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Chronik und Quellen
1940
September 1940

Deportation aus Berlin?

Reichskulturwalter Hinkel informiert auf einer Sitzung des Propagandaministeriums am 6. September 1940 über die geplante Deportation der Berliner Juden:

Konferenz vom 6. September 1940

1. Wenigstens einige der radikaleren Blätter in Deutschland sollen nach Möglichkeit jetzt, wo nach der Abdankung des rumänischen Königs nicht mehr der Zwang zur Rücksichtnahme besteht, etwas in den Charakter dieses verkommenen Monarchen hineinleuchten und festnageln, daß er es war, der die rumänischen Patrioten erschießen ließ. Ferner soll sein Verhältnis mit Frau Wolf-Lupescu2 und die Tatsache festgenagelt werden, daß er seinen Hofminister mit seiner Maitresse verheiratete, um mit letzterer unter einem Dache wohnen zu können, und daß er dann ausgerechnet diesen Hofminister als Leiter der antijüdischen Bewegung einsetzen wollte.

2. Herr Fischer (Presse) soll dafür sorgen, daß über die Reise tschechischer Journalisten nur wenige sachliche Notizen an die Presse kommen, die nicht etwa einzelne Tschechen über Gebühr herausheben. In Berlin sollen die Tschechen dagegen in einer stark auf Wirkung berechneten Weise, möglichst im Haus der Flieger, empfangen werden.

3. Herr Major Martin berichtet, daß laut Haager Konvention die englischen und französischen Gefangenen in Deutschland ebenso verpflegt werden wie die auf Eigenverpflegung gesetzten Ersatztruppenteile, also ebenso wie die deutsche Zivilbevölkerung. In Schwerarbeiter-Betrieben lasse es sich, um genügend Arbeitsleistung aus den Gefangenen herauszuholen, sogar nicht vermeiden, daß auch die Gefangenen Schwerarbeiter-Zulagen bekämen. Der Minister wünscht, daß über diesen Tatbestand vom OKW eine Notiz angefertigt wird, die an die Gauleiter zur Mundaufklärung innerhalb der Partei weitergegeben werden kann.

4. Auf Grund eines Schreibens des Oberbefehlshabers der Luftwaffe stellt der Minister klar, daß die Kriegsberichter bei Propagandakompanien der Luftwaffe auf keinen Fall sinnlos eingesetzt werden sollen, um irgendeinen bestimmten Auftrag zu erfüllen, wenn nicht zwingende militärische Gründe dafür maßgebend sind.

5. Aus besonderem Anlaß weist der Minister auf die Vertraulichkeit der % 11 Uhr-Konferenzen hin und betont, daß auch Äußerungen, die er über in der Konferenz nicht anwesende Personen macht und die zudem nicht als persönliche Wertung genommen werden dürfen, keinesfalls an diese Personen weitergetragen werden dürfen.

6. Der Minister befürwortet die Bekanntgabe der Torpedierung eines 12000 Tonnen-Truppentransporters auch im Inland, da sonst nur die Gerüchtebildung gefördert werde. In diesem Zusammenhang legt er vor allem der Luftwaffe nahe, für den Fall, daß einmal das tägliche Abschußverhältnis zu unseren Ungunsten ausfallen würde, diese Tatsache der Öffentlichkeit ungeschminkt bekanntzugeben, da damit die Glaubwürdigkeit der deutschen OKW-Berichte ganz besonders herausgestellt werden würde.

7. Herr Hinkel berichtet über die Ausweisung der Juden aus Wien und Berlin: In Wien leben von 180 000 jetzt noch 47400, davon 2/3 Frauen und nur ca. 300 Männer im Alter von 20 bis 35 Jahren. Es ist auch während des Krieges gelungen, insgesamt 17000 Juden über den Südosten abzuschieben. Berlin zählt noch 71800 Juden; in Zukunft sollen monatlich auch von hier ca. 500 Juden nach dem Südosten verschickt werden. Im übrigen berichtet Herr Hinkel, daß alle Vorbereitungen getroffen sind, um - sobald nach Kriegsende Transportmittel frei sein werden - innerhalb von 4 Wochen 60000 Juden im wesentlichen nach dem Osten aus Berlin zu entfernen; die restlichen 12 000 würden innerhalb weiterer 4 Wochen ebenfalls verschwunden sein.

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