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Chronik und Quellen
1938
September 1938

Bericht aus Würzburg

Der Regierungspräsident Mainfranken berichtet am 10. Oktober 1938 über den September aus Würzburg:

Allgemeine politische Lage [...]

Auf der anderen Seite muß aber hervorgehoben werden, daß auch in der größten Spannungszeit die allgemeine Haltung würdevoll war und daß sich letzten Endes doch immer wieder das Vertrauen zum Führer und der Gedanke durchsetzte, daß er auch diese schwere Lage meistern werde und daß er der Unterstützung seines Volkes sicher sein kann. Der Abschluß des Münchner Abkommens hat diese Erwartung bestätigt und das Vertrauen in die sichere Staatsführung des Führers befestigt.

In der Spannungszeit konnte man die Wahrnehmung machen, daß die Juden beweglich wurden und frohe Gesichter zeigten. Einzelne Juden scheuten auch nicht zurück, ihrer Schadenfreude und ihrer Hoffnung auf eine Wendung der Dinge Ausdruck zu geben. So äußerte sich ein jüdischer Weinhändler in Kleinlangheim, der sein Anwesen zu verkaufen beabsichtigte und bisher keinen Käufer fand, daß er überhaupt nicht mehr verkaufen werde, da wieder andere Zeiten kämen. In Unsleben, BA Bad Neustadt a.d. Saale, gebrauchte gegenüber Sudetendeutschen ein jüdischer Likörfabrikant Äußerungen wie: ''Das Rad, das so rumgeht, kann auch wieder anders herumgehen. Wenn es Krieg gibt, wird manchem der Kopf herumgedreht werden''. Die Folge dieser Äußerungen war, daß das Hoftor des Juden erbrochen und er selbst von den Eindringenden verprügelt wurde. In Gaukönigshofen wurden bei verschiedenen jüdischen Anwesen die Fenster eingeworfen. In gleichartigen Ausschreitungen hat sich die Erbitterung der Bevölkerung gegen die Juden auch anderwärts Luft gemacht.

In Mellrichstadt wurde am Abend des 30. September das Innere der Synagoge (Bänke, Kultgegenstände, Kronleuchter usw.) vollständig zertrümmert. Die Täter konnten nicht festgestellt werden. Es hat den Anschein, daß der erste Angriff von einigen wenigen Personen gemacht wurde und daß dann Verschiedene aus der sich inzwischen angesammelten Menschenmenge am Zerstörungswerk mitgewirkt haben. In dem Tuchgeschäft Mantel wurden die Schaufenster eingeschlagen und die Auslagen geplündert. Außerdem wurden in vier Judenwohnungen die Fenster eingeworfen. Möglicherweise hat die Äußerung eines Juden: ''Wenn ein Sudetendeutscher eine Ohrfeige bekommt, werden gleich ganze Zeitungen vollgeschmiert'', den Anlaß zu diesen bedauerlichen Ausschreitungen gegeben.

Gleiche Gedankengänge wie bei den Juden konnten im Amtsbezirk Würzburg auch bei ehemaligen Sozialdemokraten und Kommunisten festgestellt werden, die hofften bei einem Krieg im Trüben fischen zu können.

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