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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht aus Stadthagen

Am 17. November berichtet der Landrat des Kreises Stadthagen Folgendes über die „Judenaktion“:

Zu 1-13: Fehlanzeige.

Zu 14: Ich habe bereits in meinem Schreiben vom 10./14.11.1938 - Tageb. Nr. III 13292/13439 - darauf hingewiesen, daß die Inhaftierung des jüdischen Kaufmannes Jonas aus Hagenburg durch Angehörige der SS erfolgt ist, ohne mich oder die zuständigen Exekutivbeamten zu dieser Inhaftierung hinzuzuziehen bezw. hernach mir hiervon Mitteilung zu machen. Der Jude Jonas soll dem Vernehmen nach von der SS zunächst zur Polizeiverwaltung in Wunstorf geschleppt worden sein, die aber als nicht zuständig die Aufnahme des Juden in Schutzhaft abgelehnt hat. Der Jude Jonas ist schließlich auf Veranlassung der Hannoverschen Polizei in Schutzhaft genommen und dem KZ -Lager in Moosbach zugeführt.

Diese ungehörige Handlungsweise der SS, gegen die ich mich als verantwortlicher Polizeiverwalter bereits verwahrt habe, hat bei der Bevölkerung schärfste Mißbilligung gefunden. Die heimische Bevölkerung war bisher der Ansicht, daß es sich besonders bei der SS um eine gut disziplinierte Formation der Partei handele, die eben nur auf besondere Anweisung der allein hierfür zuständigen Dienststellen ihre Aufgaben erfüllen würde. Wenn nun Angehörige der Parteigliederungen heute noch, nachdem sie bereits jahrelang geschult und immer wieder darauf hingewiesen sind, daß lediglich die Staatsdienststellen ausführendes Organ und Vollstrecker der Staatsgewalt sind, ohne jegliche Beachtung der ihnen gegebenen Anweisungen sich vermeintliche Rechte aneignen, so bezeugt dieses einen hohen Grad gewisser Selbstüberhebung bezw. nicht zu leugnender unbefugter Gewaltanmaßung.

Wenn auch in den ländlichen Gemeinden meines Kreises weder Personen - noch Sachschäden vorgekommen sind, so muß ich doch darauf hinweisen, daß die Zerstörungen größerer jüdischer Geschäfte, besonders in den größeren Städten, von den meisten Volksgenossen schärfstens verurteilt werden. Es wagt bekanntlich niemand, offen auf die sinn- und zwecklos erfolgte Zerstörung riesiger Volkswerte hinzuweisen. Trotzdem möchte ich bemerken, daß die breite Masse des Volkes dieses Vorgehen gegen die Juden als eine Art zügelloser, aus der Hand ihrer Führer geglittener Angehöriger der NS-Formationen bewertet. Daß hierdurch das Ansehen der Partei und ihrer Gliederungen und somit das Ansehen des Staates auch im Inlande schwersten Schaden erlitten hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Es muß hier unbedingt Vorsorge getroffen werden, daß gleiche oder ähnliche Vorkommnisse auf jeden Fall und sicher in Zukunft vermieden werden.

Die seitens der Reichsregierung gegen die Juden getroffenen Maßnahmen werden von der Bevölkerung verstanden und begrüßt. Wären die Aktionen gegen die Juden am 10.11.38 auch von den hierfür allein zuständigen Staatsdienststellen durchgeführt worden, so wäre dieses gleichfalls von der Bevölkerung richtig verstanden worden und hätte keinen Anlaß zu einer Mißbilligung bezw. Verurteilung durch die Bevölkerung gegeben.

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