Menü
Chronik und Quellen
1941
September 1941

Demütigende Kennzeichnungspflicht

Der Apostolische Nuntius erläutert Kardinal Luigi Maglione im Vatikan am 13. September 1941, wie demütigend die Kennzeichnungspflicht insbesondere für „nichtarische“ Christen sei:

Betreff: Neue Gesetze gegen die Juden Verehrteste Eminenz,

ich fühle mich verpflichtet, Eurer Verehrtesten Eminenz bezüglich einer neuen Verordnung Mitteilung zu machen, die die Berliner Polizei auf Anordnung des Ministeriums des Inneren erlassen hat. Diese verbietet den noch im Reich und im Protektorat Böhmen und Mähren lebenden Juden im Alter von über sechs Jahren, in der Öffentlichkeit ohne ein Abzeichen aufzutreten, das „Judenstern“ genannt wird und auf dem auf gelbem Grund in schwarzer Schrift das Wort „Jude“ steht. Das Abzeichen muss auf den linken Jackenaufschlag genäht sein. Ebenso ist es den Juden verboten, ihre Heimatgemeinde ohne eine schriftliche Genehmigung der örtlichen Polizei zu verlassen oder andere Ehrenabzeichen zu tragen. Im Folgenden sind einige Ausnahmen sowie das Strafmaß für Zuwiderhandlungen ausgeführt.

Eine Abschrift des Gesetzes füge ich bei.

Ein solches Gesetz ist sicherlich eine schmerzhafte Demütigung für die Juden, angesichts der antisemitischen Atmosphäre, die sie bereits umgibt. Besonders getroffen fühlen sich die getauften Nichtarier. Sie haben ihr enormes Leid zum Ausdruck gebracht, das nicht einmal ein Ende nimmt, wenn sie die Kirche betreten, insbesondere wenn sie an Festtagen ihre gewohnten Frömmigkeitsriten ausüben wollen. Das Echo dieser Klagen hat auch Seine Eminenz, den Herrn Kardinal Innitzer, sowie Seine Eminenz, den Herrn Kardinal Bertram, erreicht; es wurde nach Möglichkeiten gesucht, den Juden in der Kirche einen für sie reservierten Platz zuzuweisen oder, wenn sie dafür zu zahlreich wären, ganze Gottesdienste exklusiv für sie abzuhalten. Die leidvolle Situation der nichtarischen Katholiken wurde auch dem Ministerium für Kirchenangelegenheiten unterbreitet, doch ist dieses der Ansicht, dass nicht einmal für Gottesdienste eine Milderung möglich sei, weil sie öffentlich und jedermann zugänglich sind und das Gesetz vom „Zeigen in der Öffentlichkeit“ spricht. Seine Eminenz, der Kardinal Bertram, hat den Vorschlag geprüft, sich mit einer Denkschrift an das Ministerium des Inneren zu wenden, doch fürchtet er, dass das nichts nützen wird.

Ich verneige mich zum Kuss des Heiligen Purpurs und verbleibe in der tiefsten Ehrerbietung vor Eurer Verehrtesten Eminenz Euer untertäniger, demutsvoller, bester Diener

Baum wird geladen...