Menü
Chronik und Quellen
1938
November 1938

Berichte aus Bielefeld

Am 18. November 1938 verfasst der Landrat in Bielefeld folgenden Bericht über die „Aktion gegen Juden am 10.11.38“:

Über die Vorkommnisse der Aktion gegen die Juden berichte ich folgendes:

Aktionen gegen die Juden sind nur in Brackwede vorgekommen. In Gadderbaum sind nur einige Juden als Pfleglinge in der Anstalt Bethel untergebracht und in Jöllenbeck wohnt nur eine jüdische Flüchtlingsfamilie. In den übrigen Orten des Landkreises Bielefeld sind keine Juden ansässig.

Zu Ziffer 1: Synagogen sind im Landkreise Bielefeld nicht vorhanden.

Zu Ziffer 2: In Brackwede sind in der Nacht vom 10. zum 11. des Monats vier Schaufensterscheiben und zwei kleine Scheiben des jüdischen Kaufhauses Herz Wisbrun, Adolf Hitlerstraße 47, und eine Schaufensterscheibe in dem Ausstellungsraum, Adolf Hitlerstr. 49, der Eigentum des Landwirtes Th. Kämpermann - Brackwede ist und an das jüdische Kaufhaus Wisbrun verpachtet war, zertrümmert worden. Inhaber des jüdischen Kaufhauses, das inzwischen in arischen Besitz (Kaufmann Albert Klöpping - Brackwede) übergegangen ist, waren der Kaufmann Moritz Wisbrun, geb. am 19. Januar 1855 zu Steinhagen, und dessen Tochter Käthe Friedländer, geb. am 2. Dezember 1903 zu Brackwede. Der durch die Zertrümmerung der Scheiben und Beschädigung der Fensterauslagen entstandene Schaden beträgt etwa 2600 RM. Das Kaufhaus ist gegen Glasschaden in Höhe des Zeitwertes bei der Glasversicherung ''Albingia'' A.-G. in Hamburg und gegen sonstige Beschädigungen mit 10000.- RM bei der Neuen Frankfurter, allgem. Vers.-AG., versichert. Schadenersatzansprüche sind in Höhe von 2500 RM für Glas und etwa 100 RM für Beschädigung der Auslagen gestellt worden.

Zu Ziffer 3: Durch die angerichtete Beschädigung sind keine Angestellte oder Arbeiter arbeitslos geworden. Das Personal des Kaufhauses Wisbrun ist z.Zt. mit der Inventur, die infolge der Geschäftsübergabe notwendig ist, beschäftigt.

Zu Ziffer 4: Auf die Ausführungen zu Ziffer 2 nehme ich Bezug.

Zu Ziffer 5: Weitere Beschädigungen oder Zerstörungen (s. zu Ziffer 2) sind nicht vorgekommen.

Zu Ziffer 6: S. zu Ziffer 5.

Zu Ziffer 7: ''Fehlanzeige''.

Zu Ziffer 8: Kriminelle Straftaten, z.B. Diebstähle, Plünderungen und Erpressungen sind bei der Aktion nicht erfolgt.

Zu Ziffer 9: Waffen sind nicht sichergestellt worden.

Zu Ziffer 10: ''Fehlanzeige''.

Zu Ziffer 11: Bargeld, Bankguthaben, Wertgegenstände oder sonstige Sachen sind nicht sichergestellt worden.

Zu Ziffer 12: Auf die Ausführungen zu Ziffer 2 nehme ich Bezug.

Zu Ziffer 13: Durch die Aktion sind keine jüdischen Personen in eine Notlage geraten.

