„Sonderaktion“ gegen Juden
Am 19. April 1938 meldet die Gendarmerie Hösbach Folgendes hinsichtlich einer „Sonderaktion gegen Juden“ in Goldbach:
In der Nacht vom 11. auf 12.4.38 hat die Ehefrau des jüdischen Viehhändlers Heinrich Schönfeld von Goldbach hiesige Station telefonisch angerufen und teilte mit, daß sie von einer größeren Anzahl Personen belästigt würden. Es seien an ihrem Anwesen sämtliche Fenster und Fensterläden eingeschlagen worden. Es würde vor ihrem Anwesen ein fürchterlicher Krach gemacht und sie würden bedroht.1
Nach den Feststellungen sind in der Nacht vom 11. auf 12.4.38 um 12 Uhr herum an dem Anwesen des jüdischen Kaufmanns Jakob Brandstätter in Goldbach und des jüdischen Kaufmanns Bernhard Löwenthal von Goldbach die Haustreppen weggerissen worden. Die Haustreppe Brandstätters ist weggerissen worden und die Treppensteine sind vor dem neuen Anwesen Brandstätters vor der Ladentüre und dem hinteren Ausgang aufgeschichtet worden, daß die Inwohner nicht heraus konnten.
Bei Löwenstein sind die Treppensteine weggerissen worden. Zwei Treppensteine in einer Länge von 1m sind dann durch ein Küchenfenster in die Küche geworfen worden. Außerdem sind bei Löwenthal zwei Küchenfenster, die Küchentüre (Hinterer Eingang) sowie ein Fensterladen und eine Fensterscheibe des Wohnzimmers eingeschlagen worden. Mit den übrigen Steinen der Treppe war die hintere Ausgangstüre zugesetzt worden. Bei Löwenthal hat sich der Vorfall zwischen 1 3/4 bis kurz nach 2 Uhr abgespielt.
Bei dem jüdischen Viehhändler und Kriegsbeschädigten Bernhard Oppenheimer in Goldbach sind kurz nach 2 Uhr zwei Fensterläden und drei Fensterscheiben eingeschlagen worden.
Anschließend hieran sind am Anwesen des jüdischen Viehhändlers Heinrich Schönfeld von Goldbach sieben Fenster nebst Fensterläden der Parterrewohnung eingeschlagen worden. Zur Tat sind, wie aus den hinterlassenen Spuren zu ersehen war, Hämmer oder Beile benützt worden. Der Schaden Schönfelds dürfte 70 bis 100 RM betragen.
Sämtliche geschädigten Juden haben sich die Strafantragstellung wegen Sachbeschädigung vorbehalten. Sämtliche Juden erklärten auf Befragen, die Täter nicht zu kennen bezw. sie nicht nennen zu wollen.
Schönfeld gab zur Sache an, in der Nacht vom 11. auf 12.4.38 kurz nach 2 Uhr habe vor seinem Anwesen ein fürchterlicher Krach begonnen. Eine größere Anzahl Personen habe gejohlt und geschrien, wobei unter fürchterlichem Krachen sämtliche Fenster und Fensterläden, die geschlossen gewesen seien, eingeschlagen worden seien. Die Beteiligten hätten förmlich getobt und hätten immer wieder gerufen: ''Juda muß verrecken, Juda muß heraus!'' Die Beteiligten hätten derart getobt und einen derartigen Krach gemacht, daß die ganze Nachbarschaft aus dem Schlafe geweckt worden sei und an dem Treiben Anstoß genommen habe. Er habe vor Aufregung einen Zusammenbruch erlitten und sei einige Zeit bewußtlos gewesen. Vor ihm seien Löwenthal, Oppenheimer und Brandstätter in ähnlicher Weise behandelt worden. Die Täter kenne er nicht. Die Strafantragsstellung behalte er sich vor. Als Zeugen des Vorfalles benenne er Josef Brönner, Fuchs und Frau Windischmann.
Die Zeugen Josef Brönner, verh. Schweinehändler von Goldbach, Aschaffenburgerstr. 53, Frau Helene Windischmann Goldbach, Sachsenhausen 2 und Johann Fuchs, Sachsenhausen 14, wurden zur Sache nicht gehört. Falls deren Vernehmung erforderlich sein sollte, dürfte deren richterliche Vernehmung veranlaßt sein, weil, wie die früheren Erfahrungen gezeigt haben, die Zeugen der Gendarmerie gegenüber mit ihren Aussagen zurückhalten und nur durch die richterliche Vernehmung zur wahrheitsgemäßen Aussage gebracht werden können.
Die anderweitigen Erhebungen haben nicht zur Ermittlung der Täter geführt. Die Ermittlungen werden fortgesetzt und im Erfolgsfalle wird Nachtragsanzeige erstattet.