insbesondere im orthodoxen Bereich und zum Teil auch bei den ehemaligen Assimilanten, bestimmten das Bild. Um so einschneidender war deshalb die Wirkung des Gesetzes vom 25.3.1938 zur Änderung der Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusgemeinden, das ihnen die Rechte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nahm und sie rückwirkend vom 1.1.1938 zu Vereinen machte. Die steuerliche Mehrbelastung bewirkte eine Erhöhung der Haushalte, die sich bei der Gemeinde Berlin beispielsweise auf etwa 1,5 Millionen belief. Diese Beträge wurden andererseits der Finanzierung der Auswanderung und Fürsorge entzogen.

Die Reichsvertretung der Juden in Deutschland versuchte sich dem hierdurch geschaffenen Rechtszustand anzupassen, indem sie die Gründung eines ''Reichsverbandes der Juden in Deutschland '' vorschlug, in dem unter Ausschaltung der bisherigen jüdischen Landesverbände (Zentralorgane der in den Ländern bestehenden jüdischen Gemeinden) das gesamte jüdische Gemeinwesen zentralisiert werden sollte. Gleichzeitig sollte damit die Zusammenfassung aller Finanzmittel erreicht werden, um eine Verteilung von zentralen Stellen auf die Gemeinden zu betreiben, die zumeist nicht mehr in der Lage waren, ihre Ausgaben aus eigenen Einnahmen zu bestreiten. Zur Bestätigung des ''Reichsverbandes '' ist es nicht gekommen, weil die aus der November-Aktion gezogenen Folgerungen andere Maßnahmen, wie sie bereits gekennzeichnet wurden, notwendig machten.

Aus dem gleichen Grunde kam die Umgestaltung der der ''Reichsvertretung" angeschlossenen übrigen Reichsverbände zu keinem Abschluß. Sie bestanden unter Beschränkung ihrer Tätigkeit auf die Auswanderung und Fürsorge in der alten Form weiter.

 

Die politischen und religiösen Organisationen

Im Aufbau der jüdischen Organisationen aller Richtungen hat sich grundsätzlich seit dem Jahre 1937 nichts verändert, wenn man von der Einstellung ihrer Tätigkeit nach der November-Aktion absieht. Ihre Zahl und ihr Mitgliederbestand verringerten sich jedoch infolge der Abwanderung der Juden laufend. Die Versammlungstätigkeit ließ mit Ausnahme der großstädtischen Verbände erheblich nach und beschränkte sich im wesentlichen auf die vorbereitende Tätigkeit zur Auswanderung (Umschulungskurse , Sprachunterricht usw.) und die Kulturpflege (Kulturbund).

Nur in einigen Gebieten des Reiches versuchte der ''Jüdische Centralverein e.V.'' durch seine Rechts- und Wirtschaftsberatung Juden aus allen Organisationen gegen die Auswirkung der Judengesetze zu schützen und somit indirekt ihrer Auswanderung entgegenzuwirken. Aber auch diese Tätigkeit wurde endgültig durch die November-Aktion unterbunden.

Besonders zu erwähnen ist in diesem Rahmen lediglich die Auflösung der ''Staatszionistischen Vereinigung '', die nach Feststellung ihrer Berliner Gruppe der jüdisch-nationalen Jugend ''Herzlia '', zur ''Neuzionistischen Weltorganisation '' (Jabotynski) am 31.8.1938 erfolgen mußte. Nennenswerte Vermögensbestände konnten infolge der geringen Verbreitung der Organisation (etwa 1.000 Mitglieder) nicht sichergestellt werden.

Der im Vorjahre in Angriff genommene Ausschluß von Juden ausländischer Staatsangehörigkeit aus den Vorständen jüdischer Organisationen konnte im Berichtsjahr endgültig zum Abschluß gebracht werden. In Berlin wurden durch diese Aktion allein 189 Personen betroffen, die zum Teil in maßgeblicher Stellung tätig waren.

In der Zeit vom 1.1. bis zum 8.11.1938 erfolgte durch Gesetze bzw. Verordnungen der Ausschluß der Juden aus folgenden Berufen:

Versteigerungsgewerbe,
Bewachungsgewerbe,
Gewerbliche Auskunfterteilung über Vermögensverhältnisse oder persönliche Angelegenheiten,
Gewerbsmäßige Vermittlung für Immobilienverträge und Darlehen,
Gewerbsmäßige Heiratsvermittlung und Fremdenführergewerbe,
Wandergewerbe,
Ärzteberuf , berufsmäßige Ausübung der Krankenpflege,
Betätigung als Rechtsanwalt , Patentanwalt, Notar.

