Appelle in Dachau
Der jüdische Häftling Dr. Blumenthal berichtet rückblickend über die Tortur der Appelle im Konzentrationslager Dachau, die er nach seiner Verhaftung im Zuge des Pogroms miterleiden musste:
„Etwa 80 solcher Appelle habe ich mitgemacht, die Zahl schreibt sich so leicht, doch welches Unmaß von Qual und Entsetzen steckt darin. Ich litt unter der Kälte unsäglich. Alle Glieder zitterten. Ein eisiger Wind fegte über den großen Platz, (...) auf dem etwa 5.000 Häftlinge und 11.000 Juden standen (...). Wir versuchten so eng aufzumarschieren, wie es nur möglich war, um die körperliche Wärme des Nebenmenschen zu spüren. Jeder wollte mitten im Glied, nur nicht an den Flügeln stehen, wo es kälter war und man die erfrorenen Hände nicht doch ab und zu in die Tasche stecken konnte. Alles blickte auf den Zeiger der Turmuhr. Neben, hinter einem hörte man es wie eine Bewegung die Reihen durchlaufen, wenn wieder einmal einer umfiel, einfach in sich zusammensackte. Ein feuchter Nebel kam. Um das Licht der Reflektoren bildeten sich weiße Mauern. Und dann begann ein Schneeregen. Das eisige Wasser lief an den Ohren, dem Nacken herunter, es schüttelte einen vor Kälte. Stumm stand man, gepeinigte Kreatur, der Blick ging zu den leidenden Kameraden, zur Turmuhr, aushalten, aushalten...“