Der SD-Unterabschnitt Koblenz berichtet
Am 20. Mai 1938 verfasst der SD-Unterabschnitt Koblenz folgenden Bericht:
Nach den hier zur Verfügung stehenden Vorgängen bestehen im hiesigen Gebiet folgende zionistische Vereinigungen:
1) Zionistische Vereinigung Koblenz: 1. Vorsitzender: Leo Hermann, Kaufmann, Koblenz, Hohenzollernstr. 82, geb. am 2.4.84 in Obertiefenbach. Kassierer und Schriftführer: Walter Cohn, Koblenz, Rizzastr. 27. Mitgliederzahl (Stand vom 1.1.38) = 35.
2) Zionistische Vereinigung Bad Kreuznach: Vorsitzender: Arthur Sommer, Kaufmann, geb. am 26.4.97 in Kreuznach, wohnhaft Kreuznach, Hochstr. 42. Schriftführer: Robert Kuhn, Kaufmann, geb. 26.3.06 in Mannheim, wohnhaft in Bad Kreuznach, Traubenstr. Mitgliederzahl (Stand vom 1.12.37) = 13.
3) Zionistische Vereinigung Mayen: Vorsitzender: Albert Levy, geb. am 26.1.79 zu Hofgeismar, Lehrer, wohnhaft in Mayen, Hombrichstr. 11. Schriftführer: Hermann Cohn, Kaufmann, geb. am 13.1.88 in Wünnenberg, Krs. Büren, wohnhaft in Mayen, Brückenstr. 29. Mitgliederzahl (Stand vom 1.1.38) = 12.
4) Zionistische Vereinigung Vallendar/Rhein: Vorsitzender: Hugo Neumann, geb. am 20.7.07 in Burgreppach, wohnhaft in Vallendar, Löhrstr. 56. Mitgliederzahl (Stand vom 1.4.38) = 19.
Diese ''Zionistischen Vereinigungen'' führten früher die Bezeichnung ''Zionistische Ortsgruppe''. Sie sind alle der ''Zionistischen Vereinigung für Deutschland '', Sitz in Berlin, angeschlossen.
Infolge des kurzen Termins konnten die Führer der einzelnen Vereinigungen nicht gehört werden. Der Leiter der Vereinigung Koblenz ist z.Zt. von hier abwesend, und [es] wird nach dessen Rückkunft eine Vernehmung durchgeführt.
Unter Bezeichnung ''Staatszionistische Vereinigung '' sind im hiesigen Gebiet keine Gruppen bekannt geworden.
In Koblenz besteht seit 1934 die zu den Jugend- und Sportorganisationen zählende Vereinigung ''Habonim noar Chaluzi, Agudah Koblenz'' (übersetzt in deutsch: ''Bauleute der Jünger und Pioniere, Arbeitskreis bezw. Ortsgruppe Koblenz''). Zur Zeit wird diese Vereinigung von dem Buchdruckerlehrling Adolf Bernd, geb. am 10.8.21 in Koblenz, wohnhaft zu Koblenz, Löhrstr. 123 geleitet. Wegen Abwesenheit des Vorsitzenden der ''Zionistischen Vereinigung Koblenz'' wurde dieser am 19.5.1938 vernommen. Die Ortsgruppe des ''Habonim noar Chaluzi'' teilt sich in zwei Gruppen und zwar
a) in eine jüngere Gruppe, die lediglich die Jungen im Alter von 10 bis 13 Jahren umfaßt, die die Bezeichnung ''Maapilim'' (Jüngere) führt
b) in eine Gruppe der Jungen und Mädels im Alter von 14 bis 17 Jahren mit der Bezeichnung ''Solelim'' (Mittlere).
In den Jahren 1934 bis 1936 bestand noch eine weitere Gruppe in Koblenz unter der Bezeichnung ''Hechaluz '', die nach dem Sachaktenplan unter die Umschulungsorganisationen zu rechnen ist. Dieser Gruppe gehörten Personen über 18 Jahre an (Hechaluz = Pionier) u.a. aus den Gemeinden Koblenz, Vallendar, Boppard, St. Goar, Dierdorf, Lehmen, Oberbieber und Neuwied. Infolge Verzuges des Leiter Herbert Scheye, Vallendar, Löhrstr. 1 wurde die Gruppe aufgelöst und ist bis heute nicht wieder in Erscheinung getreten. Die Mitglieder aus Koblenz schlossen sich der ''Zionistischen Vereinigung Koblenz'' an.
