Durchführung des „Madagaskar-Plans
Legationsrat Rademacher vom Auswärtigen Amt macht Ende August 1940 Vorschläge zur Durchführung des „Madagaskar-Plans“:
Entwicklung des Madagaskar-Plans des Referats DIII
Die Idee, alle Juden nach Madagaskar zu schaffen, ist zuerst von dem alten holländischen Antisemiten Beamish in den 20er Jahren veröffentlicht worden. Nachdem auf Vorschlag der Abteilung Deutschland der Herr Reichsminister entschieden hatte, daß die Lösung der Judenfrage im Friedensvertrag von dem Referat D III in der Abteilung Deutschland im Einvernehmen mit den Dienststellen des Reichsführers SS bearbeitet werden sollte, habe ich den anliegenden Grundriß eines Planes zur Lösung der Judenfrage im Friedensvertrage entworfen. Dieser Plan ergibt als praktische Arbeitseinteilung:
1.) Führen der Verhandlungen mit den Feindmächten auf Grund des Friedensvertrages und mit den übrigen europäischen Staaten auf Grund von Sonderverträgen - Auswärtiges Amt.
2.) Erfassen der Juden in Europa, ihr Transport nach Madagaskar, ihre Ansiedlung dort und die zukünftige Verwaltung des Insel-Gettos - Reichssicherheitshauptamt.
3.) Erfassen des jüdischen Vermögens in Europa, Gründen einer intereuropäischen Bank, die dieses Vermögen treuhänderisch zu verwalten und zu verwerten sowie die Finanzierung des Ansiedlungsunternehmens durchzuführen hat - Dienststelle des Vierjahresplans, Staatsrat Wohlthat.
4.) Das propagandistische Vorbereiten und Sichern des Planes gegen eine eventuelle Hetzwelle aus USA:
a) für den Bereich des Inlandes das Propagandaministerium, Oberregierungsrat Dr. Tau-bert, mit seiner „Antisemitischen Aktion“,
b) für den Bereich des Auslandes die Informationsabteilung des Auswärtigen Amts. Gemäß dieses Grundplanes bin ich an die einzelnen Dienststellen herangetreten. Auf meine Anregung hin und in enger Fühlungnahme mit mir ist dann der Madagaskar-Plan des Reichssicherheitshauptamtes entstanden. Der Plan der intereuropäischen Bank in der anliegenden Form ist von mir entworfen worden. Ich habe ihn Herrn Staatsrat Wohlthat übersandt, der ihn auf seine Ausführbarkeit hin prüfen und seine praktische Durchführung übernehmen wird. Die Antisemitische Aktion bereitet von sich aus einen Propaganda-Plan für das Inland vor. Im Verlauf der Vorbesprechungen mit den innerdeutschen Dienststellen machte Oberbereichsleiter Brake von der Kanzlei des Führers (Stab-Bouhler) den Vorschlag, die Transportorganisation, die er als Sonderauftrag des Führers für die Kriegszeit aufgebaut hat, für den Transport der Juden nach Madagaskar später einzusetzen. Ich habe Oberbereichsleiter Brake geraten, sich deswegen mit SS-Gruppenführer Heydrich in Verbindung zu setzen. Meiner Ansicht nach ist sein Plan durchaus beachtlich. Eine eingespielte Organisation mit reichen Erfahrungen kann schlagartiger einsetzen als eine entsprechende Neubildung, der naturgemäß Kinderkrankheiten anhaften. Um den Plan sachlich weiterzufördern, ist es jetzt an der Zeit,
a) die erwähnten innerdeutschen Dienststellen zu einer Besprechung im Auswärtigen Amt zusammenzurufen und eine vorbereitende Kommission zusammenzustellen,
b) an die Franzosen heranzutreten, damit sie dieser Kommission die Einreise nach Madagaskar gestatten,
c) Entsenden der Kommission auf 1-2 Monate nach Madagaskar, um an Ort und Stelle die Einzelfragen der Ansiedlung und deren Vorbereitung festzustellen.
Daß man die gesamten europäischen Juden, die auf höchstens 6,5 Millionen geschätzt werden, neben der alteingesessenen Bevölkerung in Madagaskar unterbringen kann, ist jetzt schon zu bejahen, wie die von mir eingeholten Gutachten der Professoren Dr. Burgdörfer vom Bayerischen Statistischen Landesamt und Dr. Ing. F. Schumacher von der Bergakademie Freiberg bestätigen. Daß heute noch große Teile der Insel wegen ihres sumpfigen Charakters als ungesund anzusehen sind, steht dem nicht entgegen. Durch Trockenlegungsarbeiten ist dieser Mangel ohne weiteres zu beheben, wie das Beispiel des der Insel gegenüberliegenden portugiesischen Kolonialgebietes von Mozambique, in Südamerika das Beispiel des Hafens Santos gezeigt haben. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte würde sich auf etwa 16 pro qkm ergeben, d. h. dem Stand der Durchschnittsbesiedlungsdichte für die Erdoberfläche entsprechen.
Hiermit
Herrn Gesandten Luther
mit der Bitte vorgelegt, die Zustimmung des Herrn Reichsaußenministers zu dem angeregten Verfahren herbeizuführen.