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Chronik und Quellen
1939
Juni 1939

Angst wegen Nichtigkeit

Jacques Cahn fürchtet am 23. Juni 1939 nach seinem Besuch auf dem Polizeirevier Berlin-Schöneberg eine Strafanzeige:

Akten-Notiz!
sofort niedergeschrieben nach meiner Rückkehr vom Polizeiamt Schöneberg am Freitag den 23. Juni 1939. Vorm. 12 Uhr! ...

Ich war für heute Vormittag nach dem Polizei Revier 173, Zimmer 6. bestellt, um dort meinen Antrag für eine Reiselegitimationskarte (zwecks meiner Schweizer Geschäftsreise im Herbst) welchen ich gestern dort abgegeben hatte - abzuholen. -Ich erhielt der Antrag in verschlossenem Couvert zur Abgabe am Polizeiamt Schöneberg - Zimmer 117.

Da durch Neu-Überstreichen der Thüren die betreff. Nummer für mich schwer erkennbar war, klopfte ich an einer Thür (es war Zimmer 11) an, betrat das Zimmer & da sich ausser den 2 Beamten am Pult, mehrere Personen im Zimmer befanden, blieb ich in militärischer Haltung an der Thür stehen. -

Auf die Frage des Beamten (am Pult links) nach meinem Begehr, trat ich einen Schritt vor, indem ich meine Kennkarte mit dem „J“ nach aussen hin sichtbar - über meiner Aktentasche in der linken Hand hielt und fragte den Beamten, ob hier Zimmer 117 sei, um meinen Legitimationsantrag abgeben zu können?

Der Beamte verneinte dies & verwies mich nach Zimmer 123 und fragte mich gleichzeitig, ob ich Jude sei, worauf ich erwiderte:

„Jawohl, Herr Inspektor - ich habe ja hier meine Kennkarte dauernd in der Hand.“ Darauf verlangte der betreffende Beamte die Karte, machte sich Notizen und fragte mich nach meiner Wohnung, vorauf ich höflichst frug, ob seine Notiz einen Strafantrag darstelle, was der Herr bejahte und mir, trotz meiner wiederholten Versicherung, dass ich ja sichtbar meine Karte in der Hand habe & mich vorerst nur nach dem Zimmer erkundigte, und mir erwidert dass jede weitere Erörterung überflüssig sei und er mir empfehle - falls ich wiederkäme - meine Kennkarte - sofort - vorzulegen. -

Ich ging nach Hause und schreibe diese Akten-Notiz sofort in dem Bewusstsein nieder:

1) in dem bestimmten Gefühl, dass mir heute ein Unrecht widerfahren ist!
2) zur Unterstützung meines eigenen Gedächtnisses
3) für den Fall, dass eine Strafanzeige bei mir eingeht

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