Lebensbedingungen für Juden
Der Emigrant Edgar Emanuel aus Berlin schildert Ilse Schwalbe am 11. August 1941, unter welchen Bedingungen Juden in Deutschland leben müssen:
Sehr geehrte Frau Schwalbe, sicher werden Sie sich unser noch erinnern. Wir hatten in Berlin, Sächsischestr. 10/II, im gleichen Haus gewohnt. Vor unserer Ausreise hatten wir oft mit Ihrer Frau Mutter gesprochen, welche doch auch bereits Vorbereitungen zur Auswanderung traf. Wir sind am 11. Juni von Berlin fortgefahren und nach längerer Irrfahrt am 13. Juli in New York angekommen. Bei Abfahrt hatten wir Ihrer Frau Mutter versprochen, uns mit Ihnen in Verbindung zu setzen. Wir hätten dies auch schon früher gemacht, leider sind meine Frau und ich durch die vorangegangenen Aufregungen und vielleicht auch noch durch die unbändige Hitze hier in New York krank geworden und konnten nicht sofort unsere Aufträge erledigen. Soviel ich weiß, hat Ihre Frau Mutter die Affidavits wohl bereits gehabt, gebrauchte aber wohl Erneuerung der Papiere. Nun hat sich allerdings durch die neuen Bestimmungen wohl manches geändert. Trotzdem würde ich wohl jedem zuraten, mit unverminderter Kraft weiterzuarbeiten, um die Angehörigen herauszuholen. Ein Leben dort ist kaum noch möglich. Täglich muß damit gerechnet werden, daß man innerhalb weniger Tage aus der Wohnung herausmuß. Kurz vor unserer Abreise bekamen die Wohnungsinhaber die Aufforderung, ihre Wohnung innerhalb kürzester Zeit zu räumen. An Lebensmitteln bekamen J. die äußerst vorgeschriebene Ration, bei jeder Sonderverteilung, z. B. Reis, Kaffee, Tee, Hülsenfrüchte, Obst, Schokolade, Rauchwaren, Geflügel, Milch usw., blieben J. unberücksichtigt und dürfen weder etwas kaufen, noch darf ihnen etwas verkauft werden. Einkauf überhaupt nur in der Zeit von 4-5 Uhr nachmittags erlaubt. Man kann kein Lokal oder Cafe mehr aufsuchen, kann sich auf keine Bank mehr setzen. Ein ungeschriebenes Gesetz sagt, daß man um 9 Uhr im Haus sein muß. Dann die Fliegeralarme, Juden getrennte Keller. Off saßen wir nachts zusammen. Ihre Frau Mutter ist ziemlich verzweifelt darüber, daß die angeforderten Papiere nicht eingetroffen waren, und bat mich, Ihnen doch dringend ans Herz zu legen, alles daranzusetzen, daß sie herauskommt. Wir bleiben vorläufig in New York, und wenn Sie irgend etwas wissen wollen, bitte ich, mir zu schreiben. Was machen die Kinder? Für heute freundliche Grüße von meiner Frau und Tochter und Ihrem
NB: Ihre Mutter hat drüben einen Berater für Auswanderung genommen, der ihr die schweren Wege abnimmt. Sie hat auch schneidern gelernt, macht kunstgewerbl. Tiere aus Wachstuch. Sehr schön. Ist sehr fleißig.