Berichte ans Hauptschulungsamt
Das NSDAP Hauptschulungsamt fasst am 18. Januar 1939 folgende „Auszüge aus den Berichten zur weltanschaulichen Lage und den Tätigkeitsberichten an das Hauptschulungsamt“ zum Pogrom zusammen:
Juden
Gau Halle-Merseburg
Unabhängig von der sozialen Stellung der Kritiker sind ''Bedenken'' geäußert worden, etwa folgender Art:
1) ''Einen Denkzettel an die Juden hätte nur die Regierung erteilen sollen.''
2) Die Zerstörung von Synagogen wird in Beziehung gebracht zu den Sammlungen von Altmaterial im Zuge des Vierjahresplanes.
3) ''Die Synagogen seien Gotteshäuser und beanspruchen Respektierung.''
4) ''Es wären bei der Vergeltungsaktion Unschuldige und die Falschen getroffen worden.''
5) ''Die Auslandsdeutschen würden das büßen müssen.''
Es seien einige Berichte zu dieser Frage zitiert:
Bericht des Ortsgruppenleiters Eilenburg-Nord, Kreis Delitzsch
''Die Protestaktion an Anlaß des Mordes durch den Juden Grünspan [sic] wurde von vielen Volksgenossen nicht verstanden und darum abgelehnt. Man meinte, die zerstörten Werte (Fensterscheiben, Waren usw.) hätten erhalten bleiben können, gerade jetzt, wo das Material knapp sei. Man machte auch wieder den bekannten Unterschied zwischen ''guten'' und ''schlechten'' Juden, bewies also damit klar, daß ein Verständnis für die Judenfrage noch nicht vorhanden war.''
Bericht des Ortsgruppenleiters Gotha, Kr. Delitzsch:
''Die Vorgänge im Zusammenhang mit der jüdischen Mordtat in Paris haben nicht überall volles Verständnis gefunden. Man versteigt sich zu der Äußerung: ''Das will der Führer bestimmt nicht.''
Diese Tatsache, Hand in Hand mit der Feststellung, daß von 1934-38 noch unzählige Deutsche bei den ortsansässigen Juden ihre Einkäufe getätigt haben oder sich von jüdischen Ärzten behandeln ließen, beweist zur Genüge, daß die weltanschauliche Haltung noch lange nicht gefestigt ist. Es wird sich [sic] eine vertiefte Schulung über die Judenfrage in weiterem notwendig machen. Nicht nur Rundfunk, und Presse, sondern auch Film und alle anderen Sektoren der Erziehung und Menschenführung müssen in die Aufklärungsarbeit eingespannt werden. Eine immerhin bemerkenswerte Tatsache läßt sich aus den Berichten über die Meinung des breiten Volkes zur Judenfrage feststellen; nämlich die, daß weite Kreise die moralische Berechtigung und Autorität des Staates und seiner Maßnahmen noch unbedingt über diejenigen der Partei stellen und damit jegliches politisch-reife Denken vermissen lassen. Auch diesbezüglich wird weitere Schulungsarbeiten notwendig sein.
Gau Hessen-Nassau
Daß die Geistlichen der katholischen und der Bekennenden Kirche - mancherorts kreisweise geschlossen - für die Juden gebetet, auch aktive Hilfe geleistet haben, sei am Rande vermerkt.
Gau Schlesien
Die Aktion gegen die Judenschaft des deutschen Reiches ist in den Kreisen der Partei nahezu vollkommen positiv aufgenommen worden. Dagegen ist ihre Beurteilung innerhalb des deutschen Volkes recht zwiespältig. Ein großer Teil der Volksgenossen wendet sich gegen diese Aktion mit dem Hinweis, auf die Zerstörung wirtschaftlicher Sachwerte. Man kann und will nicht einsehen, daß auf der einen Seite von der NSV die geringfügigsten Gegenstände gesammelt werden, während andererseits durch die Judenaktion Güter von größten Ausmaßen der Vernichtung anheim gefallen sind.