Bericht des Gestapa
Am 27. Juni 1938 verfasst das Berliner Gestapa folgenden Bericht:
1. Attentatspläne in jüdischen Kreisen
Die neuaufflammenden Boykottmaßnahmen gegen das Judentum haben eine starke Bewegung in den jüdischen Kreisen in Berlin hervorgerufen. Die Juden haben allgemein erkannt, daß das vorangegangene Nachlassen in der Judenfrage nicht ein Gesinnungswechsel des Deutschen Volkes war, sondern nach Ansicht maßgeblicher jüdischer Kreise nur eine von der NSDAP diktierte Zurückhaltung darstellte. Seit Beginn der Aktion wird in jüdischen Kreisen die Durchführung und Zweckmäßigkeit von Attentaten auf führende politische Persönlichkeiten besprochen. Der Vorsitzende des ''Landesverbandes Deutscher Juden'' Dr. Bruno Glaserfeld , Berlin W 30, Martin Luther Str. 11 wohnhaft, hat sich in gleichgesinnten Kreisen gegen die bisher geleistete illegale Arbeit ausgesprochen, da sie jede Umsturzmöglichkeit ausschließe. Er verbreitet dagegen die Ansicht, daß schlagartig einsetzende Bombenattentate auf NS-Führer-Zusammenkünfte, wie z.B. Reichstagssitzungen, Gautagungen, Reichsparteitag usw. eine eindrückliche Antwort des Weltjudentums auf die Judenhetze sein dürfte. Unabhängig von der Stellungnahme des Glaserfeld wurden von dem jüdischen Vertreter Günther Salter, Berlin W 30, Freisingerstr. 14 wohnhaft, ebenfalls Attentate als politische Kampfmittel gegen das Dritte Reich als allein wirkungsvoll angesprochen. So hat er in seinen Kreisen die Beobachtung der häufig benutzten Straßenzüge, z.B. der Fahrt des Führers zum Flughafen, Geburtstag des Führers, Ansammlungen vor der Reichskanzlei, als erste Aufgabe empfohlen. Nach eingehender Beobachtung empfiehlt Salter weiter, das Mieten einer Wohnung bezw. Zimmers, um von dort aus aktiv vorgehen zu können. Als besonders günstige Gelegenheit bezeichnete Salter die Rückkehr des Führers aus Italien, als er durch völlig verdunkelte Straßenzüge und besonders angestrahlt durch Scheinwerfer zur Reichskanzlei fuhr. Eine solche Gelegenheit dürfe nicht wieder ungenutzt bleiben, zumal dem Täter durch völlige Verdunkelung sogar noch Fluchtmöglichkeiten gegeben waren.
Einstimmig wird von Glaserfeld und Salter erklärt, daß es sich nicht um Spinnereien handelt, sondern, daß diese Pläne aus der verzweifelten Lage der europäischen Juden entstanden seien. Die sinkende Herrschaft der europäischen Juden glaube man nur auf diese Weise zum Stehen zu bringen.