Bericht aus Ansbach
Am 8. Juni 1939 erstattet der Regierungspräsident Ober- und Mittelfranken in seinem „Monatsbericht“:
Juden
1) Versammlungen und sonstige Veranstaltungen jüdischer Vereine und Organisationen haben im Berichtsmonat nicht stattgefunden.
2) Die Auswanderung der Juden hat sich auch im Monat Mai 1939 auf der Höhe der beiden Vormonate gehalten. Allerdings ist bemerkenswert, daß ein Teil der jüdischen Auswanderer die endgültige Einwanderungserlaubnis noch nicht bekommen konnte und daher genötigt ist, in einem anderen Land, in den meisten Fällen kommt hier England und Cuba in Frage, einen Zwischenaufenthalt zu nehmen. Im Mai 1939 sind insgesamt 213 Juden gegenüber 212 im Vormonat aus dem Regierungsbezirk in das Ausland abgewandert.
3) Gegen 36 im Ausland wohnende jüdische Emigranten wurde Antrag auf Aberkennung der deutschen Reichsangehörigkeit gestellt.
4) Der in Eichstätt ansässige Jude Schimmel wurde wegen Devisenschiebungen zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 3 1/2 Jahren und einer Geldstrafe von 72.000 RM verurteilt.
5) Wegen Rassenschande erhielten die Juden Raphael, Rau und Davidsohn, sämtliche aus Nürnberg, Zuchthausstrafen von 9 und 7 Jahren.
6) Die Jüdin Steinbock von Burgkunstadt, LK . Lichtenfels, früher polnische Staatsangehörige, jetzt staatenlos, hat am 13. und 14.4.1939 in München mit einem arischen kaufmännischen Angestellten Wendt Rassenschande getrieben. Wendt wußte angeblich nicht, daß Steinbock Jüdin sei. Er wurde auf Anordnung des Amtsgerichts Coburg mit Einverständnis des Oberstaatsanwalts wieder auf freien Fuß gesetzt. Steinbock befindet sich noch in Haft.
7) Wegen Verstoß gegen die Devisengesetze wurde der Jude Sacki von Bamberg auf Anordnung der Zollfahndungsstelle Nürnberg in Haft genommen.
8) Die Eheleute Oppenheimer aus Lichtenfels wollten am 15.5.1939 nach England und dann nach Amerika auswandern. Die Packerlaubnis war bereits von der zuständigen Stelle erteilt. Während des Einpackens versuchten die Eheleute Oppenheimer, nicht angemeldete Wertgegenstände einzuschmuggeln. Sie wurden dabei ertappt und sofort von den Zollbeamten verhaftet und in das Landgerichtsgefängnis Coburg eingeliefert, wo die sich heute noch befinden. Die Gegenstände, Gold-, Silber- und Schmucksachen, ferner 7 neue Photoapparate, 1 goldene Taschenuhr, 2 neue versenkbare Nähmaschinen, 1 Schreibmaschine, 1 Persianer-Damenmantel u.a., haben einen Wert von rund 10.000 RM. Sie wurden von der Zollbehörde sichergestellt. Oppenheimer brachte dem Oberstaatsanwalt gegenüber vor, er wolle die Strafe, in Geldstrafe umgewandelt, bezahlen. Er würde diesen Betrag von seinen reichen Verwandten aus Amerika bekommen. Soviel in Erfahrung gebracht wurde, wurde Oppenheimer eine Buße von 20.000 Dollar auferlegt. Die Eheleute Oppenheimer baten dann telegraphische ihre Verwandten in Amerika um Übersendung von 20.000 Dollar. Bis heute soll aber das Geld noch nicht eingetroffen sein.
9) In der Nacht vom 13. auf 14. Mai 1939 wurden in dem jüdischen Friedhof in Mühlhausen, LK . Höchstadt a.d.Aisch, fast sämtliche Grabsteine umgeworfen und, soweit möglich, beschädigt. Sämtliche zerbrechlichen Blatten mit den Inschriften wurden zerschlagen. Die Täter sind nicht ermittelt worden.