Hervorzuheben ist darüber hinaus die Verordnung gegen die Unterstützung zur Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe vom 22.4.1938, die der Beseitigung der Mißstände in der Vertretung jüdischer Firmen durch Arier diente. Die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26.4.1938 sichert die Feststellung des jüdischen Kapitals. Um eine Tarnung jüdischer Personen durch Annahme nichtjüdischer Namen zu verhindern, wurde am 5.1.1938 das Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen erlassen. Eine Ergänzung erfuhr diese Regelung durch einen Erlaß des Reichsministeriums des Innern, der bestimmt, daß Juden mit Wirkung vom 1.1.1938 [sic] die zusätzlichen Vornamen Israel bzw. Sarah zu führen haben, vorausgesetzt, daß sie nicht bereits einen rein jüdischen Vornamen tragen.

Durch Paßerlaß vom 7.10.1938 schließlich wurde den Juden der Inlandpaß entzogen. Gleichzeitig wurde ihnen auferlegt, bis zum 31.12.1938 bei der zuständigen Polizeibehörde die Ausstellung einer Kennkarte zu beantragen, die als amtlicher Inlandsausweis gilt. Die auf Grund der Bestimmungen vom 16.9.1937 erteilten Auslandspässe werden durch ein ''J'' gekennzeichnet, eine Maßnahme, mit welcher den Einsprüchen auswärtiger Staaten wegen der durch das Reich angeblich stillschweigend geduldeten illegalen Judenauswanderung entgegengekommen wurde.

 

Die Aktion gegen die Juden am 9./10.11.1938

Die Grundlagen des jüdischen Lebens und seiner Organisation wurden durch das im Anschluß an die Ermordung des Legationsrates vom Rath in Paris durch den Juden polnischer Staatsangehörigkeit, Feibel [sic] Grynszpan , im gesamten Reichsgebiet erfolgte Vorgehen gegen die Judenschaft völlig geändert.

Die Aktion äußerte sich im allgemeinen in der Zerstörung oder Niederbrennung der Synagogen und in der Demolierung fast aller jüdischen Geschäfte, die hierdurch gezwungen wurden, den Verkauf einzustellen. Zum Teil wurden auch die Wohnungen von Juden durch die Aktion betroffen. Wertvolle Archivstücke und Kunstschätze wurden infolge Unbedachtsamkeit oder Unwissenheit der Beteiligten vernichtet. Bei der Gegenwehr wurden eine Anzahl von Juden getötet oder verletzt.

Um den Zwang zur Auswanderung zu verstärken, wurden gleichzeitig etwa 25.000 männliche Juden, z.T. vorübergehend, in die Konzentrationslager überführt.

Nach Abschluß der Aktion erfolgte eine Regelung gegen die Judenschaft auf dem Gesetzes- und Verordnungswege. Dabei wurde insbesondere der Grundsatz herausgestellt, daß der Jude in keinem Fall mehr leitend, sondern nur noch als Untergebener tätig sein und daß er am Gemeinschaftsleben des Volkes nicht mehr teilhaben dürfe. Diesem Zwecke diente insbesondere die Verordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan , Generalfeldmarschall Göring , vom 12.11.1938 , durch die den Juden mit Wirkung vom 1.1.1938 der Betrieb von Einzelverkaufsstellen, Versandgeschäften oder Bestellkontoren, sowie der selbständige Betrieb eines Handwerks untersagt wurde. Ein Jude darf weiterhin nicht als Betriebsführer oder leitender Angestellter tätig werden.

Die Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3.12.1938 bestimmte darüber hinaus, daß dem Inhaber eines jüdischen Gewerbe- oder land- oder forstwissenschaftlichen Betriebes aufgegeben werden kann, den Betrieb binnen einer bestimmten Frist zu veräußern oder abzuwickeln. Juden dürfen Grundstücke oder Rechte an diesen nicht erwerben. Binnen einer Woche nach Inkrafttreten dieser Verordnung hatten die Juden ihre gesamten Aktien, Kuxe, festverzinslichen Werte und ähnliche Wertpapiere in ein Depot bei einer Devisenbank einzulegen. Verfügungen über eingelegte Wertpapiere sowie Auslieferungen von Wertpapieren aus solchen Depots bedürfen der Genehmigung des Reichswirtschaftsministers. Den Juden ist weiterhin verboten, Gegenstände aus Gold, Silber oder Platin, sowie Edelsteine zu erwerben oder freihändig zu veräußern.

