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Chronik und Quellen
1938
Mai 1938

„Aktion gegen Juden“

Am 15. Mai 1938 berichtet die SD-Außenstelle Hanau gegen eine „Aktion gegen Juden“ in der Nacht vom 13. zum 14. Mai:

Im Laufe der Nacht vom 13.5. (Freitag) auf den 14.5.38 Samstag wurden an der hiesigen Synogoge [sic] sämtliche Eingänge kunstvoll zugemauert, sodaß die Juden am Samstag früh zum Sabbathfeier nicht ihn ihre Synogoge gehen konnten und die Feier nach der jüdischen Gemeindeschule verlegt wurde. Zur Zeit ist die Synogoge noch geschlossen, da sich bis jetzt noch kein Maurer gefunden hat, der diese öffnet. Außerdem war eine Inschrift angebracht ''Verkäuflich''. Die Steine zum Bau wurden von in der Nähe liegenden Baustellen geholt, die betreffenden Baugeschäfte haben jedoch keinen Strafantrag wegen fehlenden Materials gestellt.

Am gestrigen Samstag wurde nunmehr durch die Partei durch eine Aktion gegen jüdische Geschäfte eingeleitet, wie diese schon in der letzten Zeit in anderen Städten durchgeführt waren. Man hat durch Aufstellung von Posten die Leute vor dem Betreten der jüdischen Geschäfte gewarnt und die Personen, welche trotz Warnung ein solches Geschäft betraten, beim Verlassen desselben fotografiert und diese Personen durch Schilder: ''Ich habe beim Judd gekauft'' ''Wer beim Juden kauft ist ein Volksverräter'' oder ''Ich bin ein Judenknecht '' gekennzeichnet. Einige Leute mußten derartige Schilder begleitet von HJ -Angehörigen und Zivilisten durch die Stadt tragen. Diese Aktion hat in der Bevölkerung großen Anklang gefunden und hofft man, daß nunmehr diese restlichen Judengeschäfte bald verschwinden. Die Aktion ging in voller Disziplin vor sich und kam es nirgends zu irgendwelchen Ausschreitungen. Es mußte festgestellt werden, daß zu den Käufern in jüdischen Geschäften in erster Linie die Landbevölkerung und zweitens die sogenannten besseren Leute der Stadt gehören. Die Aktionen sollen am Fronleichnamstage sowie an den Samstagen vor Pfingsten wiederholt werden.

Am 23. und 27. Mai 1938 ergänzte der Hanauer Sicherheitsdienst:

Die Aktion gegen die Juden wurde am Samstag früh beginnend fortgesetzt die jüdischen Geschäfte waren alle mit Plakaten beklebt: ''Judde-Geschäft'' und einem Davidstern .

Es gelang an diesem Tag fast allen jüdischen Geschäften die Käufer fernzuhalten nur mit wenigen Ausnahmen kamen Käufer. U.a. wurde bei der Firma Sponsel eine Frau trotz Warnung als Käuferin festgestellt und photographiert. Es handelte sich hierbei um die Frau eines alten KPD Mannes der längere Zeit im Lager war. Die Frau erklärte sie kaufe schon immer bei der Firma und würde auch weiterkaufen, was eine Protestaktion der anwesenden Leute hervorrief. Im Nu sammelte sich eine große Menschenmenge um die Frau und mußte dieselbe unter Schutz mehrerer Zivilisten in ihre Wohnung gebracht werden, es ließ sich nicht vermeiden, daß dieselbe von Leuten mit faulen Eiern beworfen wurde.

Im übrigen ist die Aktion ohne Anstoß verlaufen und wird soweit bekannt fortgesetzt. Wie weiter bekannt wird haben zwei jüdische Geschäfte bereits Verkaufsverhandlungen eingeleitet die schnellstens zum Abschluß gebracht werden sollen.

Die zugemauerte Synagoge wurde inzwischen wieder geöffnet, hierbei betätigt sich zum Ärger des Publikums die Firma Schmidt und Jüngling, welche auch Staatsaufträge hat, wie daher verlautet wurde der Firma ein Auftrag wieder entzogen. Bericht über den weiteren Verlauf der Aktion folgt. (…)

Im Nachtrag zu den Berichten betr. Zumauerung der Synagoge wird mitgeteilt:

Festgenommen wurde im obigen Zusammenhang der Jude: Josef Strauß, Hanau. M. Schloßstr., dieser der Gemeindeälteste hat angeblich nach Aussagen des Handwerkers diesen unter Vorspiegelung, daß die Polizei den Auftrag zur Öffnung der Synogoge [sic] gegeben habe, veranlaßt, die Aufbrechung zu übernehmen. Über die Firma wurde ebenfalls Boykott verhängt und ihr staatliche Aufträge entzogen. Aufgrund einer Anzeige der Firma sowie der Polizei wurde Strafantrag gestellt und der Jude dem Schnellrichter vorgeführt. Leider endete das Verfahren mit einem Freispruch des Juden, der jedoch zum Schutze seiner eigenen Person in Schutzhaft genommen wurde, da die Gefahr besteht, daß derselbe im Falle seiner Freilassung von der Bevölkerung angegriffen wird. Die Empörung über diesen Juden ist hier ungeheuer und mußte diese Maßnahme ergriffen werden um Ausschreitungen zu verhindern. Anbei ein Sonderbericht der Stapostelle Hanau.

Wie weiter bekannt wird, haben es die hiesigen Glaser abgelehnt in der Synagoge Fensterscheiben einzusetzen. Es dürfte sich nach diesen Ereignissen wohl kaum noch ein Handwerker finden, der für die Juden eine Arbeit übernehmen wird.

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