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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht aus Freising

Am 11. November 1938 erstattet die Schutzpolizei Freising folgenden Bericht zur „Judenaktionen“:

Am 10.XI.1938 fand in 4 Sälen eine Protest-Kundgebung mit dem Thema ''Der Meuchelmord in Paris!'' statt. Veranstalter waren die 4 Ortsgruppen der NSDAP in Freising. In jeder Versammlung wurde die Bevölkerung aufgefordert, sich jeder Tätigkeit gegen Person und Sache zu enthalten. Es wurde auf die Rundfunkdurchsage von Reichsminister Dr. Goebbels hingewiesen. Jede Veranstaltung war überfüllt.

Nach Beendigung, gegen 9.15 Uhr, gingen die Massen, etwa 3.000 Personen nicht nach Hause, sondern zogen durch die Straßen der Stadt und forderten durch Sprechchöre, daß die Juden aus Freising verschwinden sollten. Es wurde auch ein kleines Transparent mit der Aufschrift ''Juda verecke'' [sic] mitgetragen. Ein Trupp dieser Leute, vielleicht 200 Personen, zogen vor das Haus des Juden Holzer, der bereits am Nachmittags [sic] festgenommen und nach München gebracht wurde. Sie forderten, daß die Tochter des Juden, Irma Holzer, eine äußerst freche und unverschämte Jüdin herauskomme. Der Aufforderung kam sie nach. Nun wurde sie auf der Straße etwa 100 m weit zum ''Anschauen'' herumgeführt. Sie wurde nicht geschlagen, erlitt auch keinerlei Verletzungen. Es ist nur gerufen worden, sie solle aus Freising verschwinden. Von der Schutzpolizei der Gendarmerie Freising wurde sie zu ihrem persönlichen Schutz in Haft genommen, im Polizeiarrest verwahrt und beim Morgengrauen wieder entlassen.

Fast zur gleichen Zeit wurde der arische Rechtsanwalt Max Lehner, der judenhörig ist und bei Geldbeitreibungen Juden vor Gericht vertritt, mit Gewalt aus seiner Wohnung geholt. Es begab sich ein Trupp vor seine Wohnung und forderte ihn auf, herauszukommen. Da nicht geöffnet wurde, ist die Wohnungstüre eingedrückt worden, auch ging eine Fensterscheibe in Trümmer. Es wurde ihm dann das bereits erwähnte Transparent ''Juda verecke'' [sic] in die Hand gedrückt, das er eine längere Wegstrecke tragen mußte. In seiner Wohnung erhielt er ein paar Ohrfeigen, auf dem Wege selbst wurde er nicht mißhandelt. Auf dem Wege erhielt er naturgemäß viele Zurufe, die sich mit seinem bisherigen Verhalten befaßten und das die Bevölkerung nicht.

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