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Chronik und Quellen
1939
Mai 1939

Bericht aus Speyer

Der Regierungspräsident Pfalz berichtet am 24. Mai 1939 für den Monat Mai zum Thema „Arisierung“ aus Speyer:

Im Vollzuge der nebenbezeichneten Ministerialbeschließung berichte ich zu den in der ME. aufgeführten einzelnen Punkten folgendes:

1. Die Arisierung jüdischer Gewerbebetriebe ist so gut wie völlig abgeschlossen. Für einen größeren chemischen Betrieb hat sich der Herr Reichswirtschaftsminister die Entscheidung vorbehalten; in einem anderen Falle hat der Herr Reichswirtschaftsminister in den letzten Tagen entschieden, die Auferlegung einer Angleichszahlung zugunsten des Reiches aber noch dem Regierungspräsidenten in einem noch durchzuführenden Verfahren vorbehalten.

Notarielle Kaufverträge hinsichtlich jüdischen Grundbesitzes lagen mir bis jetzt über 1000 Stück zur Genehmigung vor. Davon betreffen etwa 850 Stück Grundstücksverkäufe zwischen Juden und arischen Erwerbern, während mir 180 Verträge zwischen Juden und der Saarpfälzischen Vermögensverwertungsgesellschaft m.b.H. in Neustadt a.d. Weinstr. vorlagen. Von diesen mehr als 1000 Fällen sind bereits etwa 250 Fälle durch meine endgültige Genehmigung rechtskräftig abgeschlossen, nahezu 100 Fälle habe ich - da sie landwirtschaftlichen Grundbesitz betrafen - dem Staatsministerium für Wirtschaft, Abteilung Landwirtschaft in München, bezw. dessen Bevollmächtigten, Herrn Landwirtschaftsrat Dr. Unkrich in Kirchheimbolanden vorgelegt. In verschiedenen Fällen haben die Beteiligten auch Beschwerde nach § 19 der VO . zum Herrn Reichswirtschaftsminister eingelegt. Die übrigen Fälle werden zur Zeit noch vorbehandelt und befinden sich bei einer der Gutachterstellen, die nach den Ausführungsanweisungen vom 6. Februar 1939 (RMABliV.S.265 ff) zu hören sind. Es werden jedoch täglich Genehmigungen erteilt, sodaß genaue Zahlen nicht gegeben werden können.

Hier darf ich bemerken, daß Zwangsmaßnahmen zur Entjudung des Hausgrundbesitzes zur Zeit nicht zulässig sind; bei den mir zur Genehmigung vorliegenden notariellen Kaufverhandlungen handelt es sich daher ausschließlich um freiwillige Verkäufe. Ein großer Teil hiervon ist auf Grund notarieller Vollmachten der Juden an die zuständigen Herren Kreiswirtschaftsberater oder an Rechtskonsulenten usw. abgeschlossen.

Für landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Grundbesitz wird zur Zeit durch das Staatsministerium für Wirtschaft, Abteilung Landwirtschaft in München die Zwangsarisierung durchgeführt. In diesem Verfahren sind die Kreisbauernschaften wesentlich beteiligt. Notarielle Urkunden insoweit sind mir noch nicht vorgelegt worden, weshalb ich annehme, daß der Beauftragte des Staatsministeriums für Wirtschaft, Abteilung Landwirtschaft befugt ist, seinerseits bereits die Genehmigung zu erteilen.

2. Wahrnehmung darüber, daß die vereinbarten Preise ganz auffallend unter dem Wirtschaftswerte lagen, konnten im allgemeinen nicht gemacht werden. Die Preisgestaltung wurde in allen Fällen nach den Weisungen der Ausführungsbestimmungen vom 6.2.1939 (RMABliV. S.265 ff) von dem Gauwirtschaftsberater, der zuständigen Preisbehörde und der Prüfungsstelle überprüft, gegebenenfalls die Genehmigung wegen zu hohen Preises versagt, bezw. dem Käufer eine Ausgleichszahlung zugunsten des Reiches auferlegt. Als Normalpreis wurde dabei ein mäßiger Verkehrswert angenommen, der unter Berücksichtigung des baulichen Zustandes, der Lage und des allgemeinen Grundstücksmarktes durch Sachverständige ermittelt wurde.

3. In einigen Fällen zu Beginn des Jahres waren Ausgleichszahlungen, wenn man sie so nennen will, zugunsten der Saarpfälzischen Vermögensverwertungsgesellschaft m.b.H. in Neustadt a.d. Weinstraße vereinbart. Diese Fälle sind inzwischen durch den grundsätzlichen Erlaß des Herrn Reichswirtschaftsministers vom 11. März 1939 Nr. III Jd 7121/39 erledigt. Eine Ausgleichsabgabe wurde nur zugunsten des Reiches in meinem Genehmigungsbescheid auferlegt, andernfalls wurde keine Genehmigung erteilt. In dem vorerwähnten Erlaß, von dem ich Abdruck beifüge, ist auch bestimmt, daß bei Genehmigungsverfahren, in denen die Saarpfälzische Vermögensverwertungsgesellschaft m.b.H. in Neustadt a.d.W. Käuferin ist, von der Auferlegung einer Ausgleichszahlung zugunsten des Reiches abgesehen werden kann, da die Gewinne der Saarpfälzischen Vermögensverwertungsgesellschaft m.b.H. ohnehin dem Reiche zufließen.

Ausgleichsabgaben zugunsten irgendwelcher anderer Stellen oder für irgendwelche andere Zwecke wurden nicht vereinbart.

4. Als besondere Stelle ''oder Gesellschaft'' kommt in meinem Regierungsbezirk nur die Saarpfälzische Vermögensverwertungsgesellschaft m.b.H. in Neustadt a.d. Weinstraße in Betracht. Das Wesentliche über diese Gesellschaft, die als Auffangorganisation für das jüdische Vermögen gedacht war und sich auch bewährt hat, geht aus dem Erlaß des Herrn Reichswirtschaftsministers vom 11. März 1939 hervor, weshalb ich bitte, hierauf Bezug nehmen zu dürfen. Seit diesem Erlaß hat die Saarpfälzische Vermögensverwertungsgesellschaft keine Grundstückskäufe mehr getätigt. Insgesamt laufen 180 Grundstücksverträge, bei denen die Saarpfälzische Vermögensverwertungsgesellschaft als Käuferin beteiligt ist. Hiervon sind bereits etwa 40 von mir endgültig genehmigt, etwa die gleiche Zahl bedarf der Genehmigung des Staatsministeriums für Wirtschaft, Abteilung Landwirtschaft.

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