Selbstmord wegen Schikanierung
Rica Neuburger nimmt sich im Oktober 1939 aufgrund der Schikanen gegen Juden das Leben, worüber (ohn Ortsangabe) folgende Meldung verfasst wurde:
Frau Rica Neuburger, 72 Jahre alt, war seit längerer Zeit herzleidend.
Sie wohnte zusammen mit ihrer Schwester in der Zeppelinstr. 161. Große Sorge und Unruhe bereitete ihr die Wohnungsfrage.
Sie fürchtete, kein geeignetes Unterkommen zu finden und soll öfters gesagt haben: „Ich lasse mich nicht so herumstoßen.“
Die Abgabe des Rundfunkgeräts am höchsten jüdischen Feiertag hat sie sehr mitgenommen.
Die letzten 4 Wochen mußte sie meistens im Bett verbringen.
Da die Kranke sich kaum selbst helfen konnte, ließ sie die Schwester fast nie allein zu Hause.
Am 1. Tag, als es etwas besser ging und sie, auf den Stock gestützt, einige Schritte allein gehen konnte, drängte sie die Schwester, einige Besorgungen in der Stadt zu machen. Als diese gegen 6 Uhr abends nach Hause kam und die Kranke weder auf dem Sofa noch im Bett fand, öffnete sie die Küchentüre. Dort saß die Kranke auf einem Stuhl, den Kopf über den Gasherd geneigt. Der Gashahn war geöffnet. Der sofort herbeigerufene Arzt konnte nur noch den Tod feststellen.
Man fand an ihrem Kleid einen Zettel mit einer Stecknadel angeheftet. Der Zettel hatte folgenden Inhalt:
„Die Wohnungsfrage und alles, was man uns antut und über uns verhängt, ist zu grausam und schwer und kann ich nicht überleben.
Liebe Rosa, habe vielen Dank für Deine Pflege, leb wohl mit allen Lieben. Dort ist man besser wie hier. Ich halte es nicht mehr aus, wie man uns bedrückt.
Verzeihe mir den Schritt!
Rica“