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Chronik und Quellen
1941
September 1941

Reise nach Dachau

Friedrich Mennecke schreibt seiner Frau am 3. September 1941 von einer Reise in das KZ Dachau, wo er Gefangene untersucht und zur Ermordung auswählt:

Liebste Mutti!

Um 20.00 h habe ich ein dringendes Gespräch zu Dir angemeldet, bis eben habe ich unten im Telephonzimmer gewartet, aber jetzt habe ich mich auf’s Zimmer Nr. 442 gesetzt, um von hier aus mit dir zu sprechen. Hoffentlich habe ich Dich bald an der Strippe! Ob Du wohl schon auf meinen Anruf wartest? Und nun gleich die erste Frage: „War vorige Nacht dort Alarm? Ist Dir auch nichts passiert?!“ Bald werde ich es von Dir ja hören!

Heißali!!! 20:45 h: Da habe ich Dich ja schon gehabt! Oh, Mausi, das mit dem Lufttorpedo ist ja gruselig! Hoffentlich passiert so etwas nicht nochmal - u. dann vielleicht noch schlimmer. Geh nur immer prompt in den Keller, damit Du mir ja heile bleibst! Ich habe Dir vorhin ja nun schon alles gesagt, wie es ist. Die Reise nach hier war schön, aber ab Ffm war der Zug brechend voll, so daß ich eng in meiner Ecke saß und dauernd „geguckt“ habe. Im Hotel Schottenhamel traf ich Dr. Wischer schon an, ebenso die Tocher von Prof. Nitsche, Frau Wilhelm. Es hieß gleich, daß Steinmeyer u. ich im „Bayrischen Hof“ wohnen würden. Wir gingen um 19 h zum Bahnhof, um Prof. Nitsche (u. Prof. Heyde), sowie Frau Nitsche, abzuholen, sie kamen nicht, aber wir waren kaum wieder im Schottenhamel, da erschien Prof. Nitsche u. Frau mit Bauer u. dem „fleißigen Lieschen“ direkt aus Berlin. Dr. Lonaueff war schon am Mo. gekommen und wohnt im Hotel „Rheinischer Hof“. Ich ging dann gleich hierher, um mein Zimmer zu beziehen, es ergab sich, daß Steinmeyer u. ich in Nr. 441-443 (2 Einzelzimmer + Bad) wohnen. Dann ging ich wieder zum Bahnhof u. holte St[einmeyer] ab, der vor Erkältung kaum sprechen konnte. Wieder hierher und dann zurück zum Schottenhamel zu den anderen. Die Damen Nitsche hatten sich schon zurückgezogen, da sie heute früh in die Alpen weiterfahren wollten. Wir Männer, einschl. des Herrn Direktor Dr. Ratka von der Anstalt in Gne-sen (Warthegau), der als Neuer mitarbeitet, saßen noch bis 23 ½ h plaudernd beisammen. Geschlafen habe ich dann sehr gut u. ungestört, aber ich habe erst noch lange an meine kleine Mutti gedacht. Heute früh um ¼ 8 h holte uns Dr. Lonauer in seinem Olympia ab; in den 2 Autos fuhren wir gleich nach Dachau hinaus. Wir fingen heute aber noch nicht an zu arbeiten, da uns die SS-Männer erst die Köpfe der Meldebogen ausfüllen sollen. Dies ist heute begonnen, so daß wir morgen mit Untersuchen anfangen können. Es sind nur 2000 Mann, die sehr bald fertig sein werden, da sie am laufenden Band nur angesehen werden. Um 10 h fuhren wir wieder nach München hinein und um 11 h fuhren wir nach Starnberg weiter, wo wir zu Mittag aßen. Dann fuhren wir bis Leoni am östlichen Seeufer entlang und besichtigten zuerst das Königsschloß Berg, wo Ludwig II gewohnt hat, ehe er sich ertränkte. Dann zu Fuß weiter bis an die Uferstelle, wo er sich ins Wasser gestürzt hat, und immer noch weiter bis zum Bismarckturm. Dort tranken wir Kaffee, ich schrieb Dir die heutige Karte (Steinmeyer war alleine in München geblieben). Um 18.00 h waren wir wieder hier, machten noch eine kleine Stadtrundfahrt und setzten uns um 19 h in das hiesige Hotel-Restaurant zum Abendessen. Ich habe heute mittag Beefsteak (100 gr Flm) gegessen u. heute abend Kalbsleber (50 gr Firn), von morgen ab haben wir Mittag- u. Abendessen im Lager. Um 20 h gingen die anderen fort, da sie z.T. ins Kino wollten, ich meldete das Gespräch an u. fing an zu schreiben. Steinmeyer hat mir einen Zettel hinterlassen, wo er bis 20.30 h sein würde. Da dies schon längst vorbei ist, will ich jetzt noch kurz in die Reß’sche Weinstube gehen, die hier gleich nebenan ist. Dort schreibe ich noch etwas weiter. Küßli’s - Ahoi!!

21.50 h „Gaststätte Kunstgewerbehaus, Weinhaus Eberspacher, Pächter: Martin Modlmayr“: Dies ist die Reß’sche Weinstube, sehr nett u. gut besucht. Ich habe gerade den Pächter zu mir bitten lassen, um mit ihm zu sprechen. Dies Lokal ist nur 100 m von meinem Hotel weg, es gibt hier nur Wein, aber keine Rheingauer, nur Niersteiner u. Westhof-ner, also Rheinhessen, und viel Pfälzer, Mosel u. Rotwein. Seit 1 Stunde brummen dauernd Flugzeuge über München, aber es sind deutsche Übungsflüge, die Türme der Mariahilfkir-che sind hell angestrahlt. Dies Weinlokal ist bestimmt eine Goldgrube, die Gebrüder Reß werden sich wohl einen bombastischen Pachtpreis zahlen lassen, denn hier wird weit mehr getrunken als in Eberbach u. Hattenheim zusammen. Wie ich Dir vorhin schon am Telephon sagte, werde ich Sonntag schon mit einem früheren Zug kommen; ich habe ihn aber noch nicht genauer festgestellt, es wird der sein, den Du nanntest. Ich rufe Dich von Wiesbaden oder Eltville an. Unsere Reisefourage für Warschau, etwa Leberwürste, Butter etc., kann auch noch am Montagfrüh bereitgestellt werden, damit wir sie frisch mitnehmen. Zum Stullenmachen, die - bitte - Du machst, kann vorher was herausgegeben werden. Nun will ich schließen, denn eben ist Herr Steinmeyer zu mir gekommen u. leistet mir Gesellschaft. Bitte, mein Muttchen, bleib mir schön gesund u. heil!!! Immer hübsch in den Keller gehen! Innigst, liebste Küßli’s !

Dein tr[euer] Fritz-Pa.

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