Menü
Chronik und Quellen
1940
April 1940

Richtlinien für Emigration

Gestapochef Müller stellt am 24. April 1940 klar, welche jüdischen Personengruppen zu Kriegszeiten auswandern dürfen und wohin:

Betrifft: Richtlinien für die Judenauswanderung.
Vorgang: Ohne.

Um eine einheitliche Ausrichtung zu gewährleisten, nehme ich nachstehend zum Gesamtproblem der jüdischen Auswanderung aus dem Reichsgebiet Stellung:

1) Die jüdische Auswanderung aus dem Reichsgebiet ist nach wie vor auch während des Krieges verstärkt zu betreiben. Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD hat den Herrn Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring, mit dessen ausdrücklicher Zustimmung die Fortsetzung der jüdischen Auswanderung erfolgt, davon unterrichtet, daß wehr- und arbeitseinsatzfähige Juden nach Möglichkeit nicht in das europäische Ausland, keinesfalls aber in die europäischen Feindstaaten auswandern dürfen. Dazu bemerke ich, daß jeder Auswanderungsfall, sofern es sich nicht um Übersee handelt, nach obigen Grundsätzen zu prüfen und in eigener Zuständigkeit zu entscheiden ist. In Mischehe lebende Juden dürfen keinesfalls zur Auswanderung gedrängt werden.

2) Eine betonte Ausweitung der Palästina-Wanderung ist aus außenpolitischen Gründen unerwünscht. Um allen sich daraus ergebenden Schwierigkeiten zu begegnen, habe ich äußerst strenge Bedingungen festgelegt, nach deren Erfüllung ich mir die Entscheidung über die Genehmigung von Transporten Vorbehalten habe. Ich ersuche, in keinem Falle Juden aus den einzelnen Dienstbereichen die Teilnahme an solchen Palästina-Sondergruppentransporten zu gestatten, bevor nicht mein ausdrückliches Einverständnis zur Durchführung eines solchen Transportes gegeben ist. Dabei ist darauf zu achten, möglichst männliche Juden mittleren Alters auszunehmen.

Die Reichsverkehrsgruppe Hilfsgewerbe des Verkehrs nimmt mit meinem Einverständnis zunächst die Anträge von Reisebüros zur Durchführung von Sondergruppentransporten entgegen und übergibt diese nach Vorliegen aller verlangten Unterlagen dem Referat IV D 4 des Reichssicherheitshauptamtes zur Entscheidung. Die Tätigkeit konzessionierter Reisebüros, die sich mit jüdischer Einzelauswanderung befassen, ist nicht zu behindern.

3) Für die in den Konzentrationslagern einsitzenden Juden polnischer bezw. ehemals polnischer Staatsangehörigkeit kommt eine Auswanderung vorerst nicht in Frage. Jüdischen Frauen und Kindern, über 60 Jahre alten männlichen Juden, Krüppeln usw., die die polnische Staatsangehörigkeit besessen haben, kann die Auswanderung gestattet werden.

4) Ich habe festgestellt, daß immer wieder Gerüchte auftauchen, die von einem staatlich genehmigten Abschub von Juden aus dem Reichsgebiet in das Generalgouvernement sprechen. Dazu bemerke ich, daß bis auf weiteres ein Abschub von Juden, gleichgültig welcher Staatsangehörigkeit, aus dem Reichsgebiet in das Generalgouvernement nicht stattfindet. Auch jede freiwillige Auswanderung von Juden in das Generalgouvernement ist verboten. Über jeden bekanntwerdenden Versuch, Juden, gleichgültig welcher Staatsangehörigkeit oder staatenlose, in eigener Zuständigkeit in das Generalgouvernement abzuschieben, ist mir unverzüglich durch Blitz-FS zu berichten.

5) Um einen Überblick über den Stand der Auswanderungsbemühungen und der Auswanderungsfähigkeit der Juden in den einzelnen Bezirken zu erhalten, ersuche ich, die jeweils zuständigen Bezirksstellen bzw. Ortsstellen der „Reichsvereinigung“ zu einer intensiven Überprüfung des Standes der Auswanderungsbemühungen jedes einzelnen dort vorhandenen Juden zu veranlassen. Besonderer Wert ist auf die Ausweitung der sich durch Familien- bzw. Verwandtennachforderung, ferner durch Passagen- und Vorzeige-gelderbeschaffung auf diesem Wege ergebenden Möglichkeiten zu legen. Über das Ergebnis ersuche ich, mir bis 15.5.1940 zu berichten.

6) Zum selben Termin ersuche ich um Bericht, was bisher in eigener Zuständigkeit innerhalb des dortigen Dienstbereiches für die Erleichterung und Verstärkung der jüdischen Auswanderung unternommen wurde.

Zusatz für Staatspolizeileitstelle München: Zu dem FS Nr. 10113 vom 9.4.1940.

Zusatz für Staatspolizeileitstelle Frankfurt/Main: Zu dem dortigen Schreiben II B 21936/40 vom 22.4.1940

Zusatz für Staatspolizeileitstelle Hamburg: Zu dem dortigen Schreiben II B 2 641/40 vom 18.3.1940 und FS Nr. 6616 vom 28.3.1940

Zusatz für Staatspolizeileitstelle Aachen: Zu den dortigen FS Nr. 1665 vom 27.3.1940

Baum wird geladen...