Bericht aus Alzenau
Am 28. Januar berichtet die Gendarmerie Alzenau in ihrem Monatsbericht:
In politischer Hinsicht ist im Monat Januar nichts wesentliches vorgefallen. In der Nacht vom 18.1. zum 19.1.39 wurde bei dem Judenlehrer Wechsler in der Horst-Wessel-Str. in Alzenau ein Zettel unter die Haustüre geschoben mit folgendem Wortlaut: ''Wenn ihnen ihr Leben lieb ist, dann legen sie am 19.1.1939 100 RM bei Stadtmüller Wilhelm Gustloffstraße letzter Gartenpfosten am Holzstor hin. Wir machen sie darauf aufmerksam Polizei sowie andere Leute benachrichtigen es ihr Leben kostet. Wir spaßen nicht.'' Judenlehrer Wechsler übergab diesen Zettel dem Ortsgruppenleiter Kimmel in Alzena und dieser verständigte wiederum die hiesige Station. Am gleichen Abend also 19.1.39 begaben sich Unterzeichneter und Hptw. Rothenhöfer hies. Station in Zivilkleidung zu der bezeichneten Stelle und stellten und dort verborgen auf. Nachdem wir einige Stunden gestanden waren und niemand kam um den vom Judenlehrer Wechsler auf unsere Veranlassung hin hinterlegten leeren Briefumschlag in Empfang zu nehmen, entfernten wir uns wieder. Bei der am nächsten Tage früh vorgenommenen Nachschau an der bezeichneten Stelle lag der Brief noch genau so auf seinem Platz, wie er von dem Judenlehrer Wechsler hingelegt worden ist. Auch am übernächsten Tag lag der Brief noch dort. Bei der am 26.1.39 früh bei Tagesgrauen vorgenommenen Nachschau lag der Briefumschlag noch an seiner Stelle. Ob nun es sich bei diesem Zettel darum handelt von dem Judenlehrer wirklich Geld zu erpressen oder ihn nur dauernd in Angst zu halten, darüber ließ sich bis jetzt nichts Näheres feststellen. Nachdem Wechsler als sehr ängstlicher Mensch bekannt ist und sich seit den Judenaktionen zur Nachtzeit fast nicht mehr aus dem Hause getraut, ist eher anzunehmen, daß der Zettel von jungen Burschen geschrieben und dem Wechsler zur Nachtzeit unter seiner Haustüre geschoben wurde in der Absicht, ihn in ständiger Angst und Furcht zu halten.