Zu Ziffer 14: Die im ganzen Reichsgebiet erfolgten Aktionen gegen die Juden haben bei der Bevölkerung eine nachhaltige Wirkung hinterlassen. Von einem Teile der Bevölkerung sind die Aktionen im allgemeinen mit Genugtuung und Verständnis aufgenommen. Von einem anderen Teile - besonders von dem kirchlich eingestellten (sowohl von katholischer als auch von evangelischer Seite) und besonders von den Anhängern der Bekenntnisfront - sind in vorsichtiger Weise die Anzündung der Synagogen sehr bekritelt. Es soll sogar dem Vernehmen nach von Personen, die wahrscheinlich sehr stark kirchlich eingestellt sind, behauptet worden sein, daß nunmehr, nachdem die Synagogen verbrannt worden seien, auch noch die Kirchen an die Reihe kämen und angezündet würden. Auch wird das Zertrümmern und Beschädigen von Auslagen und Waren in den jüdischen Geschäften vielfach mißbilligt mit dem Hinweis, daß entgegen dem Vierjahresplane hier Werte, die zu dem Volksvermögen zählen, vernichtet worden seien. Scharf mißbilligt wird auch das Verhalten einiger Volksgenossen, die aus den zertrümmerten Schaufenstern Auslagen entwendet haben sollen. Die Äußerungen, daß es völlig unverständlich sei, wie in der Zeit der Durchführung des Vierjahresplanes solche mutwilligen und sinnlosen Materialvernichtungen vorkommen könnten, sind so zahlreich gemacht worden, daß es unmöglich ist, die in Frage kommenden Personen namentlich aufzuführen, zumal diese Äußerungen meist sachlich waren und sich in keiner Weise gegen die Aktion selbst richteten. Der aufgeklärte Volksgenosse ist im allgemeinen mit den Aktionen einverstanden. Der nicht aufgeklärte Volksgenosse - von diesem gibt es immer noch sehr viele -, der hauptsächlich in kirchlichen Kreisen zu suchen ist, sieht nur ''den armen verfolgten Juden'' und ist mit den Aktionen nicht einverstanden.

Nachteilige Auswirkungen werden m.E. die Aktionen nicht hinterlassen. Eine umfangreiche Aufklärungsarbeit von Seiten der NSDAP wird aber erforderlich sein, um die noch nicht aufgeklärten Volksgenossen von dem verbrecherischen Vorgehen des Judentums zu überzeugen. Geschieht dieses, dann wird m.E. alles Vorgekommene in nicht allzu ferner Zeit vergessen sein.

 

Am 19. November 1938 wird ergänzend berichtet:

In der Anlage überreiche ich meinen auf Grund der Anordnung der Stapo übersandten Bericht vom 18. November 1938 - 7049 L -. Ich darf hierbei besonders auf meine Ausführungen zu Ziffer 14 verweisen. Grundlage für diese Stellungnahme bilden die Berichte sämtlicher Amtsbürgermeister meines Kreises, die alle in der Verurteilung der Vernichtung von Sachwerten übereinstimmen.

Ich möchte hierbei betonen, daß vielleicht manche Erzählungen, die im Kreise über die Zerstörung von Privathäusern, Vernichtung von Sachwerten aller Art, mutwilliger Tötung von Juden etc. besprochen werden, wohl übertrieben sind.

Es ist erfreulich, festzustellen, daß die Zerstörung der Synagogen fast restlos von der Bevölkerung gebilligt worden ist. Wenn von einigen, besonders in der Bekenntniskirche vorhandenen Volksgenossen eine Gefahr für die christlichen Kirchen angedeutet wurde, so habe ich dort nur von der Behauptung dieser Gefahr, nicht aber von der Anlehnung des Brandes der Synagogen gehört. Wenn im ganzen deutschen Reich die Synagogen wie ein brennendes Mahnmal unserer Kampfansage an das Judentum in Schutt gegangen wären, so gäbe es wohl keinen echten Deutschen, der hieran etwas auszusetzen hätte.

Die Zerstörung der Geschäfte und des Privateigentums der Juden wird auch bei mir im Kreise, wo die Volksgenossen nicht den Anschauungsunterricht der Großstädter hatten, erheblich mißbilligt. Auf einige Gründe hierfür habe ich schon in meinem Stapo-Bericht hingewiesen. Ich möchte diese dahin noch ergänzen, daß vielfach gesagt wird, daß es deutsche Arbeiter waren, die diese Sachwerte schufen, die nun entgegen allen Anordnungen des Generalfeldmarschalls zerstört worden sind.

Ich stimme mit vielen Parteigenossen in der Ansicht überein, daß es nunmehr vieler Aufklärungsarbeit bedarf, um die Notwendigkeit dieser Aktion zu beweisen. Und wenn dies nicht gelingt, dann wird noch eine Zeit ins Land gehen müssen, damit im Lande diese Auswirkungen der Aktion vergessen werden.

Ich möchte noch hinzufügen, daß das ''spontane'' Einschreiten der ''Bevölkerung'' von vielen nicht zu Meckerern gehörenden Volksgenossen nur mit leiser Ironie erzählt wird. Für eine spontane Kundgebung kam die Zerstörung der Synagogen etc. um 1 Tag zu spät.

