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Chronik und Quellen
1940
April 1940

Bericht über Wohlfahrtseinrichtungen

Der Beauftragte für die Überwachung der jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen in Frankfurt am Main erstattet dem Oberbürgermeister am 30. April 1940 Bericht:

Betr.: Mündlicher Bericht vor dem Herrn Oberbürgermeister am 30. April 1940.

1. Wanderung:

In der Zeit vom 1.4.39 bis 31.3.1940 sind von Frankfurt a. Main ausgewandert rund 8500 Juden.

Hiervon im 1. Vierteljahr 1940 rund 500 Juden. Gegenwärtig in Frankfurt a. M. noch wohnhaft rund 11500 Juden.

Gegenüber anderen Großstädten des Altreichs ist die Anzahl der Juden in Frankfurt a. Main im Verhältnis zur deutschen Bevölkerung nach wie vor recht hoch, obwohl die Auswanderung seitens der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt mit großem Erfolg vorangetrieben wurde.

Zur Zeit ist die Auswanderungsmöglichkeit sehr beschränkt, da sich außer den USA beinahe alle Länder sträuben, weiterhin Juden aufzunehmen. Nach den USA ist die Einwanderung sehr erschwert durch das Verlangen der USA-Regierung an die Bürgen, für die Einwanderer größere Barbeträge zu hinterlegen.

2. Arbeitseinsatz:

a) Männer. Da Wanderungsmöglichkeit nur für Gesunde und Arbeitsfähige bestand, hat sich die Anzahl der arbeitseinsatzfähigen Juden sehr verringert. Überwiegend sind Alte oder Gebrechliche (z. B. Weltkriegsbeschädigte) zurückgeblieben. Von der Jüdischen Wohlfahrtspflege, Ffm., Röderbergweg 29, Abt. Arbeitseinsatz, sind nach dem Stande vom 29.4.1940 erfaßt:

17-50jährige Männer               1121
Hiervon in Arbeit:                         724
z. Zt. arbeitsunfähig                                              397
51 - 60jährige Männer               840
Hiervon in Arbeit:                       222
z. Zt. arbeitsunfähig                                               618
[insgesamt] z. Zt. arbeitsunfähig                     1015

Der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit obiger z. Zt. Arbeitsunfähiger wird laufend überwacht bezw. die Möglichkeit, Arbeitsstellen für beschränkt Arbeitsfähige zu finden, im Auge behalten.

Von vorstehend genannten in Arbeit Stehenden sind beschäftigt:

a) bei der Jüdischen Gemeinde und ihren Wohlfahrtseinrichtungen       rund 400
b) in werteschaffende Arbeit vermittelt
im März/April 1940 (Ziegelei, Erdarbeiten usw.)                                                     331
c) andere Arbeiten (Kohlenträger usw.)                                                                  215
zusammen:                                                                                                                     946

Arbeitseinsatzfähige stehen zur Zeit keine mehr in Unterstützung der Jüdischen Wohlfahrtspflege.

Zwecks Vermittlung arbeitseinsatzfähiger Nichtunterstützter schweben z. Zt. Verhandlungen mit dem Arbeitsamt Frankfurt a. Main.

b) Frauen. Der Einsatz von Frauen in werteschaffende Arbeit gestaltete sich sehr schwierig, da nachweislich ein großer Teil von ihnen mit der Betreuung von pflegebedürftigen älteren Familienangehörigen beschäftigt ist. Von 142 gemeldeten Frauen konnten nur 39 dem Bauamt - Forstverwaltung - zu Pflanzungsarbeiten im Stadtwald zur Verfügung gestellt werden.

3) Ersparnisse durch Arbeitseinsatz:

Laufende Unterstützung der Jüdischen Wohlfahrtspflege
für März 1940                                                                                                   RM 65 242,45
Laufende Unterstützung der Jüdischen Wohlfahrtspflege
für April 1940                                                                                                   RM 50 322,40
                                                                                                                             RM 14920,05

4) Notstandsküche:

Die Notstandsküche bringt täglich 500 Essen an Unterstützungsempfänger zur Ausgabe. Bisher wurde neben einem monatlichen Mitgliedsbeitrag zur Notstandsküche in Höhe von RM -,30 für jede Familie, für jedes Essen der Betrag von RM -,10 erhoben. Für Januar 1940 wurde ein Zuschuß der Jüdischen Wohlfahrtspflege an die Notstandsküche in Höhe von RM 2600,- erforderlich. Dies war eine Besserstellung der jüdischen Wohlfahrtspfleglinge gegenüber den deutschen Unterstützungsempfängern um monatlich RM 5,20. Ab 11.3.1940 wurde der Preis auf RM -,30 für eine Mahlzeit festgesetzt, so daß für März 1940 nur noch ein Zuschuß von RM 1053,69 erforderlich wurde. Seit 1.4.1940 ist ein Zuschuß aus Mitteln der Jüdischen Wohlfahrtspflege nicht mehr nötig.

5) Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde, Ffm., Gagernstr. 36:

Bei einer Prüfung der in den Räumen des Krankenhauses der Israelitischen Gemeinde lagernden Bestände an Reis und Hülsenfrüchten der Jüdischen Winterhilfe durch das Ernährungsamt wurden zugunsten der Hauptvereinigung der Deutschen Getreide- und Futtermittel-Wirtschaft beschlagnahmt:

34 Sack             3124,25 kg     Reis,
8 Sack                   566,00 kg     Linsen,
9 Sack                   249,05 kg     Bohnen.

Die Verfügung der Hauptvereinigung der Deutschen Getreide- und Futtermittel-Wirtschaft steht noch aus.

Die Prüfung des Lebensmittellagers des Krankenhauses der Israelitischen Gemeinde und der Lebensmittelverwaltung führte zu Beanstandungen des Ernährungsamtes. Beanstandet wurde:

a) daß die Angestellten und Arbeiter des Krankenhauses der Israelitischen Gemeinde teils die Lebensmittel einzeln durch Lebensmittelkarten bezogen, während ein anderer Teil in die Zuteilung von Nahrungsmitteln auf Grund der Beschaffung durch Bezugscheine ein bezogen wurde;

b) daß im Krankenhaus etwa 20 sogenannte „Pensionäre“ wohnten, die nicht krankenhauspflegebedürftig waren;

c) daß zwei Küchen geführt wurden, die eine ordentliche Überwachung des Lebensmittelbedarfs nicht gewährleisteten.

Die Mißstände wurden abgestellt, so daß jetzt bei der Lebensmittelversorgung keine Verschleierung zwecks Besserstellung mehr zu befürchten sein dürfte.

Zu a) Die Verpflegung der Gefolgschaftsmitglieder und der Patienten erfolgt einheitlich auf Grund der beantragten Bezugscheine.

Zu b) Die sogenannten Pensionäre sind am 1.4.40 ausgezogen.

Zu c) Die rituelle Küche des Krankenhauses der Israelitischen Gemeinde hat am 7.4.40 ihren Betrieb eingestellt. Die Patienten, die rituelle Verpflegung wünschen, werden in das Rothschildsche Hospital, hier, Röderbergweg, eingewiesen. In diesem Hospital wird nur rituell gekocht.

Die Schließung dieser Küche wirkt sich auch geldlich vorteilhaft aus, da in ihr 13 Personen beschäftigt wurden, um durchschnittlich etwa 10 Patienten zu verpflegen.

Da der Gesamtbestand der Gefolgschaft im Krankenhause der Israelitischen Gemeinde im Verhältnis zu der Anzahl der Patienten zu hoch war, wurden insgesamt 42 Leute in andere Arbeitsstellen vermittelt.

6) Meine Stellung zur Staatspolizei:

ln einer Besprechung mit Herrn Regierungsrat Weiß-Bolland vor meiner Einführung in die Stelle eines Beauftragten für die Überwachung der jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen in Frankfurt a. Main wurde mir im Einvernehmen mit der Fürsorgeleitung mündlich Weisung dahingehend gegeben, daß ich als Beamter des Fürsorgeamtes Frankfurt a. Main die sparsame Verwendung der den Jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen Frankfurt a. Main seitens der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Berlin, zur Verfügung gestellten Mittel zu überwachen habe, insbesondere, daß der Haushaltsplan der Jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen Frankfurt a. Main nicht überschritten würde. Im Oktober 1939 fertigte die Kasse der jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen einen Haushaltsvoranschlag für das erste Halbjahr 1940, von dem ich eine Abschrift beifüge, und reichte ihn zur Genehmigung an die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Berlin, ein. Die Genehmigung steht bis heute noch aus, so daß mir eine Prüfung entsprechend der an mich ergangenen Weisung noch nicht möglich war. Ich arbeitete und traf meine Maßnahmen unter dem Gesichtspunkte, ob sie mittelbar oder unmittelbar im Interesse der Stadt Frankfurt a. Main lägen und werde auch weiterhin in diesem Sinne arbeiten.

Eine Dienstanweisung, die Fürsorge-Leitung und Gestapo gemeinsam fertigen wollten, ist mir noch nicht zugegangen, da die Gestapo einen entsprechenden Entwurf noch nicht fertiggestellt hat.

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