Durch sonstige Bestimmungen erfolgte das Verbot des Waffenbesitzes für Juden, der endgültige Ausschluß von der Teilnahme am deutschen Kulturleben und an der Erziehung. Darüber hinaus wurde die Judenschaft zur Wiedergutmachung der bei der Aktion entstandenen Schäden zur Zahlung einer Kontribution von 1 Milliarde Reichsmark veranschlagt, die in einer 20% Abgabe von Juden mit einem Vermögen über 5.000 RM erhoben wird.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Judenschaft - sowie es sich um deutsche Staatsangehörige und Staatenlose handelt - damit endgültig aus allen Teilen des deutschen Gemeinschaftslebens ausgeschlossen ist, so daß den Juden zur Sicherung der Existenz nur die Auswanderung bleibt.

 

Statistik

Die nachfolgenden statistischen Angaben dienen zur Erläuterung der unter I wiedergegebenen Übersicht über die allgemeine Lage der Judenschaft im Reichsgebiet. Der Errechnung der Werte (Schätzungswerte!) wurden folgende Angaben über die Gesamtzahl der Juden zugrundegelegt (offizielle Statistiken liegen nicht vor): [ … Es folgen Zahlen …]

 

Entwicklung der Auswanderung

Die Entwicklung der Auswanderung der Juden aus dem alten Reichsgebiet und der Ostmark gestaltete sich völlig verschieden. Im alten Reichsgebiet lag sie unter Mitwirkung der Mehrzahl der politischen und religiösen Organisationen der Judenschaft in den Händen der "Reichsvertretung" und des ihr eingegliederten ''Hilfsvereins der Juden in Deutschland '', die auch für die Beschaffung der für die Abwanderung notwendigen Devisen aus dem Ausland sorgten. Für die Beschaffung der Auswanderungspapiere (politisches Führungszeugnis, steuerliche Unbedenklichkeitserklärung, Paß usw.) hatte jedoch der Auswanderer selbst - abgesehen von Gruppentransporten - zu sorgen. Die hierdurch bewirkte Überbelastung der Behörden hatte ein Stocken in der Durchführung der Auswanderung zur Folge. Es zeigte sich, daß ein solches Verfahren einer Massenauswanderung nicht gewachsen war.

Diesen im alten Reichsgebiete aufgetretenen Mißständen wurde in der Ostmark durch eine Konzentration des gesamten Organisationswesens auf die Auswanderung und die Errichtung einer unter Leitung des Inspekteurs der Sicherheitspolizei stehenden ''Zentralstelle für die jüdische Auswanderung'' (26.8.1938) gesteuert. Diese ''Zentralstelle'' vereinigt in sich alle bei der Auswanderung der Juden mitwirkenden Behörden, so daß es im allgemeinen möglich ist, auswanderungswillige Juden in einem Zeitraum von 8 bis 14 Tagen mit allen für die Auswanderung notwendigen Papieren auszustatten. Darüber hinaus bestimmt die Zentralstelle zusammen mit der Devisenstelle Wien und der ''Israelitischen Kultusgemeinde'' über die Verteilung der von den ausländischen jüdischen Organisationen zur Verfügung gestellten Devisenwerte, wodurch erst in großem Umfange und in planmäßiger Art und Weise die Auswanderung minder- oder unbemittelter auf Kosten vermögender Juden möglich wurde.

Die nachstehend gegenübergestellten Auswanderungszahlen (Schätzungen) für das alte Reichsgebiet und die Ostmark erbringen den eindeutigen Beweis für den Vorteil des in der Ostmark angewendeten Verfahrens, dessen Einführung auf veränderter Grundlage nunmehr auch für das Altreich vorgesehen ist.

Altes Reichsgebiet                                                         Ostmark
Gesamtauswanderung v. 1.1.-31.12.38                   v. 11.3.-31.12.38

46.000 = 12,43%                                                           79.000 = 42,10% […]

 

Ostmark

Bei der Eingliederung der Ostmark in das Reichsgebiet waren die rund 200.000 Juden mosaischen Bekenntnisses in 34 Kultusgemeinden, 79 Bethausvereinen und 357 politischen Verbänden organisiert. Während die Führung der gemeindlichen Organisation bei der Israelitischen Kultusgemeinde Wien lag, stand die Durchführung der politischen Aufgabe, d.h. die Sicherung der Gleichberechtigung der Judenschaft, bei der ''Union österreichischer Juden'' und den ihr gleichgerichteten Verbänden. Die zionistischen Organisationen waren von sehr geringer Bedeutung.