 

Am 22. November 1938 berichtet der Bielefelder Oberbürgermeister unter gleichem Betreff:

Die gestellten Fragen werden wie folgt beantwortet:

Zu 1.) In Bielefeld wurde die Synagoge bis auf die Umfassungsmauern abgebrannt. Der Zustand der Brandruinen erfordert einen möglichst umgehenden Abbruch.

Die Synagoge kostete s.Zt. im Rohbau 350.000,- Mk. In ihr befand sich eine Orgel, die 28,000.- Mk gekostet haben soll. Das Grundstück, auf dem die Synagoge steht, liegt im Zentrum der Stadt und repräsentiert einen ziemlichen Wert. Der Bau, einschl. eines Nebengebäudes, dessen unter Ziffer 5) noch besonders Erwägung getan wird, sind bei der Coloniaversicherung, deren Bezirksvertretung sich hier, Körnerstrasse 3 befindet, mit 439.000 RM versichert. Versicherungsansprüche sind bisher noch nicht gestellt.

Zu 2)

a) Strumpfhaus Meyer, Niederwall 17.

2 Schaufensterscheiben und 12 kleine Lampen sind zertrümmert sowie geringe Mengen Handschuhe und Pullover entwendet worden. Inhaberin ist die Ehefrau Maria Meyer, geb. Litzau, geb. am 29.1.94 in Danzig, hier, Stapenhorsstrasse 81 wohnhaft, (Arierin ), Ehemann Arthur Meyer, geb. am 16.7.1895 in Frechen, wohnhaft in Köln, Marienplatz 28 (Jude). Gesamtverlust 250 RM-300 RM. Versichert bei der Glasversicherung Allianz in Magdeburg, Höhe der Versicherungssumme: 900 RM, gestellte Versicherungsansprüche 300 RM. Arbeiter oder Angestellte wurden nicht arbeitslos. Der Ehemann Meyer ist seit Juli 1938 nicht mehr im Geschäft tätig. Die arische Ehefrau will das Geschäft weiter führen. Seit dem 11.11.38 läuft das Ehescheidungsverfahren beim Amtsgericht Köln.

b) Wollwarenhändler Hermann Löwenberg, hier, Engerschestr. 103.

1 Schaufensterscheibe wurde zertrümmert, 2 Sporthemden sind abhanden gekommen. Inhaber: Hermann Löwenberg, hier, Engerschestrasse 103, geb. am 12.7.1879 zu Ettingen. Gesamtverlust ist noch nicht abgeschätzt worden, Arbeiter oder Angestellte wurden nicht erwerbslos. In Bezug auf Ziffer 4) ist bisher noch nichts veranlaßt worden. Versichert ist L. bei der Albinia -VA., Hamburg. Die Höhe der Versicherungssumme und des entstandenen Schadens konnten noch nicht festgestellt werden. Ein Versicherungsanspruch ist noch nicht gestellt.

c) Schlachter Sally Grünewald, Bielefeld-Schildesche, Im Stift Nr. 14

1 Schaufensterscheibe wurde zertrümmert. Inhaber ist Sally Grünewald, Bielefeld-Schildesche, Im Stift Nr. 14, geb. 27.1.1873 in Schildesche. Der Gesamtverlust muß erst noch abgeschätzt werden. Zu Ziffer 4) ist noch nichts veranlaßt. Ob Grünewald versichert ist, steht im Augenblick noch nicht fest. In dem Betriebe wurde niemand erwerbslos.

d) Firma M. Heinemann, Kartonnagenfabrik, Waldhof 7.

Inhaber: Hans und Otto Katzenstein, Oberntorwall 2. Es wurden mehrere Fensterscheiben der Arbeitsräume zertrümmert. Der Schaden beträgt etwa 100 RM. Arbeiter und Angestellte sind nicht erwerbslos geworden. Verhandlungen betreffend die Arisierung [sic] sollen angeblich seit 2 Monaten geführt worden sein. Nähere Feststellungen waren nicht möglich, da sich die beiden Inhaber in Schutzhaft befinden und weil die Angestellten weitere Auskünfte nicht erteilen können. Der Schaden ist nicht durch Versicherung gedeckt. Die Familien der Inhaber befinden sich nicht in einer Notlage.

e) Else Arnholz, Damenputzgeschäft, Obernstrasse 23.

