Bericht über das KZ Dachau
Am 5. Januar 1939 berichtet der britische Generalkonsul in München an Außenminister Halifax in London über die Situation und die Entlassungsmodalitäten im KZ Dachau:
2. Das Lager Dachau scheint der Platz gewesen zu sein, an den alle in Süd- und Westdeutschland bis hinüber nach Neuss und die in Österreich verhafteten Juden gebracht worden sind. Nach Schätzungen belief sich die Höchstzahl der festgenommenen Juden auf 14.000. Im Monat Dezember wurden täglich etwa 200 bis 300 Personen entlassen; man nimmt an, dass sich jetzt noch etwas mehr als 5.000 in Haft befinden. Alle über 65 Jahre alten Personen und alle ehemaligen Frontkämpfer sollen freigelassen worden sein. Siebzehnjährige Jungen vom Jüdischen Seminar in Würzburg und Männer aus den verschiedensten Berufsklassen zwischen 50 und 60 Jahren jedoch haben nicht die leiseste Hoffnung auf Freisetzung.
3. Der erste Tag der Gefangennahme muss von unbeschreiblichem Schrecken gewesen sein, denn keiner der entlassenen Gefangenen war fähig oder willig, darüber zu sprechen. Man muss sich vorstellen, dass die Gefangenen wie das Vieh auf dem Viehhof zusammengetrieben waren, von Furcht vor dem Schlachthaus gepeinigt.
4. Beim Betreten des Lagers wurde jedem Gefangenen der Kopf geschoren und jeder erhielt Gefängniskleidung aus grobem Leinen mit einem aufgedruckten gelben Davidstern. [. . . ] Zwei- bis dreihundert Personen waren in Schuppen zusammengepfercht, die Raum für sechzig bis achtzig boten. [...] Die Nahrung ist gröbster Art, und die Juden bekommen nur die halbe Ration der „Arier“. (…)
7. Der Tag der Entlassung ist ein wahrhafter Prüfstein. [...] Bevor sie das Lager verlassen, hält der Kommandant eine Ansprache und rät ihnen, so schnell wie möglich aus Deutschland zu verschwinden, denn, sollten sie je wieder in das Lager zurückkommen, würden sie nie mehr befreit werden. Sie werden auch gewarnt, dass, sollten sie „Greuelgeschichten“ im Ausland erzählen, dies nicht zum Vorteil ihrer in Deutschland verbleibenden Glaubensgenossen sein werde. Dann verlangt man, dass sie ein Schriftstück unterzeichnen, in dem sie bestätigen, dass sie nicht misshandelt worden seien, sich keine ansteckenden Krankheiten zugezogen und ihr persönliches Eigentum in unversehrtem Zustand zurückerhalten hätten. Dann erlaubt man ihnen, zum Bahnhof zu gehen und ihre Fahrkarte für die Heimfahrt zu lösen, die sie selbst bezahlen müssen. Viele sind unfähig zu laufen, und manch einer von ihnen ist bewusstlos zum Bahnhof getragen worden.