Menü
Chronik und Quellen
1940
Februar 1940

Kritik am Oberkirchenrat

Pfarrer Grüber kritisiert am 2. Februar 1940 den Evangelischen Oberkirchenrat für dessen Diskriminierung von Pfarrern, die als „Mischlinge“ gelten oder in „Mischehen“ leben:

Sehr geehrter Herr Vizepräsident!

Den Pfarrern, die den Ariernachweis für sich und ihre Frau nicht erbracht haben, ist eine erneute Aufforderung zugegangen, verbunden mit einer von Ihnen Unterzeichneten Ausführung des Ev. Oberkirchenrats. Da ich wegen der besonderen Arbeit, die ich zur Zeit durchführe, von manchen Amtsbrüdern um Rat gefragt worden bin, erlaube ich mir, zu Ihren Ausführungen und zu dem Vorgehen der Evangelischen Kirche altpreußischer Union Stellung zu nehmen, die ich auch diesen Amtsbrüdern zugehen lassen werde.

Sie haben, Herr Vizepräsident, wohl nicht den Eindruck, daß die Ausführungen des EOK die Bedenken der BK auch nur in etwas entkräftet haben.

Ihre letzten Bemerkungen, „... daß die Kirche bei der Auswahl der Persönlichkeiten, denen sie das Amt der Wortverkündigung, d. h. den Auftrag und die Pflicht anvertraut, den Dienst am Wort in einem bestimmten örtlich oder personell mehr oder weniger begrenzten Personenkreis im öffentlichen Gottesdienst auszurichten, von jeher darauf gesehen hat, daß diese Persönlichkeit .geschickt zu dem Amte sein soll1, das bedeutet: die Persönlichkeit soll, menschlich gesprochen, die Gabe und Aufsicht haben, in dem ihr zugedachten Wirkungskreis das Wort an möglichst weite Kreise und möglichst eindringlich heranzubringen“, verkennen die Bedeutung der Ordination und Amtsübertragung. Die kirchlichen Aufsichtsbehörden können Amtsbefugnisse nicht einschränken oder aberkennen, wenn nicht der Amtsträger aus Lehre und Wandel dazu Veranlassung gibt. Sie können nicht verlangen, daß ein Pfarrer nach einer gewissen Zeit der Amtsführung eine neue Qualifizierungsprüfung durchmachen soll. Die letzten Ausführungen hätten aber auch nur Sinn, wenn es in dem Amt der Verkündigung noch Pfarrer gäbe, die der Volksgemeinschaft nicht angehören. Es ist Ihnen wohl ausreichend bekannt, daß alle Pfarrer, die nach den Nürnberger Gesetzen als Juden anzusprechen sind, in Deutschland nicht mehr im Amt sind, daß sie aber zum Teil von den anderen evangelischen Kirchen der Welt aufgenommen und mit der Amtsführung beauftragt worden sind.

Die geplante Erhebung betrifft darum nur die Menschen, die nach dem klaren Willen des Gesetzgebers unbehelligt bleiben sollen, nämlich die Mischlinge und die in gemischtrassigen Ehen lebenden Deutschstämmigen. Die Nürnberger Gesetze lassen klar und deutlich erkennen, daß die größere Kluft nicht zwischen den Deutschstämmigen und Mischlingen, sondern zwischen den Mischlingen und Juden liegt. Im Staatsdienst und [in] reichsmittelbaren Stellen sind Mischlinge und in gemischtrassigen Ehen lebende Deutschstämmige unbehelligt weiter in Stellung, wie diese ja auch zu Wehr- und Arbeitsdienst herangezogen werden und der Deutschen Arbeitsfront und Hitlerjugend angehören können.

Die neuesten Verfügungen sowohl des Ernährungsministeriums wie auch des Wirtschaftsministeriums zeigen, daß die beiden Gruppen von Menschen völlig als zum Volksganzen zugehörig gerechnet werden. Auf die Verfügung des Stellvertreters des Führers vom 2.9.38 und die Erlasse des Reichswirtschaftsministeriums vom 28.10.36 und 3.8.38 brauche ich nicht besonders hinzuweisen, da ich annehme, daß sie Ihnen bekannt sind.

Ich glaube, die evangelische Kirche hätte in diesen Zeiten Wichtigeres zu tun, als Anlaß zu bieten, daß Menschen der Diffamierung preisgegeben werden, die nach dem klaren Willen der Staatsführung in ihrer Arbeit weiter ungestört bleiben sollen.

Ich kann in dem ganzen Vorgehen nichts erkennen als ein Buhlen um die Gunst der Stellen, die letzten Endes die Kirche ablehnen und die ihre Beseitigung lieber heute als morgen sehen, und als einen Versuch, auf dem Wege der Verwaltung den Arierparagraphen in der Kirche einführen zu wollen.

Ich darf noch auf eins aufmerksam machen. Die Behandlung der Pfarrer, die nach dem Nürnberger Gesetze als Juden gelten, durch die offizielle Kirche hat der evangelischen Kirche gerade bei den Deutschland wohlgesinnten neutralen Kirchenführern mehr geschadet, als in Deutschland bekannt ist. Diese neue Lieblosigkeit, die durch die Umfrage sich offenbart und bei deren Einleitung nicht irgendein klarer Wille der Staatsführung als Entschuldigungsgrund angeführt werden kann, wird noch ein größeres Hemmnis werden für ein Zusammenwirken der evangelischen Kirchen der Welt, das ja nicht nur in Kriegszeiten und bei eventuellen Friedensverhandlungen, sondern auch in kommenden Friedenszeiten dringend nötig ist. Die christlichen Kirchen müssen zu allen Zeiten das Gewissen der Welt bleiben, und sie werden es ablehnen, mit einer Kirchenleitung zusammenzustehen, welche ihre Maßnahmen nicht von einem an Gott gebundenen Gewissen, sondern von irgendwelchen Opportunitätsgründen diktieren läßt.

Ich kann aus Liebe gegen die betroffenen Brüder und aus Verantwortung gegen die evangelische Kirche Deutschlands die Fragebogen nicht ausfüllen und bitte alle Brüder, die sich deswegen an mich wenden, es gleichfalls zu unterlassen.

Heil Hitler!

Baum wird geladen...