Umzug in ein „Judenhaus“
Martin Striem aus Berlin beklagt sich am 28. September 1939 bei seinem emigrierten Sohn Rolf über den bevorstehenden Umzug in ein „Judenhaus“:
Mein lieber Junge!
Wieder ist eine Woche vergangen ohne Nachricht von Dir, hoffentlich bist Du gesund und hast eine zufriedenstellende Tätigkeit, die auch materiell lohnender geworden ist und Deinen Unterhalt gewährleistet. Wir, mein lieber Junge, sind soweit gesund, doch herrscht augenblicklich ein furchtbares Durcheinander bei uns. Gestern und heute war der Packer bei uns und hat nun alles in Kisten und Kästen verstaut, und am 3.10. findet der Umzug statt, wir wünschten, das läge alles hinter uns. Wir konnten nur noch ein paar Kleinigkeiten verkaufen und haben viel zu viel Sachen für die beengte Wohnung, die noch dazu unverhältnismäßig teuer ist, dazu kommen nun noch die neuen Hausgenossen, an die man sich erst gewöhnen muß. Ich hoffe, daß Du alle Feiertage angenehm verlebt hast, wenn Du überhaupt in der Lage warst, sie zu begehen. Bernhard Baer hat auch am Jom Kippur gepredigt, und der Vorsteher hat ihm seine Anerkennung ausgesprochen. Etwas, mein lieber Junge, muß ich Dir mitteilen, was Dich sicher betrüben wird, der Radioapparat ist nicht mehr in unserem Besitz, und es ist keine Aussicht, ihn wiederzuerhalten. Es war doch immerhin eine Zerstreuung und Abwechslung für uns, aber man muß sich eben mit allem abfinden. Aus San Jose haben wir natürlich auch keine Nachricht und müssen wir uns in Geduld fassen, bis wir von Dir wieder einen Brief in Händen haben. Sonst ist nichts von Belang zu vermelden, nur daß James Rothschild Arbeit gefunden hat. Onkel Bernhard kommt am Sonnabend zu uns, ich sprach ihn vorhin telefonisch, er läßt Dich vielmals grüßen, ebenso alle Bekannten und Verwandten. Bleibe gesund und sei herzlichst gegrüßt und geküßt von Deinem Dich liebenden Vater.