Das bei der Schließung der jüdischen Organisationen beschlagnahmte Material brachte den Beweis dafür, daß fast sämtliche jüdische Organisationen Beziehung zur Harand-Bewegung, zur Pan-Europa-Bewegung und in einigen Fällen auch zu den Legitimisten unterhielt.

Das politische Interesse an der Haltung der Schuschnigg- Regierung geht am deutlichsten daraus hervor, daß die Israelitische Kultusgemeinde Wien über ihren Präsidenten, Staatsrat Dr. Desider Friedmann, auf Anforderung der Vaterländischen Front die geplante Wahl mit einem Betrag von 810.000 Schillingen unterstützte.

Der Anteil der Juden am Gemeinschaftsleben in Österreich war sehr groß im Bankwesen, der Textil- und Holzwirtschaft, sowie in den akademischen Berufen. So standen beispielsweise allein in Wien 1.750 jüdische Anwälte 1.450 deutschblütigen gegenüber. Der Anteil an der Holzwirtschaft wurde mit über 90% angegeben. Presse und Film befanden sich bis zu 90% in jüdischen Händen.

Mit der Machtübernahme wurde sämtlichen jüdischen Organisationen ein Betätigungsverbot auferlegt. Nach der organisatorischen Umgestaltung wurden mit Wirkung vom 2.5. bzw. 3.5. und 10.5. die auswanderungsfördernden zionistischen Organisationen wieder eröffnet und die Tätigkeit der Kultusgemeinden wieder erlaubt. Danach bestehen in Österreich folgende Organisationen: ''Zionistische Vereinigung für das Land Österreich'' mit dem ''Misrachi '' und dem ''Makkabi -Sportverband'', die religiös-orthodoxe Vereinigung ''Agudas Jisroel '' und das der ''Jewish Agency '' angeschlossene ''Palästina-Amt '' mit dem ''Keren Kajemeth Lejisrael "' und dem ''Keren Hajessod ''. Diese Organisationen übernahmen die Aufgabe der propagandistischen Vorbereitung der Auswanderung. Zu diesem Zwecke wurde dem ''Zionistische Landesverband'' die Herausgabe der unter Vorzensur stehenden ''Zionistischen Rundschau '' gestattet, die bis zum 10.11.1938 bestand.

Die Zentrale für die Organisierung und Durchführung der jüdischen Auswanderung, einschließlich der Geldbeschaffung übernahm zusammen mit der später gegründeten Zentralstelle für jüdische Auswanderung die Israelitische Kultusgemeinde in Wien. Daneben betreut sie die fürsorgebedürftigen Juden sowie das jüdische Schulwesen .

Ihr Haushalt, der monateweise angesetzt wird, betrug beispielsweise für Oktober 1938 1 Million Reichsmark, davon konnten 25.000 RM durch eigene Einnahmen gedeckt werden, während der Fehlbetrag durch Auslandsspenden ausgeglichen werden mußte. Für Monat Dezember erhöhte sich das Budget auf 1.519.000 RM, von denen lediglich 308.000 RM durch das Inlandaufkommen gedeckt werden konnte.

Im Rahmen der Fürsorgeunterstützung werden täglich bis zu 20-35.000 Juden ausgespeist.

Die in der Provinz bestehenden jüdischen Organisationen haben bis auf diejenigen von Graz, Leoben, Linz, Klagenfurt und St. Pölten infolge der Abwanderung ihrer Gemeindemitglieder ins Ausland oder nach Wien ihre Tätigkeit eingestellt.

Mit Ausnahme des gegen den zionistischen Sportverband ''Makkabi'' ausgesprochenen Betätigungsverbots und des Verbots der ''Zionistischen Rundschau '' sind im Vereinswesen aufgrund der November-Aktion keine Veränderungen eingetreten.

Die rechtliche Stellung der Judenschaft in Österreich wurde durch die mit wenigen Ausnahmen eingeführten Gesetze und Verordnungen dem Zustand im alten Reichsgebiet angeglichen.

