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Chronik und Quellen
1939
Juli 1939

Bericht aus Stuttgart

Der SD-Unterabschnitt Württemberg-Hohenzollern erstattet folgenden Bericht für April bis Juli 1939:

Judentum

Allgemeine Lage

Die Judenheit des Abschnittsbereichs vermindert sich fortlaufend sehr stark. Durchschnittlich kann mit einer Abwanderung von 150 Personen monatlich gerechnet werden. Der Stand der Juden betrug am 1.5.39 5.624 Personen, während noch am 1.12.38 6.389 Personen gezählt wurden. Die im Vordergrund stehende Frage ist die Planung einer möglichst schnellen und verlustarmen Auswanderung .

 

Innerjüdisches Leben

Der Zerfall auch des jüdischen Religionslebens schreitet unaufhaltsam vorwärts, noch im Monat Juli werden sämtliche isr. Religionsgemeinden vom isr. Oberrat, Stuttgart aufgelöst werden und mit der jüdischen Religionsgemeinschaft Stuttgart zu einer Großgemeinde Stuttgart zusammengeschlossen. Die jüdischen Schulen gehen gleichfalls ständig zurück, sowohl durch die Auswanderung der Schüler, welche in der Hauptsache nach England vor sich geht, als auch durch die äußerst geringe Geburtenzahl innerhalb der Judenschaft des Abschnittsbereichs. Das Verhältnis jüdischer Personen im Alter bis zu 25 Jahren, zu Personen über 15 Jahren ist 1:15.

 

Auswanderung

Die Auswanderung der Juden wird von der hiesigen Dienststelle seit 1.4.39 planmäßig gelenkt. Im Monat April wurde die ''Jüdische Auswanderungsstelle'' für Württ. und Hohenz. gegründet, in welcher z.Zt. 18 jüdische Personen hauptamtlich in Auswanderungsangelegenheiten beschäftigt sind und unter der ständigen Kontrolle des UA stehen. Diese Auswandererstelle wurde allein im Monat Mai von 980 Personen, im Monat Juni von bereits 1.197 Personen besucht.

Der Stand der Auswandererabgabe, welche der Jude, der das Reichsgebiet verläßt, zur Verfügung der jüdischen Auswandererstelle abzuliefern hat, betrug Ende Juni 1939 RM 318.022. Es wurde erreicht, daß das Nordamerikanische Generalkonsulat Stuttgart und das Großbritannische Generalkonsulat in Frankfurt/M. in Auswanderersachen auf die jüdische Auswandererstelle in Stuttgart verweisen.

Ausgewanderte Juden schicken Stimmungsbericht aus ihren Zielländern; hinterlassene Adressen von ausländischen Verwandten der Juden werden zur Aufnahme von Verbindungen zwecks Stellung von Bürgschaften usw. verlangt. Leider kann das gezeigte Interesse am Austausch von Grundstücken deutscher Farmer in Übersee mit entsprechenden Grundstücken im Reichsgebiet noch nicht berücksichtigt werden, da alles an den bestehenden Devisengesetzen scheitert. Für die nächste Zeit ist geplant, jedem Juden zur Auflage zu machen, sich einem Auswanderungsfinanzierungsplan auszufertigen und zur Begutachtung vorzulegen.

 

Sonstiges

Es ist bemerkenswert, daß von einer Kriegspsychose in jüdischen Kreisen des Abschnittsbereichs nichts zu spüren ist.

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