4 Schaufensterscheiben wurden zertrümmert. Schaden 6-700 RM. Die beiden Angestellten des Geschäfts werden am 30.11.38 erwerbslos. Eine neue Arbeitsstelle ist für diese noch nicht gefunden worden. Verhandlungen betr. Arisierung werden seit 3 Wochen geführt. Voraussichtlich wird das Geschäft durch Fräulein Drescher, Steinstrasse oder Frau Küth, Teutoburgerstrasse, übernommen. Versichert bei der Schlesischen Feuerversicherung, Dortmund, Arndtstrasse 64. Die Versicherung hat Meldung erhalten, Familie nicht in Notlage, Ehemann ist in Schutzhaft genommen.

f) Koch & Co., Nachf., Niedernstrasse 18, Konfektionen.

Inhaber Bernhard Wilens, Rathausstrasse 10.

Es wurden 1 Schaufensterscheibe und 2 andere Scheiben und die Ladeneinrichtung zertrümmert. Schaden 1300-1500 RM, Angestellte nicht vorhanden. Verhandlungen betr. Arisierung sind noch nicht geführt worden. Versichert bei Spiegelscheibenversicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Bielefeld, 55er-Strasse 2, Schaden ist gemeldet, Familie nicht in Notlage.

g) Geschwister Salomon, Korsettgeschäft, Rathausstrasse 12.

Inhaber Rosalie und Henriette Salomon, Ulmenstrasse 4.

Es wurden eine Schaufensterscheibe und 1 Spiegelscheibe zertrümmert, Schaden 600 RM. Die 3 Angestellten des Geschäfts werden weiterbeschäftigt. Das Geschäft wird übernommen durch Frau Ida Witthoff, Oerlinghauserstrasse 14. Zeit: unbestimmt. Schaden ist versichert wie bei f), ist auch gemeldet, Inhaber befindet sich nicht in einer Notlage.

h) Alfriede Arronge, Herren- und Damenkonfektionen, Hermannstrasse 6.

Es wurden 2 Schaufensterscheiben und mehrere kleinere Scheiben zertrümmert. Schaden 900 RM, geschädigt ist der Hausbesitzer Röwekamp, Hermannstrasse 6, Schaden versichert wie zu f), auch der Versicherung gemeldet. Arbeiter und Angestellte werden nicht beschäftigt. Inhaberin (Ehefrau) ist Arierin. Sie führt das Geschäft weiter. Der Ehemann hat sich vor einigen Tagen erhängt. Familie befindet sich nicht in einer Notlage.

i) Louis Mosberg, Berufskleidung, Breitestrasse 44.

Inhaber Alfred Levy, Detmolderstrasse 104.

Zertrümmert wurden 2 Schaufensterscheiben, Schaden 1000 RM. Die 7 Angestellten des Geschäfts werden weiterbeschäftigt. Das Geschäft ist vor etwa 4 Wochen durch den Angestellten Borgstedt, Am Schildhof 5 (Arier) übernommen worden. Versichert bei der Vaterländischen Feuerversicherungssozietät auf Gegenseitigkeit, Rostock. Schaden gemeldet, Familie Levy befindet sich nicht in einer Notlage.

k) Rudolf Rose, Metzgerei, Hagenbruchstrasse 7, wohnhaft in Düren, Bergsstrasse 35.

Pächter Richard Rose, Hagenbruchstrasse 7.

Zertrümmert wurden 2 Schaufensterscheiben und mehrere kleinere Scheiben. Schaden 300 RM. Die beiden nichtarischen Angestellten werden in kürze erwerbslos. Verhandlungen betr. Arisierung sind bisher nicht durchgeführt. Schaden ist versichert wie zu f). Ist auch der Versicherung gemeldet. Familie des R. befindet sich nicht in einer Notlage.

l) Gottlieb Vogt, Lederhandlung, Ritterstrasse 75.

Inhaber Bernhard Buchholz, Stapenhorststrasse 35.

Zertrümmert wurde 1 Schaufensterscheibe und mehrere kleinere Scheiben. Schaden 260 RM. Das Geschäft wird in kürze geschlossen. Arbeiter oder Angestellte werden bis dahin beschäftigt. Versichert beim Deutschen Herold ''Nordstern'', Bielefeld, Herforderstrasse. Der Schaden ist auch gemeldet. Die Familie des V. befindet sich nicht in einer Notlage.

m) Adolf Heine, Öfen- und Eisenwaren, Ritterstrasse 57.