Nicht übertragen wurde beispielsweise das Gesetz zur Veränderung der Rechtsstellung der Kultusgemeinden, so daß die wenigen noch bestehenden jüdischen Gemeinden in Österreich heute noch die Vorteile der Stellung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft genießen, was sich weniger zum Nachteil der Steuereinnahmen als zum Vorteil in der Bewerkstelligung der jüdischen Auswanderung aus der Ostmark ausgewirkt hat. Gewisse Ausnahmen wurden auch bei der Regelung des Anwalts- und Ärztewesens gemacht, sowie bei der Pensionierung von nichtdeutschblütigen Beamten.

 

Danzig

Im Anfang des Berichtsjahres stand die etwa 12.000 Köpfe umfassende Judenschaft in Danzig unter Leitung der Synagogengemeinde , deren Mitglieder (Akademiker, Kaufleute usw.) bis gegen Ende des Jahres nicht von ihrer assimilatorischen Stellung abwichen. Vielmehr versuchten sie, ihren Einfluß auf die Gestaltung des jüdischen Lebens durch die Bildung einer Kommission für Wirtschaftshilfe (Februar 1938), die einer finanziellen Unterstützung der jüdischen Gewerbetreibenden und des Kleinhandels diente, sowie durch die Errichtung eines Schiedsgerichts bei der Synagogengemeinde (Mai 1938) zu verstärken.

Daß diese Absicht trotz des Einsatzes ausländischer Finanzmittel und der Ermöglichung der Auswanderung von Ostjuden fehlschlug, lag weniger in der Entwicklung in Danzig selbst, als vielmehr in der vom Reichsgebiet herkommenden Umgestaltung der Gesamtfrage. Die November-Aktion, die sich in unplanmäßiger Weise in Danzig am 14.11. fortsetzte, brachte die Einführung der Nürnberger Gesetze (23.11.) mit sich. Schon vor deren Einführung hatte sich die Auflösung des assimilatorischen Judentums angekündigt, als sich deren gesellschaftliche Mittelpunkte, der Jüdische Geselligkeitsverein, Zoppot, und die Borussia-Loge des UOBB , im Juli bzw. November selbständig auflösten. Diese organisatorische Umgestaltung setzte sich fort in der Auswanderung der reichsten und einflußreichsten Juden der Assimilanten.

Nunmehr wurde die Führung der Judenschaft von den Zionisten bzw. den Staatszionisten übernommen, die in einer am 17.12. stattgefundenen Massenkundgebung beschlossen haben, auf dem schnellsten Wege geschlossen abzuwandern.

Soweit sich für die sehr unsicheren Verhältnisse innerhalb der Judenschaft in Danzig statistische Angaben geben lassen, ergibt sich für die Auswanderung folgendes Bild:

Die Gesamtzahl der am 1.1.1938 in Danzig ansässigen Juden hatte bis zum Ende des Jahres eine absolute Verminderung von etwa 2-3.000 Juden erfahren, so daß sich für den 31.12.1938 eine Gesamtzahl von etwa 9.700 Juden ergibt. Davon sind 5.700 ausländische Staatsangehörige. [...]

 

Der politische Katholizismus [...]

Wie sehr die kirchlichen Kreise selbst an den Erfolg ihrer Unterminierungsversuche und ihrer weitgehenden Manöver anläßlich des Eucharistischen Weltkongresses, eine katholische Europafront oder gar mit Hilfe der großen Demokratien eine antideutsche Westfront zu bilden, geglaubt haben, hat gerade die Zeit der außenpolitischen Spannungen des Monats September gezeigt. [...]

Die tiefe Enttäuschung durch die friedliche Wendung der Ereignisse hat manche kirchliche Kreise zu einer pessimistischen Beurteilung ihrer Lage gebracht: [...]

Trotz dieser selbstverschuldeten und selbst festgestellten Niederlage hat die Kirche anläßlich der Judenaktion des 9./10. November alsbald wieder mit dem internationalen Judentum Front gegen Deutschland bezogen. Nicht zuletzt haben gerade die maßgeblichen kirchlichen Führer den großen Protestkundgebungen in den Metropolen der westlichen Demokratien durch ihre Beteiligung Auftrieb und weiterreichende Bedeutung verschafft.

Für diese vatikanische Schützenhilfe hat die Judenschaft nicht nur durch Dankbarkeits- und Huldigungsadressen an den Papst sich erkenntlich gezeigt, sondern der römischen Kirche mit das Hauptkontingent an Konvertiten gestellt. Allein unter den 1.942 Übertritten zur katholischen Kirche in Wien (von März bis September 1938 ) befanden sich 1.702 Juden. [...]

