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Chronik und Quellen
1940
April 1940

Steigerung der Auswanderungszahl

Der Vorstand der Reichsvereinigung diskutiert am 5. April 1940, wie sich die Zahl jüdischer Auswanderer steigern lässt:

1.) Dr. Hirsch und Dr. Eppstein berichten eingehend über die Besprechungen mit den Mitarbeitern der Wanderungsorganisationen wegen der Zahl der weiterhin zu erreichenden Zuweisungen zur Zentralstelle für jüdische Auswanderung. Nach eingehender Beratung, an der sich fast sämtliche Anwesenden beteiligen, wird Einmütigkeit über folgendes festgestellt:

a) Die Feststellung des Standes der Auswanderungsvorbereitungen der Juden in Berlin durch die Wanderungsabteilung soll zur Beschleunigung dezentralisiert in den einzelnen Stadtteilen fortgesetzt werden, wobei es vor allem auf die möglichen Wanderungsziele und das Vorhandensein von Beziehungen der einzelnen zu Verwandten und Freunden im neutralen Ausland ankommt. Es sollen dafür sofort ehrenamtliche Mitarbeiter gewonnen und im Benehmen mit der Gemeinde die erforderlichen Räume bereitgestellt werden.

b) Angesichts der Bedeutung einer zusammenfassenden Schulung der Auswanderer vor ihrer Auswanderung, insbesondere in Beziehung auf Sprachkenntnisse, Landeskunde, hygienische und wirtschaftliche Fragen, sollen die auswanderungsreifen Insassen der Hachscharah- und sonstigen Ausbildungsstätten, darüber hinaus aber auch, soweit wie möglich, die einzelnen Auswanderer aus dem Reich in Notunterkünften in Berlin zu etwa 4wöchentlichen Lehrgängen zusammengefaßt und veranlaßt werden, während ihres Wohnsitzes in Berlin den Paßantrag bei der Zentralstelle einzureichen. In bezug auf Auswanderung von Familien soll geprüft werden, ob eine Wohnsitznahme der ganzen Familie oder nur des Familienoberhauptes in Berlin erforderlich ist.

Man erwartet von der Maßnahme schätzungsweise, daß ca. 400 Personen monatlich der Zentralstelle zugewiesen werden können. Das Palästina-Amt und die Abteilung Hilfsverein werden ermächtigt, die Bestätigung zu Sondertransporten nach Palästina und die Bewilligung von Passagedevisen in den geeigneten Fällen von der Teilnahme an den Lehrgängen abhängig zu machen.

c) Ein Bedürfnis der Auswanderer, schon längere Zeit vor der Paßerteilung die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, die sonstigen Dokumente und die Packerlaubnis in Händen zu haben, wird bejaht. Es sollen deshalb insbesondere an der Hand der im Zusammenhang mit a) getroffenen Feststellungen diejenigen Personen, die im Laufe des Jahres auswandern, veranlaßt werden, schon jetzt den Antrag auf Aushändigung der Auswanderungsdokumente mit Ausnahme des Paßantrages bei der Zentralstelle einzureichen. Auch die durch diese Maßnahme ermöglichte Zuweisungsziffer wird auf 4 - 500 monatlich geschätzt. Unter der Voraussetzung, daß die Durchführung der Maßnahmen zu b) und c) genehmigt sind, kann in der zweiten Hälfte April eine tägliche Zuweisungsziffer von 40 - 50 Personen und im Mai eine Durchschnittsziffer von 60 Personen übernommen werden.

2.) Der Vorstand nimmt davon Kenntnis, daß Herr Paul Israel Hirschfeld sein Amt als Vorstand der Jüdischen Kultusvereinigung Stettin durch schriftliche Erklärung von heute niedergelegt, sich aber zur Erledigung von Sonderaufträgen bis zur Regelung der Abwicklung und Nachfolge, die im Benehmen mit dem Leiter der Bezirksstelle Hamburg, Dr. Plaut, erfolgen soll, unter Enthaltung von der Ausübung aller weiteren Funktionen, bereit erklärt hat.

3.) Brasch berichtet, daß die Staatspolizeileitstelle Berlin für Berlin die Genehmigung erteilt hat, daß an den beiden Sederabenden (22. und 23.4.40) das Ausgehverbot nicht schon um 20 Uhr, sondern erst um 22 Uhr beginnt. Auf die von anderen Kultusgemeinden bei der Reichsvereinigung eingelaufenen und noch einlaufenden Anfragen soll entsprechend geantwortet werden.

4.) Dr. Cohn berichtet über die Beziehungen zwischen Arbeitseinsatz und Berufsausbildung. Die Erörterung soll in der nächsten Vorstandssitzung fortgesetzt werden.

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