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Chronik und Quellen
1939
Juni 1939

Behinderung der Emigration in die USA

Die Reichsvertretung der Juden wird im Juni 1939 darüber informiert, dass der Auswanderungsdruck die Emigration in die USA behindere:

Betr. Auswanderung nach USA.

Wir halten es für unsere vordringlichste Pflicht, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass die Auswanderung nach USA z. Zt. durch 2 Faktoren gefährdet und erschwert ist: Es sind dies:

A) Die Ausweisungen,

B) die auf einen bestimmten Termin befristeten Auswanderungen, die von verschiedenen behördlichen Stellen, insbesondere im Rheinland und in Frankfurt a. M., den jüdischen Auswanderern auferlegt werden. Soweit solche zur dringlichen Auswanderung veranlass-ten Juden Vormerkenummern und Bürgschaftspapiere zur Einwanderung in die Vereinigten Staaten besitzen, versuchen dieselben durch ihre eigenen Bemühungen wie auch durch die Inanspruchnahme des Hilfsvereines und anderer Organisationen, eine Beschleunigung ihrer Abfertigung und Vorladung beim amerikanischen Konsulat zu erreichen.

Unsere Stelle wie auch das Konsulat sind durch diese Dringlichkeitsfälle in einer solchen Weise in Anspruch genommen, dass die normale Beratung und Bearbeitung von Auswanderungsfällen darunter notleidet. Ein Erfolg dieser wiederholten Rückfragen und dieses Drängens bei dem ohnehin überlasteten amerikanischen Konsulat in Stuttgart ist aus technischen Gründen ausgeschlossen.

Eine Vorladung zwecks Beantragung eines Einwanderungsvisums kann nur erfolgen, wenn

1) die Wartenummer des Betreffenden an der Reihe ist, weil das amerikanische Einwanderungsgesetz die strengste Einhaltung der Wartezeit vorschreibt.

2) Wenn die Bürgschaftspapiere und die dazu gehörigen Beweismittel über Arbeitsverdienst und Vermögen des Bürgschaftsstellers geprüft und in Ordnung befunden sind. Schon seit der Juni-Aktion steht das amerikanische Konsulat in Stuttgart, das die meisten Auswanderungsvisen auf deutsche Quote ausstellt (im Quotenjahr 1937/38 wurden von insgesamt auf der ganzen Welt ausgestellten 18 000 Visen auf deutsche Quote in Stuttgart 10 000 Visen ausgestellt), unter einem ausserordentlichen Druck. Ende November setzte ein erneuter Sturm von seiten der amerikanischen Bürgschaftssteller als auch der deutschen Auswanderer auf das Konsulat ein, so dass die Erledigung des Posteinlaufs um annähernd 2 Monate im Rückstand ist. Das bedeutet, dass die seit Anfang Dezember eingelaufenen Bürgschaften noch nicht geprüft und die ergänzenden Papiere, die zur Vorladung und Visumserteilung unerlässlich sind, sich zum grossen Teil noch uneröffnet und ungeprüft beim Posteinlauf des amerikanischen Konsulats befinden. Weder der Auswanderer noch die jüdischen Auswanderungs-Organisationen können an dieser bedauerlichen Tatsache etwas ändern. Auch das Konsulat, das zum Teil Nachtarbeit zur Beschleunigung eingeführt hat, ist aus technischen Gründen ausser Stande, diese dringlichen Auswanderungen zu den von deutschen Behörden vorgeschriebenen Terminen zur Durchführung zu bringen.

Wir erlauben uns deshalb, im Interesse einer reibungslosen weiteren Zusammenarbeit mit dem Konsulat und um eine Verzögerung der normalen, ordnungsmässigen USA-Auswanderungen zu verhindern, die durch diese erfolglosen Versuche zur Beschleunigung dieser Dringlichkeitsfälle in bedauerlicherweise notleiden, den Sachverhalt bei den zuständigen Reichsstellen vorzutragen, mit der Aufklärung, dass durch derartige Ausweisungen und befristete Auswanderungen die jüdische Auswanderung nicht beschleunigt, sondern aus den oben erwähnten Gründen verzögert und gehemmt ist.

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