 

Protestantismus [...]

Die Haltung der kirchlichen Gruppen zu den wichtigsten Daten des Jahres - 4. Februar, Rückgliederung Österreichs, Volksabstimmung am 10.4.1938, Rückgliederung des Sudeten-Landes und Judenaktion vom 9./10.11.1938 - ist äußerlich als ziemlich zurückhaltend und ganz uneinheitlich zu bezeichnen. Im Gegensatz zur katholischen Kirche war in der evangelischen Kirche in keinem Fall eine einheitliche Parole vorhanden. [...] Daß innerhalb der evangelischen Lehrerschaft der kirchliche Einfluß noch verhältnismäßig stark ist, zeigt die Reaktion auf die Umfrage des NSLB , welche im Anschluß an die Judenaktion des 9./10.11.1938 erging und die Niederlegung des Religionsunterrichtes zum Gegenstand hatte. Ein ganz erheblicher Prozentsatz der Lehrer ist der Aufforderung des NSLB nicht nachgekommen. [...]

 

Mit der tschechischen Mobilmachung im Mai begann dann jene Kriegspsychose, die erst durch das Münchener Abkommen beendet wurde. [...] So unvermittelt wie diese pazifistischen Erscheinungen während der Krise aufgetaucht waren, verschwanden sie auch nach dem Münchener Abkommen wieder. Die letzten Nachwirkungen dieser Psychose zeigten sich darin, daß die Aktionen gegen das Judentum im November sehr schlecht aufgenommen wurden. Die Kritik war je nach der Einstellung des Einzelnen verschieden. Wirtschaftskreise wiesen auf den Schaden hin, der durch die Aktionen entstanden war, andere übten an den gesetzlichen Maßnahmen Kritik, und das gerade von der Kriegsangst befreite Bürgertum wies auf die gefährlichen Auswirkungen hin, die im Ausland entstehen könnten. Als sich dann die Reaktion des Auslandes in wüsten Hetzkampagnen und Boykottmaßnahmen äußerte, stimmten diese liberalistisch-pazifistischen Kreise dem Ausland zu und bezeichneten die getroffenen Maßnahmen als ''barbarisch'' und ''kulturlos''. Aus liberalistischer Grundhaltung heraus glaubten viele, offen für das Judentum eintreten zu müssen. Die Zerstörung der Synagogen wurden als unverantwortlich erklärt; man trat für die ''armen unterdrückten Juden'' ein. Es war zu beobachten, daß die Maßnahmen gegen das Judentum im Süden (mit Ausnahme der Ostmark) und im Westen des Reiches (katholisch, dichter besiedelt, überwiegend städtische Bevölkerung) weit stärkere Ablehnung erfuhren als im Norden (protestantisch, weniger dicht besiedelt, Landbevölkerung). [...]

 

Rechtsbewegung [...]

Anläßlich der Judenaktion im November 1938 war dann wieder in allen rechtsoppositionellen Gruppen eine betont gleichmäßig verneinende Ausrichtung der Reaktion zu vermerken. Die getroffenen Maßnahmen wurden einheitlich als ungerecht und eines Kulturvolkes unwürdig bezeichnet. [...]

Rasse und Volksgesundheit [...]

Die zahlreichen Presseveröffentlichungen über Verurteilungen von Juden wegen Rassenschande haben immer wieder zu der Frage Veranlassung gegeben, warum man nicht endlich dazu übergeht, auch den deutschblütigen Partner entsprechend zu bestrafen. [...]

 

Volksgesundheit [...]

Schwierigkeiten in der Ärzteversorgung in den Großstädten, besonders in Berlin und Wien traten vorübergehend bei dem Entzug der Approbation für jüdische Ärzte auf. In einzelnen Stadtteilen der Großstädte ist diese Schwierigkeit auch jetzt noch nicht restlos behoben. [...]

 

Musik [....]

Die gegnerischen Einflüsse, vor allem der Katholischen Aktion und der Juden haben sich erheblich bemerkbar gemacht. Die Ausschaltung der Juden aus dem Musikschaffen konnte noch nicht restlos durchgeführt werden.

Trotz aller Unterstützung, die die Presse dem kulturpolitischen Aufbau auf musikalischem Gebiet zuteil werden ließ, kann von einem einheitlichen und klar herausgearbeiteten Standpunkt noch nicht gesprochen werden. Ein großer Teil führender Musikverlage bringt nach wie vor Notenwerke jüdischer Komponisten, auch Schallplatten jüdischer Künstler und Komponisten sind noch im Handel erhältlich. [...]

