Bericht aus Neustadt
Das Bezirksamt Bad Neustadt/Saale berichtet am 31. Oktober 1938:
Folgenden Vorfall möchte ich noch Erwähnung tun:
Am 8. Oktober haben sich drei Mitglieder der Kreisbauernschaft nämlich Stabsleiter Bär, der Angestellte Schnee und der Bürgermeister von Braidbach in das Anwesen des jüdischen Fellhändlers Louis Brunngässer in Bad Neustadt begeben, um das dortige Häute- und Fellager für Zwecke der Reichsgetreidegesellschaft zu beschlagnahmen.
Wie vom Lagerhaus Bad Neustadt mir ohne weiteres erklärt wurde, war bezeichnetes Häutelager zur Einlagerung von Getreide völlig ungeeignet. Sowohl wegen des starken Geruchs, wie auch wegen der damit verbundenen Rattenplage, vor allem deshalb mit scharfen giftigen Salzen behandelt werden. Abgesehen davon, daß Vertreter der Kreisbauernschaft sich diese Gründe von vornherein selbst hätten zu eigen machen müssen, wurde verlangt, daß das Lager bis Montag den 10. Oktober geräumt sein müsse. Wie durch das Zeugnis des bei Brunngässer beschäftigten arischen Arbeiters Max Seufert klar erwiesen ist, hat sich Brunngässer in keiner Weise gesträubt. Gleichwohl wurde er mit Schimpfworten, Verbrecher, Lump, Zigeuner, Gauner überschüttet und als jener dann flüchten wollte, gab ihm Schnee mit der Faust einen Schlag in das Gesicht, sodaß ihm die Nase blutete.
Infolge des heftigen Schlages flog Brunngässer in das Salzlager, wo dann der Bürgermeister von Braidbach, nochmals mit der Faust auf ihn einschlug, wodurch Br. einen starken Bluterguß unter dem linken Auge erlitt. Brunngässer suchte dann Hilfe beim Bezirksamt, wohin ihm Schnee nachfolgte.
Da ich bereits zu einer Dienstversammlung der Gendarmerie unterwegs war, konnten mich beide Leute nicht antreffen. Nach Aussage des Bezirksamtswarts Rauh hat sich aber Schnee derart überlaut dort aufgeführt, daß Rauh sich veranlaßt sah, beide aus dem Bezirksamtsgebäude zu verweisen.
Ich habe den Vorfalle mit Kreisleiter Ingebrand der dortmals auswärts war, nach dessen Rückkunft besprochen, worauf Kreisleiter Ingebrand und ich dem Stabsleiter Bär in nicht mißzuverstehender Weise das Ungehörige ihres Verhaltens ausdrücklich vorhielten. Schnee, der an diesem Tage nicht anzutreffen war, wurde von Kreisleiter Ingebrand in schärfster Weise verwarnt wobei ihm bei künftiger Zuwiderhandlung neben Schutzhaft Ausschluß aus der Partei und Entlassung von seiner Dienststelle angedroht wurde.