Inhaber Tekla Lieber, Ritterstrasse 57.

Es wurden 10 Schaufensterscheiben und mehrere Spiegelscheiben zertrümmert. Schaden 4000 RM. Beschädigungen an Waren 500 RM. Ein nichtarischer Angestellter wird erwerbslos. Seit 15.11.38 ist der Kaufmann August Petring, Sadowastrasse 34, Inhaber des Geschäfts. Schadenversicherung wie zu f), auch der Versicherung gemeldet. Familie befindet sich nicht in einer Notlage.

n) Louis Goldschmidt, Wäschegeschäft, Steinstrasse 6.

Inhaber Werner Goldschmidt, Steinstrasse 7.

Es wurde eine Schaufensterscheibe zertrümmert im Werte von 400-500 RM. Arbeiter oder Angestellte wurden nicht beschäftigt. Verhandlungen betr. Arisierung wurden nicht geführt. Schadenversicherung wie zu f). Der Schaden ist auch der Versicherung gemeldet. Die Familie des G. befindet sich nicht in einer Notlage. Der Inhaber und ein Bruder wurden in Schutzhaft genommen.

o) Martha Meyer, Strumpfhaus, Obernstrasse 30.

Inhaberin wie vor, Stapenhorststrasse 81. Zertrümmert wurden eine Schaufensterscheibe und die Fenstereinrichtung. Schaden 700 RM. Die 3 weiblichen Angestellten (arisch) werden weiterbeschäftigt. Die Inhaberin ist arisch. Im übrigen siehe zu a). Die Inhaberin befindet sich nicht in einer Notlage. Der Schaden ist versichert wie zu f).

p) Fritz Grünewald, Ross-Schlächterei, Gütersloherstrasse 72.

Es wurden 7 Fensterscheiben der Wohnung sowie eine Schaufensterscheibe zertrümmert. Höhe des Schadens etwa 40 RM. Arbeiter und Angestellte wurden nicht beschäftigt und Verhandlungen betr. Arisierung nicht eingeleitet. Nicht versichert. Die Familie befindet sich nicht in einer Notlage.

q) Max Langendorf, Altmöbelhandlung, Goldstrasse 5, Privatwohnung Güsenstrasse 2.

Es wurden 4 kleine Fensterscheiben zertrümmert, die einen Wert von etwa 8 RM haben. Niemand fremdes wird beschäftigt. Das Geschäft will L. vorläufig weiterführen, nicht versichert, die Familie befindet sich nicht in einer Notlage.

r) Witwe Berta Münz, An- und Verkauf getragener Kleidungsstücke, Oberntorwall 25, Privatwohnung Mittelstrasse 12.

2 Schaufensterscheiben, 7 kleine Scheiben, 2 Schaukästen und die Ladeneinrichtung wurden zertrümmert. Die Höhe des Schadens beträgt 1000 RM. Fremde wurden nicht beschäftigt. Verhandlungen betr. Arisierung nicht geführt. Der Schaden ist versichert bei der Schlesischen Feuerversicherungsgesellschaft in Dortmund u. Albinia Bielefeld. Die Versicherung hat Kenntnis. Vorläufig befindet sich die Familie nicht in einer Notlage, da der Unterhalt durch Ersparnisse bestritten wird.

3 und 4) Diese Fragen sind beantwortet in 2) a-r.

5) Zu der Synagoge gehörte noch ein zweistöckiges Wohnhaus, Turnerstrasse 7, in dem der Verwalter der Synagoge - Heine - mit Familie wohnte. Dieses Haus wurde zusammen mit der Synagoge abgebrannt, von ihm stehen nur noch die Umfassungsmauern. Eigentümer ist die Synagogengemeinde . Über die Höhe des entstandenen Schadens und die übrigen Fragen ist die Antwort in Ziffer 1) erteilt.