 

Gemeinschaftsleben [...]

Im Rechtsleben hat sich die 1937 eingetretene Erstarrung der Rechtsreform wieder gelöst. [...] Ebenso ist die endgültige Ausmerzung des Judentums aus dem Rechtsleben des deutschen Volkes vom Blickpunkt der Durchsetzung der nationalsozialistischen Weltanschauung von großer Bedeutung. [...]

 

Recht

Das Jahr 1938 hat, abgesehen von der endgültigen Ausschaltung der Juden aus der Rechtspflege, zwar keine grundlegende Neugestaltung des Rechtslebens gebracht, durch verschiedene Teilreformen wurde jedoch die Neuordnung des deutschen Rechts in deutlich erkennbarer Weise vorwärtsgetrieben. [...]

Ganz besonders von der Bevölkerung und den Rechtswahrern begrüßt worden ist schließlich noch die durch die 5. und 6. Durchführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz erfolgte endgültige Ausschaltung der jüdischen Anwälte aus der deutschen Rechtspflege gegen Ende des Jahres. Wesentliche Schwierigkeiten sind bei der Durchführung dieser Maßnahme nicht aufgetreten.

Die schon Anfang 1938 nicht sehr glückliche finanzielle Lage der Rechtsanwaltschaft hat sich im Laufe des Jahres keineswegs gebessert. [...]

Auch die Ausscheidung der jüdischen Anwälte hat hier keinen Wandel schaffen können, weil diese nur noch in geringem Maße mit der Vertretung deutscher Interessen beauftragt gewesen sind. Lediglich in Wien, wo bei der Eingliederung 1.800 jüdischen Anwälten nur knapp 400 deutschblütige gegenüberstanden, ist ein wirtschaftlicher Aufschwung dieser deutschen Anwälte zu verzeichnen. [...]

 

Schulerziehung [...]

Die Frage des Religionsunterrichtes innerhalb der Schule ist im Jahre 1938 ohne Lösung geblieben. Die durch den NSLB im Zusammenhang mit dem Gesandtenmord in Paris ergangene Anweisung an die Lehrerschaft, im Hinblick auf das jüdische Gedankengut des Alten Testaments schriftlich die Erteilung des Religionsunterrichtes abzulehnen, hat keinen Schritt vorwärtsgeführt, sondern innerhalb der Lehrerschaft verschiedene Frontstellungen herbeigeführt und das Ansehen und Vertrauen des NSLB nach Scheitern der Aktion erheblich herabgemindert. [...]

 

Wirtschaft [...]

Außenwirtschaft [...]

Besonders bemerkenswert ist der starke Ausfuhrückgang. Neben der Verschlechterung der Absatzverhältnisse auf vielen Außenmärkten wirkten sich die außenpolitischen Spannungen des Jahres 1938 und der jüdische Boykott weiterhin ungünstig aus. Andererseits lag der Rückgang der Ausfuhr im Inland begründet. [...] Die Ausschaltung der Juden aus dem Außenhandel brachte die größte wirtschaftliche Verlagerung mit sich. Betroffen wurden in erster Linie mittelständische Qualitätsexportindustrien (Remscheid, Pforzheim, Gablonz). Der Abbau der jüdischen Auslandsvertreter wurde erheblich vorwärtsgetrieben, so daß die Auslandsvertretungen deutscher Firmen schätzungsweise nur noch zu einem Drittel in jüdischen Händen liegen. Da es vielfach unmöglich war, innerhalb der für die Ablösung der jüdischen Auslandsvertreter gesetzten Frist einen geeigneten Ersatz zu beschaffen, die Beibehaltung des jüdischen Vertreters jedoch den Ausschluß von der Vergebung öffentlicher Aufträge im Inland bedeutete, gingen oft wertvolle Handelsbeziehungen verloren. Durch eine nachträgliche Verordnung wurde diese Entwicklung dadurch gesteuert, daß der Verbleib von jüdischen Auslandsvertretern dann zugelassen wird, wenn zusätzliche Exportgeschäfte hereingeholt werden können.

 

Binnenhandel [...]

Die Lage der Handelsvertreter hat sich im vergangenen Jahr im allgemeinen gebessert, zumal die jüdischen Vertreter während der Berichtszeit aus diesem Gewerbe ausgeschaltet wurden. [...]

