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Chronik und Quellen
1933
August 1933

Bericht aus Dettingen

Die Gendarmerie Dettingen berichtet am 30. August 1933:

Betreff: Schwere Judenmißhandlungen in Hörstein durch SS Männer

Am 28. August 1933 abends gegen 9 Uhr wurden in Hörstein der verheiratete Metzger Moritz Löwenthal und der ledige 19 Jahre alte Student Sigfried Rothschild und der ledige Kaufmann Arthur Hecht von dort von 6 SS Leuten aus Aschaffenburg schwer mißhandelt.

Nach den Feststellungen des Herrn Dr. Schlicht von Kahl ist Löwenthal der Unterkiefer zerschmettert, mehrere Zähne sind gelockert, das rechte Auge ist vollständig mit Blut unterlaufen, es sieht dies aus wie ein Blutfleck, außerdem hat er am Rücken 10-12 blutunterlaufene Striemen.

Rothschild und Hecht haben im Gesicht und am übrigen Körper ebenfalls schwere Verletzungen.

Die Sache hat sich wie folgt zugetragen:

''An jenem Tage - Kirchweihmontag - kamen in den Tanzsaal der Gastwirtschaft 'Zum Ritter' in Hörstein abends etwa 8 3/4 Uhr mehrere SS Leute und holten die dort anwesenden Hecht und Rothschild heraus. Sie verbrachten diese in einen vor der Wirtschaft stehenden Personenwagen und fuhren sie aus der Ortschaft hinaus in Richtung Dettingen. Außerhalb der Ortschaft blieb das Auto halten [sic] und die SS Leute zerrten die beiden seitwärts ins Feld. Hier mußten sie sich auf den Bauch legen und die SS Leute knieten sich auf deren Rücken und schlugen mit Gummiknüppel auf diese ein. Alsdann gingen 5 SS Männer zu dem Auto zurück und einer blieb als Posten bei den Mißhandelten. Der Zurückbleibende erklärte den Juden, wenn sie aufstehen und sich entfernen würden, würden sie von ihm niedergeschossen. Dabei hielt er ihnen die Pistole vor die Brust, mit dem Bemerken: 'Ihr müßt jetzt warten, bis die anderen kommen, dann werdet ihr doch erschossen.' Die übrigen SS Leute fuhren in die Ortschaft zurück und holten den Metzger Löwenthal aus seiner Wohnung. Derselbe war nur mit Hose bekleidet und mußte, ohne sich zuvor anziehen zu dürfen, ins Auto einsteigen. Schon im Auto wurde er mit Gummiknüppel geschlagen. Sie fuhren mit ihm an die gleiche Stelle, wo sie zuvor die beiden anderen Juden mißhandelt hatten und wo diese noch am Boden lagen. Hier wurde mit Gummiknüppel auf ihn eingeschlagen und als er um Hilfe schrie, erhielt er einen Schlag auf den Mund, so daß ihm der Unterkiefer zerschmettert und einige Zähne eingeschlagen wurden. Auch bekam er einen Knüppelschlag auf das rechte Auge, welches ganz mit Blut unterlaufen ist, und 10-12 schwere Schläge auf den Rücken. Infolge des Kieferbruches konnte Löwenthal den Mund nicht mehr schließen und er war überhaupt fürchterlich zugerichtet. Er wurde nachmittags gegen 3/4 Uhr in das Krankenhaus Aschaffenburg eingeliefert.

Nach den in Aschaffenburg gemachten Feststellungen gehörte das fragl. Auto der Gasanstalt Aschaffenburg, das nur von dem SS Mann [N.N.a] dortselbst gesteuert wird. Es wurde weiter festgestellt, daß das Auto mit einem Probefahrtkennzeichen II U -0214 versehen wurde und daß der vorgenannte [N.N.a] auch das Auto nach Hörstein gesteuert hat. Als weitere Beteiligte waren gestern Abend noch ein gewisser [N.N.b] und ein gewisser [N.N.c], beide Aschaffenburg ermittelt.

Wie festgestellt, waren die SS Leute mit Pistole, Seitengewehr und Gummiknüttel bewaffnet.

Nachdem sie Löwenthal auch mißhandelt hatten, fuhren sie vom Tatort aus in Richtung Dettingen bezw. Aschaffenburg weiter.

Nach den weiteren Feststellungen besteht dringender Verdacht, daß der verh. Händler und SS Mann Konrad Vogt von Hörstein mit der Sache zusammenhängt, bezw. der Veranlasser des Überfalles ist.

Er hat schon am 23.8.33 in einer Friseurstube in Hörstein gesagt, daß an Kirchweih SS Leute aus Aschaffenburg kommen und die Juden aus dem Saale werfen würden. Weiter ist festgestellt, daß Vogt und der 20jährige SS Mann [N.N.c] von Hörstein sich mit den SS Leuten von Aschaffenburg unterhalten haben. [N.N.c] ging auch mit den SS Leuten in den Saal und zeigte diesen den Hecht und Rothschild.

Es wurde gestern nachmittag Vogt wegen Verdachts des Mittäterschaft bezw. Anstiftung verhaftet. Er mußte jedoch auf Anordnung der politischen Polizei München wieder aus der Haft entlassen werden.

Der SS Führer Jehl von Aschaffenburg verlangte schon am Nachmittage unter allen Umständen die Haftentlassung des Vogt. Er sagte bei seiner Forderung, daß, wenn Vogt nicht entlassen werde, dies schlimme Folgen nach sich ziehen werde. Die Entlassung wurde abgelehnt und Jehl sagte darauf, daß er nun weitergehen werde.

Nun kam am Abend der Befehl von der politischen Polizei, daß Vogt doch entlassen werden müsse, obwohl Herr Sonderkommissar Stollberg von Aschaffenburg der politischen Polizei den Sachverhalt klargelegt hatte.

An den Herrn Oberstaatsanwalt für den Landgerichtsbezirk Aschaffenburg ist Anzeige erstattet. Auch gegen Jehl habe ich auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Versuchs der Beamtennötigung erstattet.

gez. Felix Müller

Gend. Kommissär

Anfügen muß ich noch, daß die SS Leute, als sie in die Wohnung des Löwenthal kamen, sagten, er solle gleich mitkommen, er komme nach Dachau.

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