Der Beitrag der beiden vorbezeichneten Gruppen beträgt 0,30 Pfg. pro Monat und wird, soweit er nicht für eigene Bedürfnisse der Ortsgruppe verwandt wird, der ''Galilleitung'' (Bezirksleitung) in Köln, Cäcilienstraße 18/22 überwiesen. Die zentrale Stelle = Bundesleitung befindet sich in der Berlin W 15, Meinekestraße. Der Bund führt die Bezeichnung ''Jüdischer Jugendbund 'Habonim noar Chaluzi'''. Die örtlichen Gruppen unterstehen den örtlichen zionistischen Vereinigungen, ohne jedoch eine laufende Weisung und Richtung für die innere Tätigkeit zu erhalten.
Die beiden Jugendgruppen haben an jedem Samstag in den Räumen der Synagogengemeinde Koblenz, Florinsmarkt 11, Zusammenkünfte. Die Gruppe ''Maapilim'' von 15.30 bis 17.00 Uhr und die Gruppe ''Solelim'' von 20.30 bis 22.00 Uhr. Diese Zusammenkünfte werden folgendermaßen ausgestaltet: Die jüngere Gruppe wird mit Spielen und Lernen von hebräischen Liedern beschäftigt, weiterhin werden sie mit dem zionistischen Gedankengut vertraut gemacht mit dem Ziele, für die spätere Auswanderung den Boden vorzubereiten. In der älteren Gruppe werden in der Hauptsache Vorträge gehalten, Vorlesungen bekanntgegeben und auch Situationsberichte von Personen, die bereits in Palästina waren, erteilt. Einen solchen Bericht wird der vor einigen Tagen von einer Reise in Palästina zurückgekehrte Jude Hans Hermann, Koblenz, Hohenzollernstraße 82 - Sohn des Leiters der Zionistischen Vereinigung Koblenz - voraussichtlich am 21.5.38 halten.
Ein Teil der eingehenden Beiträge wird zur Finanzierung von Fahrten der Führer zu Tagungen und zur Finanzierung von Zusammenkünften der Angehörigen der Gruppen allgemein verwandt. Die Führertagungen werden unregelmäßig je nach Erfordernis und von der Bezirksregierung Köln einberufen. Die Tagungsorte sind verschieden. Die letzte Tagung fand im März oder April in Düsseldorf statt. Die allgemeinen Zusammenkünfte der Mitglieder fanden bisher u.a. im Großjüdischen Jugendheim in Essen - das eine Hirschstiftung ist - statt, in dem sich Angehörige der verschiedensten jüdischen Jugendgruppen treffen. In der Vorbereitungsstelle für Palästina, Urfeld b/Bonn, in der hauptsächlich jüngere Personen vorbereitet werden, finden ebenfalls Zusammenkünfte statt, in denen Vorträge gehalten werden und die nur einen Tag dauern.
Im hiesigen Bereich bestanden die Vereinigungen ''Jüdische Nationale Jugend Herzlia (Betar )'' und ''Brith Haschomrim'' nicht. Umschulungslager sind nach den bisherigen Ermittlungen im hiesigen Bezirk ebenfalls nicht vorhanden. Weiterhin sind keine Umschulungsorganisationen bekannt geworden. Hierbei wird jedoch auf das frühere Bestehen der Vereinigung ''Hechaluz'' - wie vor erwähnt - verwiesen. Weiterhin ist die in den Gruppen ''Habonim noar Chaluzi'' regelmäßig ausgeübte Tätigkeit fast als reine Arbeit im Sinne der Umschulungsorganisationen zu werten.
Juden, die bisher umgeschult wurden, nahmen in der Regel an Kursen der verschiedensten Anstalten in der Nähe Berlins teil. Weiterhin wird das bereits erwähnte Umschulungslager Urfeld b/Bonn in Anspruch genommen.
Nach den bisherigen Feststellungen wird die Zeitung ''Das jüdische Volk'' hier nicht gelesen. Schriftleitungsmitglieder der Zeitung sind hier nicht bekannt.
Nach Rückkehr des Leiters der Zionistischen Vereinigung Koblenz, Leo Hermann, wird eine Vernehmung desselben vorgenommen. Das Ergebnis dieser Vernehmung sowie weitere inzwischen evtl. getroffene Feststellungen werden weiter berichtet.