Die Ausschaltune des gegnerischen Einflusses im Handel hatte auf Grund der im ersten Halbjahr 1938 erlassenen Verordnungen, die sich gegen die Wirtschaftstätigkeit der Juden richten, bis zum Spätherbst bedeutende Fortschritte gemacht, zumal die Bereitwilligkeit der Juden zum Verkauf ihrer Geschäfte unter dem Druck der Verhältnisse erheblich zugenommen hatte. Wie in den vorangegangenen Jahren wurde fast ausschließlich arisiert , d.h. die bisher von Juden geführten Handelsunternehmen wurden von arischen Interessenten erworben und weitergeführt. Die vom Handel, insbesondere Einzelhandel, im Zusammenhang damit geforderte Beseitigung der in vielen Handelszweigen und insbesondere den Großstädten bestehenden Übersetzung fand kaum Beachtung, da nur in den seltensten Fällen bisher jüdische Betriebe liquidiert wurden. Dies gilt insbesondere für die Ostmark, WO die Entjudung in weitaus schnellerem Tempo durchgeführt wurde wie im Altreich.

So wirkte es sich stimmungsmäßig im Handel sehr ungünstig aus, daß alle jüdischen Warenhäuser und Einheitspreisgeschäfte , die allerdings zum größten Teil vor 1938 arisiert worden sind, unverändert weitergeführt werden. Diesen Betriebsformen ist es, wie die Umsatzstatistik zeigt, gelungen, auf Grund der erfolgten Entjudung die früher eingenommene starke Stellung wieder zu erlangen. Besondere Beunruhigung erregte in den Handelskreisen die Tatsache, daß in größerem Umfange Konzerngesellschaften und sonstige Großbetriebe in die Sphäre des Einzelhandels eingedrungen sind. Es wurde z.B. festgestellt, daß die IG-Farben, Kali-Chemie, der Reemtsma-Konzern, sowie Hertie-Warenhaus-Konzern und andere Großfilialbetriebe beteiligt waren. Weiterhin bestand die Gefahr, daß durch die Einschaltung der Makler und sogenannten Finanzierungsbüros in den Arisierungsprozeß ganze Handelszweige in fachlicher Hinsicht überfremdet würden, da zwar kapitalkräftige, aber als Nichtfachleute geltende Käufer Einzelhandelsgeschäfte übernommen haben. - So sind z.B. im Bereich des Textileinzelhandels zahlreiche größere Betriebe an berufsfremde Personen übergegangen. - Auch die von den Gau- bzw. Kreiswirtschaftsberatern durchgeführten Arisierungen sind in Wirtschaftskreisen vielfach Gegenstand öffentlicher Kritik gewesen, und zwar deshalb, weil Amtsleiter der Partei und der betreuten Organisationen die zu arisierenden Betriebe z.T. selbst übernommen haben oder sich finanziell daran beteiligten.

In dem bisher eingeschlagenen Kurs in Bezug auf die Arisierungen trat infolge der Novemberereignisse eine bedeutsame Wandlung ein. - Im Zusammenhang mit den Novemberereignissen muß festgestellt werden, daß die im Rahmen der Judenaktion erfolgte Vernichtung großer volkswirtschaftlicher Werte von weiten Kreisen der Bevölkerung nicht gebilligt wurde. Dagegen hat die im Anschluß daran erfolgte gesetzliche Regelung volles Verständnis gefunden.

Auf Grund der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12.11.1938 sind die Juden aus dem Einzelhandel einschließlich der Versandgeschäfte und Bestellkontore mit Wirkung vom 1.1.1939 nunmehr gänzlich ausgeschlossen. Ebenso dürfen Juden nicht mehr Mitglieder von Genossenschaften sein. Es wurde vom Einzelhandel besonders freudig begrüßt, daß die Entjudung der deutschen Wirtschaft, soweit sie den Einzelhandel betrifft, nunmehr bewußt im Zeichen der Steuerung der vorhandenen Übersetzung durchgeführt wird. Soweit eine Übersicht bereits möglich ist, ist die Auflösung des jüdischen Einzelhandels und der Übergang in arischen Besitz in der Hauptsache bis Ende des Jahres 1938 durchgeführt worden. In Großberlin sind z.B. von 3.750 Einzelhandelsgeschäften, die am 1.8.1938 noch gezählt wurden, 3.050 liquidiert worden, so daß lediglich 700 Betriebe zur Arisierung gelangten. [...]

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