6) Die Wohnung des zu 5) Genannten im Verwaltungsgebäude zur Synagoge, Turnerstrasse 7 sowie die Wirtschaftsräume, in der Heine eine Gastwirtschaft auf eigene Rechnung betrieb, ist vollkommen ausgebrannt. Heine, der inzwischen in Schutzhaft genommen ist, sowie seine Frau und die Hausgehilfin (Jüdin) haben nur das nackte Leben retten können. Verbrannt sind Möbel, Wäsche, Kleidungsstücke sämtlicher Personen. Frau Heine befindet sich z.Zt. bei ihrem Schwager Max Sieger, Kavalleriestrasse 16. Dort ist auch die Hausgehilfin untergebracht. Frau Heine und die Hausgehilfin sind ohne Einkommen und Barmittel. Unterstützt werden sie durch Sieger. Der Schaden, der Heine entstanden ist, ist bei der Allgemeinen Feuer-Allianz versichert und dieser auch gemeldet. Der Schaden ist allerdings noch nicht abtaxiert.

7) Fehlanzeige

8) Gestohlen wurden:

I. Bei der Firma Koch, Niedernstrasse 18, Herrenbekleidungsstücke, von denen ein Teil wieder zurückgegeben bezw. sichergestellt wurde. Die Vorgänge sind an die Stapo geleitet.

II. Firma Adolf Heine, Ritterstrasse, dort wurden mehrere Haushaltungsgegenstände gestohlen im Werte von etwa 70 RM. Täter sind unbekannt.

III. Firma Berta Münz, Oberntorwall 25, dort wurden Herrenbekleidungsstücke und eine Schreibmaschine mitgenommen. Wert der gestohlenen Sachen etwa 1000 RM. Die Täter sind noch unbekannt.

9) An Waffen wurden freiwillig abgegeben von :

Arzt Max Mond, Herforderstrasse 43: 1 Selbstladepistole 7,65 mm mit 37 Schuß Munition,
Kaufmann Julius Landauer, Niederwall 14b, 1 Seitengewehr,
Witwe Tekla Cosmann, Lützowstr. 11, 2 Kavalleriedegen, 1 Seitengewehr, 1 Dolch und 2 Trommelrevolver,
Willi Hauptmann, Niedernstrasse 26: 1 Seitengewehr,
Dr. Bernhard Mosberg, Koblenzerstrasse 4: 1 Schläger, 1 Degen, 1 Mauserpistole mit Tasche, 1 Trommelrevolver, 1 Tesching und 1 Dolch.

10) In der Synagoge soll Archiv- und auch noch anderes Material vorhanden gewesen sein. Es soll auch sichergestellt sein. Darüber kann von hier aus aber nichts Positives gesagt werden. Wo es sich befindet, ist hier ebenfalls nicht bekannt.

11) Im Verwaltungsgebäude zur Synagoge wurde eine Partie Flaschenweine vorgefunden und sichergestellt. Inzwischen ist die Rückgabe an Frau Heine - der Mann befindet sich im K.Z.-Lager - durch das 2. Revier erfolgt.

12) Diese Frage ist jeweils in den Antworten zu den Fragen 1) und 2) a-r beantwortet.

13) Wie zu 12).

14) In der Bielefelder Bevölkerung ist das Verständnis für die Bekämpfung des Judentums unbedingt vorhanden, auch wird es allgemein als selbstverständlich hingenommen, wenn, um die Juden unschädlich zu machen, außerordentlich scharfe Maßnahmen zur Anwendung kommen. Gegen die Zerstörung der Synagoge ist im großen und ganzen auch nicht viel eingewendet worden. Die Art des Vorgehens gegen jüdische Geschäfte aber - Einschlagen der Schaufensterscheiben usw. - und damit eine Vernichtung von Sachwerten, die über kurz oder lang doch in arischen Besitz übergegangen wären, ist allgemein nicht verstanden worden. Mit Kopfschütteln und z.T. eisigem Schweigen wurde dieser Tatbestand hingenommen. Des Weiteren war in der Bevölkerung auch sofort bekannt, daß es sich hier nicht um eine spontane Entrüstung des Volkes gehandelt hat, sondern, daß hier ein Vorgang zur Auslösung kam, der organisiert war.

Abfällige Äußerungen wurden nicht gehört, wohl aber der Unwille in oben angegebener Form offensichtlich zum Ausdruck gebracht. Die Bevölkerung hat anhand von Vorgängen sich ihr eigenes Urteil gebildet. Sie wird daher m.E. anderslautenden Berichten weniger oder gar keinen Glauben schenken, eine Auswirkung, die zweifelsohne sich in späteren Fällen anderer Art nachteilig bemerkbar machen könnte.

Baum wird geladen...