Flüchtlingslager in Europa
Am 6. Januar 1939 berichtet die „Jewish Chronicle“ aus London über Flüchtlingslager in verschiedenen europäischen Ländern:
„Niemandsland“-Lager und Baracken für Juden. Überwiegend Folge des Münchener Abkommens
Entlang der deutschen, slowakischen, ungarischen, polnischen sowie noch anderer Grenzen befinden sich mindestens zwölf „Niemandsland“-Lager, und [weitere] Tausende von Flüchtlingen sind in die Baracken der fünfzehn Isolierungslager in der Schweiz, Belgien und Holland gesperrt. Das geht aus Gutachten des American Jewish Joint Distribution Committee und anderer Pariser Haupthilfsorganisationen hervor. Einige der Lager sind infolge der Gnadenlosigkeit entstanden, mit der Deutschland seine Juden ausweist, doch die meisten von ihnen sind das direkte Resultat des Münchener Abkommens und der Abtretung der Gebiete an Deutschland, Ungarn und Polen.
Sechzehn jüdische Familien im „Niemandsland“-Lager nahe der Stadt Louny [Laun] im Sudetengebiet und weitere, ähnlich versprengte Gruppen entlang der tschechisch-deutschen Grenze leben in Gräben. Das Rote Kreuz hat sie zwar mit Zelten und Stroh versorgt, doch ist es ihm nicht gelungen, für sie eine Einreisegenehmigung in die Tschechoslowakei zu erhalten. Im Pilsener Gebiet lebt eine Anzahl von Juden zwischen den beiden Grenzen in zwei unterschiedlichen Lagern in der Nähe von Manetin und Domzlice. Bei Brünn leben 128 Juden unter ähnlichen Bedingungen, und in einer zerstörten Fabrik in Ivanice leben mehr als 200 deutsch-österreichische Flüchtlinge. Etwa 600 Juden leben in dem belgischen Isolierungslager in Merxplas und 750 in dem in MarnefFe, wo sie ausgebildet werden. Der Staat stellte ihnen Baracken zur Verfügung, und die jüdischen Organisationen sorgen für Essen und Heizung. In der Schweiz sind 900 Flüchtlinge in etwa ein Dutzend Lager eingesperrt. Sie werden von jüdischen Organisationen vor Ort unterstützt.
Die jüdische Gemeinde Hollands musste eine halbe Million Gulden bei der holländischen Regierung als Garantie für den Unterhalt der jüdischen Flüchtlinge im Lager von Hoek van Holland hinterlegen, das Unterbringungsmöglichkeiten für 1500 Personen bietet.
Die jüdischen Deportierten aus der Slowakei, die ein paar Wochen lang im „Niemandsland“ an der slowakisch-ungarischen Grenze umherirrten, sind nun in eigens errichtete Lager beiderseits der Grenze gebracht worden (berichtet der Prager Korrespondent des Jewish Chronicle). Einige von ihnen sind privat untergebracht worden. Die „HICEM“ bemüht sich, Vorkehrungen für ihre Emigration nach Südamerika und Palästina zu treffen sowie für die der Kinder (sofern deutscher oder österreichischer Herkunft) nach England. Die Mittel dafür wurden von einheimischen Juden und dem Lord Mayor of Londons Fundfor Czech Refugees bereitgestellt.