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Chronik und Quellen
1940
September 1940

September 1940

Eigentlich sollte der Monat aus deutscher Sicht Großes bringen; es wurde aber eher eine Wendung zum Negativen: Als die deutsche Luftwaffe am 15. September, dem sogenannten „Battle of Britain-Tag“, die zweite Phase der „Luftschlacht um England“ einleitete, verlor sie bei ausgedehnten Luftschlachten im Südosten von Großbritannien 57 Kampfflugzeuge. Damit brachte dieser Tag letztendlich die Wende im Luftkrieg, da die hohen Verluste belegten, dass die angestrebte Luftherrschaft über die britischen Inseln in weiter Ferne lag. Auch die intern als Unternehmen „Seelöwe“ bezeichnete Invasion in England wurde damit – obwohl von Hitler am 17. September zunächst lediglich auf das Frühjahr 1941 verschoben - zur Illusion.

Das deutsche Scheitern auf diesem Kriegsschauplatz nahm eine allgemeine sichtbare Gestalt an. Zum ersten Mal zeigte sich damit, dass das militärische Potenzial Deutschlands nicht unbegrenzt und Siege nicht selbstverständlich waren. Folge des Misserfolgs waren vermehrt wütende deutsche Angriffe gegen britische Großstädte. Am 17. September gab der britische Premierminister Winston Churchill im Unterhaus bekannt, dass es im Lande aufgrund der deutschen Luftangriffe in der ersten Septemberhälfte rund 2.000 Tote und 8.000 Verletzte zu beklagen gäbe.

Die mittlerweile an Erfolge in „Blitzkriegen“ gewöhnte deutsche Bevölkerung reagierte erstaunt über den ausbleibenden deutschen Erfolg. Der Sicherheitsdienst der SS berichtete über die Stimmung im Reichsgebiet: „Weiterhin verfolgen die meisten Volksgenossen erwartungsvoll die Vergeltungsflüge gegen England. Dabei erhebt sich in der Bevölkerung immer mehr die Frage, wie es komme, dass der Kampf um London so lange dauere. Wenn Warschau, Rotterdam in wenigen Tagen gefallen seien, so müsse es doch gelingen, London in drei Wochen zu erledigen. (…) Verschiedentlich ist jedoch auch schon als Folge des Ausbleibens einer größeren Entscheidung zu beobachten, dass ein Teil der Bevölkerung die deutschen Kriegshandlungen nicht mehr entsprechend würdigt. (…) Diese Volksgenossen begründen ihre Entscheidung damit, dass ja mit einer eigentlichen Offensive in diesem Jahr ja doch nicht mehr zu rechnen sei.“

Vor diesem Hintergrund wurde am 27. September zwischen dem Deutschen Reich, Italien und Japan ein Dreimächtepakt geschlossen. Durch das Bündnis, das sich in erster Linie gegen Großbritannien und die USA richtete, sicherten sich die drei faschistischen Regierungen gegenseitig eine volle politische, militärische und wirtschaftliche Unterstützung zu, wenn einer der Staaten von einer Macht angegriffen werden sollte, die noch nicht in das kriegerische Geschehen involviert war. Dadurch hofften die Bündnispartner vergeblich, die USA von einem Kriegseintritt abzuhalten.

Am 4. September eröffnete Adolf Hitler im Berliner Sportpalast das zweite Kriegswinterhilfswerk 1940/41, dessen Spenden nach offiziellen Angaben wiederum sozial Schwachen zugutekommen sollten. Dabei wurden all jene, die sich „freiwillig“ an der Aktion beteiligten, in Listen erfasst, wodurch im Umkehrverfahren Spendenunwillige entsprechend schnell erkannt werden konnten.

Nicht nur die Überwachung, sondern auch die Bestrafung wurde effektiviert: Am 25. September erteilte Staatssekretär Roland Freisler die Anweisung, dass die Sondergerichte künftig für die Aburteilung sämtlicher Kriegsverbrechen zuständig sein sollten. Damit wurden die Kompetenzen der gefürchteten Gerichte ausgeweitet und durch die so ermöglichte Beschleunigung auch deren abschreckende Wirkung erhöht.

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 10. September beeinträchtigte die „Verordnung zur Änderung und Ergänzung über Mietverhältnisse mit Juden“ deren Wohnsituation in erheblichem Maße. Zunächst insbesondere in Großstädten wie Berlin, München oder Wien konnten nun auch die jüdischen Mietverhältnisse in jüdischen Häusern aufgelöst werden, was nach den Bestimmungen vom Dezember 1938 zu einer zweiten Kündigungswelle führte und viele jüdische Familien ihre Unterkunft verlieren ließ. Die so erzwungenen Wohnungswechsel stellten für sie aber nicht nur einen massiven Eingriff in ihre Privatsphäre dar, sondern beeinträchtigten das Selbstwertgefühl vieler Betroffener massiv und nachhaltig.

Es drohte jedoch noch weitaus Schlimmeres. In einer Mitarbeiterbesprechung im Propagandaministerium informierte „Reichskulturwalter“ Hinkel am 6. September erstmals über mögliche Deportationen aus Berlin und Wien: „In Wien leben von 180.000 jetzt noch 47.400, davon 2/3 Frauen und nur ca. 300 Männer im Alter von 20 bis 35 Jahren. Es ist auch während des Krieges gelungen, insgesamt 17.000 Juden über den Südosten abzuschieben. Berlin zählt noch 71.800 Juden; in Zukunft sollen monatlich auch von hier ca. 500 Juden nach dem Südosten verschickt werden. Im Übrigen berichtet Herr Hinkel, daß alle Vorbereitungen getroffen sind, um - sobald nach Kriegsende Transportmittel frei sein werden - innerhalb von 4 Wochen 60.000 Juden im Wesentlichen nach dem Osten aus Berlin zu entfernen; die restlichen 12.000 würden innerhalb weiterer 4 Wochen ebenfalls verschwunden sein.“

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